Demokratie und Staat

„Nur wenn wir Freiheit auch als Freiheit des anderen verstehen, sind wir in der Lage, Solidarität als politische Konsequenz des christlichen Gebots der Nächstenliebe auszuüben.“

Abgedruckt in: Helmut Kohl: Bundestagsreden und Zeitdokumente. Hg. von Horst Teltschik. Bonn 1978, S. XVIII.

„Wir wollen keine Hexenjagd und schon gar keine Gesinnungsschnüffelei. Wir sagen auch, jeder muß die Chance haben, zu unserer Verfassungsordnung, wenn er will, wieder zurückzufinden. Aber wir lassen uns auch nicht davon abbringen, daß sich diese streitbare Demokratie kämpferisch zur Wehr setzt - Bonn ist nicht Weimar.“

Abgedruckt in: Helmut Kohl: Bundestagsreden und Zeitdokumente. Hg. von Horst Teltschik. Bonn 1978, S. XIX.

„Wir bejahen die Pluralität unserer Gesellschaft, ihre Vielfältigkeit an Gruppen und Meinungen. Wir bejahen die Chance jeder Gruppe, an der politischen Gestaltung dieses Landes teilzunehmen, sofern sie nur die verfassungsmäßige Ordnung unseres Staates achtet. Pluralität und Chance des Wechsels sind für uns Elemente demokratischer Wirklichkeit.“

Abgedruckt in: Helmut Kohl: Bundestagsreden und Zeitdokumente. Hg. von Horst Teltschik. Bonn 1978, S. XVII.

„Die freiheitliche Demokratie braucht mehr als jede andere Staatsform die Überzeugungskraft, die Leidenschaft ihrer Bürger. Warum reden wir dann eigentlich nicht von der Liebe zum eigenen Land und von der Vaterlandsliebe? Dieses Wort ist für mich überhaupt nicht abgewertet, und es hat nichts mit Chauvinismus und nichts mit Nationalismus zu tun. Aber damit wird die Sprache und die Gedankenwelt geformt und ein Sprachverständnis geschaffen, das Grundelemente des Menschen berührt, die gerade in einem geteilten Vaterland von allergrößter Bedeutung sind.“

Abgedruckt in: Helmut Kohl: Bundestagsreden und Zeitdokumente. Hg. von Horst Teltschik. Bonn 1978, S. XVI.

„Wir wollen einen starken Staat mit Autorität. Er hat die politischen Ziele der Gemeinschaft durchzusetzen, sie nach den gemeinsamen Grundsätzen der Freiheit und sozialen Gerechtigkeit zu gestalten und weiterzuentwickeln, gegen Angriffe und Bedrohung von außen zu schützen und die Freiheit, die Sicherheit und den Rechtsfrieden zu wahren. Unser Staat ist auch der Anwalt der Schwachen, der Alten und Kinder, der Behinderten und all derer, die am Rande stehen und keine mächtige Vertretung haben. Wir müssen der Ansicht entgegentreten, daß unser Staat ein Selbstbedienungsladen sei. Wir müssen verhindern, daß diejenigen, die stark und mächtig sind, die Druck ausüben können, weitgehende Zugriffsmöglichkeiten auf staatliche Leistung gewinnen. Gerade wenn der Staat weniger Geld hat, ist es notwendig, daß auch die Menschen in unserem Lande, die keine machtvollen Interessengruppen hinter sich haben, von einem gerechten Staat Unterstützung erhalten.“

Abgedruckt in: Helmut Kohl: Bundestagsreden und Zeitdokumente. Hg. von Horst Teltschik. Bonn 1978, S. XVf.

„Die liberale Idee ist in unserem Grundgesetz lebendig. Jeder hat ein Recht auf freie Entfaltung. Dazu gehört für mich die Verpflichtung zur Solidarität. Geistige und materielle Leistung ist in ihrem Erfolg mit anderen zu teilen. Die Union hat unsere freiheitliche Verfassungsordnung mitgestaltet und richtet sich danach aus. Offen und tolerant.“

Abgedruckt in: Helmut Kohl: Bundestagsreden und Zeitdokumente. Hg. von Horst Teltschik. Bonn 1978, S. XV.

„Wir weichen keiner politischen Auseinandersetzung mit der Opposition aus, solange es darum geht, den richtigen Weg und die richtige Entscheidung durchzusetzen. Aber bei all dem, was heute auch hier streitig erscheint, einen Fehler der früheren Regierung und des früheren Kanzlers werde ich nicht wiederholen: Ich werde Sie nicht auf Jahre hindurch von wichtigen Informationen ausschließen. Sie werden die notwendigen Informationen von dieser Regierung bekommen. Was Sie daraus machen, ist dann Ihre Sache.“

Am 14. Dezember 1982 im Deutschen Bundestag.

„Winston Churchill hat einmal auf die Frage, wann er zurücktrete, geantwortet: Nicht bevor es ihm schlechter und dem Land besser gehe. Ich finde: eine ehrenwerte Devise. Bei den Sozialdemokraten ist es genau umgekehrt. Sie warten, bis es ihnen selbst wieder einmal besser geht, auch wenn es dem Lande dabei immer schlechter geht. Und genau das unterscheidet den Macher vom Staatsmann.“

Am 9. März 1981 auf dem Bundesparteitag der CDU in Mannheim.

