Nach elf Jahren innerparteilicher Verantwortung auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene entschied sich Helmut Kohl, bei der Landtagswahl 1959 für ein Abgeordnetenmandat zu kandidieren. Siebzehn Jahre lang gehörte er der rheinland-pfälzischen CDU-Landtagsfraktion an.
Nach der Promotion strebte Helmut Kohl im Alter von 28 Jahren das nächste Ziel an: 1959 als jüngster Abgeordneter in den Mainzer Landtag einzuziehen. Finanziell sicherte dieses Mandat jedoch nicht den Lebensunterhalt; Kohl wurde daher Direktionsassistent der Firma Mock, einer Eisengießerei in Ludwigshafen, wechselte bald darauf als Referent zum Verband der Chemischen Industrie. Erst als er 1969 Ministerpräsident wurde, gab er dieses Standbein auf. Wesentliche Einblicke in die Strukturprobleme der mittelständischen Wirtschaft, in juristische und nationalökonomische Fragestellungen, in unternehmerische Praktiken und Tätigkeiten sowie in den Umgang mit Geld in der Industrie erhielt er dort. Hauptsächlich war es im Chemieverband Kohls Aufgabe, die Mitgliedsfirmen schriftlich und mündlich über neue Gesetzgebungsmaßnahmen zu informieren und zu beraten. Sein Organisationstalent in Sachen Veranstaltungen kam ihm dabei zugute. Das Fingerspitzengefühl für die Handhabung unterschiedlicher Interessensgruppen und menschlicher Eitelkeiten wurde trainiert.
Bei der Landtagswahl am 19. April 1959 erhielt die CDU unter Ministerpräsident Peter Altmeier 48,4 Prozent der Stimmen. Das bedeutete die absolute Mehrheit von 52 Sitzen; die Koalition aus CDU und FDP wurde dennoch fortgesetzt. Die SPD lag bei 34,9 Prozent und hatte 37 Abgeordnete, die FDP erhielt 9,7 Prozent und zehn Mandate. Mit 5,1 Prozent errang auch die Deutsche Reichspartei einen Sitz.
Der Landtagsneuling Kohl wurde vom Fraktionsvorsitzenden Wilhelm Boden sogleich mit Sonderaufträgen betraut: Die Einarbeitung in das Besoldungsrecht für Beamte und die Reform des Abwasserrechts wiesen Kohl in das Klein-Klein parlamentarischer Basisarbeit ein. Große Verantwortung erhielt er durch seine Entsendung in den einflussreichen Haushalts- und Finanzausschuss. Dort erlangte er wichtige Vorkenntnisse für das Amt als Ministerpräsident. Außerdem saß Kohl im Kulturpolitischen Ausschuss.
In der Fraktion und im Landtag profilierte sich Kohl mit Wortbeiträgen, Auseinandersetzungen scheute er nicht. Als der Fraktionsvorsitzende Boden 1961 starb, rückte dessen Stellvertreter Hermann Matthes in das Amt nach. Kohl wurde am 25. Oktober 1961 mit einer Stimme Mehrheit neuer Stellvertreter – gegen den Willen des Ministerpräsidenten Altmeier und um eine Erfahrung reicher in der Beschaffung von Mehrheiten. Nach der Landtagswahl 1963 wurde Kohl am 9. Mai mit 33 Jahren direkt Fraktionsvorsitzender. Die Machtverschiebung von Altmeier zu Kohl zeigte erste Konsequenzen: 38 von 41 Abgeordneten stimmten für die neue Führung.
Als Vorsitzender der Regierungsfraktion wollte Kohl die Verluste der letzten Landtagswahl wieder wettmachen. Ein Klima des Zusammenhalts und der Kameradschaft sollte die Basis für ein vertrauensvolles Miteinander in der Fraktion bilden. Er strebte einen offenen politischen Diskurs statt Abstimmungsmarathons an. Der Sachverstand der Ministerialbürokratie war einzuholen, qualifizierte Kräfte außerhalb der politischen Sozialisation waren zu fördern. Kohl forderte den direkten Kontakt der Abgeordneten zu den Bürgern vor Ort, konkrete Probleme und deren praktische Lösungen sollten die Bürger von der Landespolitik überzeugen. Meinungsaustausch bei Arbeitstagungen der Fraktion quer im Land und halbjährliche Treffen der CDU-Landtags- und Bundestagsabgeordneten sowie jährliche Treffen mit Verantwortlichen aus der Kommunalpolitik sollten für Zusammenarbeit und Transparenz sorgen. Die Wichtigkeit der Vermarktung der politischen Entscheidungen erkannte Kohl ebenso wie die Notwendigkeit eines guten Verhältnisses zu Fernsehen, Rundfunk und Presse; er stellte daher erstmals in der Fraktion einen Pressereferenten ein.
Die sechziger Jahre waren für Helmut Kohl weitere politische Lehrjahre. Nicht nur in der Landespolitik, auch in der Kommunalpolitik engagierte er sich. Obwohl er soeben in den rheinland-pfälzischen Landtag eingezogen war, nahm er prompt die nächste Herausforderung an: Nach der Kommunalwahl am 23. Oktober 1960 wurde er Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion in Ludwigshafen und blieb es sieben Jahre lang. Parallel zu den Aufgaben als Abgeordneter und als Referent beim Verband der Chemischen Industrie arbeitete Kohl in verschiedenen kommunalen Ausschüssen und Kommissionen mit: Haupt- und Finanzausschuss, Gemeindeschaftsausschuss Mannheim-Ludwigshafen, Bau- und Grundstücksausschuss, Kunstkommission, Kuratorium der Volksschule.
Als er bereits Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz war, schied er am 1. Oktober 1970 aus dem Rat aus. Trotz dieser Mehrfachbelastung fehlte Kohl lediglich zweimal bei Ratssitzungen. In dieser Zeit erlangte er wesentliche Kenntnisse über die Herausforderungen einer Großstadt: Straßenreinigung, Gesundheitswesen, Wohnungs-, Straßen- und Tiefbau, Bestattungswesen, Finanzen, Müllbeseitigung, Personalfragen, Haushalt etc.
Doch der Blick ging nicht nur nach Mainz und Ludwigshafen, auch die Arbeit innerhalb der CDU vernachlässigte Kohl nicht. Als die sicher geglaubte absolute Mehrheit der CDU bei den Landtagswahlen 1963 verlorenging, musste die Partei mit neuen Ideen um das Vertrauen der Menschen werben.
Am 12. Oktober 1963 wählte der CDU-Bezirksverband Pfalz Helmut Kohl mit 236 von 250 Stimmen zum Vorsitzenden. Ein wichtiger Schritt, um weitere Vertreter der Gruppe um Ministerpräsident Peter Altmeier von den neuen Machtverteilungen zu überzeugen und den Weg zum Landesvorsitz 1966 zu ebnen. Kohls Nachfolger als CDU-Bezirksvorsitzender wurde am 4. November 1967 Bernhard Vogel.
Mit seiner Wahl zum Landesvorsitzenden am 6. März 1966 brachte Helmut Kohl weiteren frischen Wind in die eingefahrenen Strukturen: Hausbesuche, Gespräche mit Arbeitern, Diskussionen mit Jugendlichen, überhaupt direkte Bürgerkontakte führten die CDU wieder näher an die Menschen. Bei der Landtagswahl 1967 gewann sie zwar 2,3 Punkte hinzu, verfehlte dennoch knapp die absolute Mehrheit. Altmeier setzte sein Bündnis mit der FDP fort – nicht ohne ein von Helmut Kohl bereits personalpolitisch beeinflusstes Kabinett. Seine Vertrauten Bernhard Vogel und Heiner Geißler hatte der potentielle Nachfolger als Kultus- bzw. Sozialminister verankert. Den Landesvorsitz der CDU in Rheinland-Pfalz gab Kohl nach über acht Jahren aufgrund der zunehmenden bundespolitischen Belange schließlich im September 1974 wiederum an Bernhard Vogel ab.
Helmut Kohl war der letzte Bundeskanzler, der den Terror des Nationalsozialismus und die Schrecken des Zweiten Weltkriegs bewusst miterlebte. Diese Zeit prägte ihn und beeinflusste seine politische Entwicklung.
Am 2. Dezember 1976 gab Helmut Kohl sein Amt als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz auf und trat als Oppositionsführer an die Spitze der stärksten Fraktion im Deutschen Bundestag. Nicht nur harte Auseinandersetzungen mit Bundeskanzler Helmut Schmidt, sondern auch Machtkämpfe zwischen den beiden Schwesterparteien CDU und CSU bestimmten die kommenden Jahre.
Helmut Kohl hat in seinen Regierungsjahren von 1982 bis 1998 die Bundesrepublik Deutschland so nachhaltig verändert wie vor ihm nur Konrad Adenauer. Standen in den 1980er Jahren die Sanierung der Staatsfinanzen und innenpolitische Reformen im Mittelpunkt, konzentrierte sich die Regierungsarbeit nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 auf die Vollendung der Deutschen Einheit und den „Aufbau Ost“.
Nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Bundeskanzlers im Oktober 1998 hat Helmut Kohl weiterhin in vielfältiger Weise politisch gewirkt. Ein besonderes Anliegen war es ihm, die jungen Menschen für die europäische Einigung zu begeistern. Im Dezember 1998 wurde ihm der Titel „Ehrenbürger Europas“ verliehen. Überschattet wurden diese Jahre durch die Parteispendenaffäre 1999/2000 und den Freitod seiner ersten Ehefrau Hannelore 2001.