„In seiner Rede 'Politik als Beruf' spricht Max Weber von den 'zwei Todsünden auf dem Gebiet der Politik': Von der 'Unsachlichkeit' und von der 'Verantwortungslosigkeit'. 'Die eitle Selbstbespiegelung in dem Gefühl der Macht', so Max Weber, führt den Politiker 'am stärksten in Versuchung', diese Todsünden zu begehen. Wer 'das Bedürfnis' hat, 'selbst möglichst sichtbar in den Vordergrund zu treten', ist 'stets in Gefahr, sowohl zum Schauspieler zu werden wie die Verantwortung für die Folgen seines Tuns leicht zu nehmen und nur nach dem Eindruck zu fragen, den er macht'. Treffender kann man die Politik des jetzigen Bundeskanzlers nicht beschreiben.“

Am 23. Oktober 1978 auf dem Bundesparteitag der CDU in Ludwigshafen.

„Ich bin überzeugt, daß eine moderne Gesellschaft mit einem hohen Maß an Freiheitsbedürfnis, aber mit nur zwei Parteien sehr rasch an die Grenze zur Bindungslosigkeit gelangt. In zwei Volksparteien werden die Spannungen zu groß, wenn nicht ein drittes Äquivalent da ist; sonst wird z. B. der Freisinn oder das national-liberale Element nicht berücksichtigt.“

In einem Interview mit Peter von Zahn für das Buch "Profil der CDU", Hamburg 1975.

„Bilanzen der Politik gewinnen ihre Bedeutung nicht aus sich selbst, sondern aus der Zweckbestimmung, aus der Sinngebung des Staates und des Gemeinwesens. Es ist nicht das Volk für die Regierung da, sondern die Regierung für das Volk. Es ist nicht der Mensch Objekt der Politik, sondern Politik muß sich am Bild des Menschen orientieren. Sie steht - um mit dem Historiker Jacob Burckhardt zu reden - im Dienste des 'leidenden, strebenden und handelnden Menschen, wie er ist und immer war und immer sein wird'.“

Am 3. November 1981 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hamburg.

„Die föderative Ordnung ist mehr als ein Verfassungsprinzip: Sie ist ein wichtiges Ergebnis unserer Geschichte. Sie ist Ausdruck unserer politischen Kultur, die von Verteilung und Kontrolle der Macht, von Freiheit und Eigenverantwortung geprägt ist. Die Aufgaben, die Länder und Gemeinden wirksamer als der Bund erfüllen können, sollten sie selbst wahrnehmen. Wir wollen mehr Selbst- und Nächstenliebe der Bürger füreinander. Das politische Strukturprinzip dafür ist die Subsidiarität. Es verlangt die Vorfahrt für die jeweils kleinere Gemeinschaft. Was diese zu leisten vermag, soll ihr die größere nicht abnehmen.“

Am 13. Oktober 1982 in seiner ersten Regierungserklärung.

„Die erste deutsche Demokratie ist von den Extremen von links und rechts zerstört worden. Die zweite deutsche Demokratie ist aus der politischen Mitte unseres Volkes aufgebaut worden, und sie wird - davon bin ich zutiefst überzeugt - aus dieser Mitte auch die Kraft zur Erneuerung finden.“

Am 13. Oktober 1982 in seiner ersten Regierungserklärung.

„Unser Staat würde seine moralische Rechtfertigung einbüßen, wenn er nicht die Meinung anderer respektierte. Er wäre verloren, wenn er der Gesinnungsethik der Friedenssucher nicht die Verantwortungsethik entgegenstellte, die die Sicherheit der Nation und die politische Lebensform freiheitlicher Demokratie uns auferlegen.
Demokratie - und das gilt auch für demokratische Parteien - ist nicht nur ein Gehäuse für schönes Wetter und für volle Taschen. Demokratie muß sich bewähren in Zeiten der Herausforderung und Bedrängnis, sie erfordert Mut und Stehvermögen. Führung in der Demokratie erfordert den Mut und die Disziplin zur Realpolitik. Realpolitik aber heißt heute angesichts der Bedrohung: Kaltblütigkeit bewahren, mit Geduld und mit Unerschrockenheit verhandeln, sich um den wirtschaftlichen Austausch und den Abbau der Bedrohungspotentiale bemühen und nicht vorab schon die eigene Position aus Angst preisgeben.“

Am 3. November 1981 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hamburg.

„Wir müssen wieder Raum schaffen für selbstverantwortete Freiheit. Wir vertrauen auf die Mündigkeit der Bürger, auf ihre Bereitschaft und Fähigkeit, auch ohne die Allgegenwart eines alle bevormundenden Staates ihr Leben selbständig zu gestalten. Familie, Nachbarschaft, Gemeinde - dort, wo menschliche Nähe erfahrbar ist, dort schlägt das Herz der Freiheit, dort - und nicht im Pathos von Ideologien - liegen die Quellen des Gemeinsinns, der Gemeinsamkeit von Demokraten und der Bereitschaft, sich für das Vaterland in Pflicht nehmen zu lassen.“

Am 3. November 1981 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hamburg.

„Als die Führung des Staates in unseren Händen lag, haben wir alles getan, um die schöpferischen Kräfte unseres Volkes zu wecken. Was damals in den langen und harten Jahren des Wiederaufbaus unter der Kanzlerschaft Konrad Adenauers geschaffen und unter der Kanzlerschaft Ludwig Erhards und Kurt Georg Kiesingers bewahrt wurde - wirtschaftliche, finanzielle, soziale und politische Stabilität -, ist heute in Gefahr. (...) Jahrelang sind notwendige, für die Zukunft unseres Staates lebenswichtige und vorausschauende Entscheidungen liegengeblieben, weil die Angst vor dem Zerfall der Regierungsmacht als ständiger Gast am Bonner Kabinettstisch saß und die Richtlinien der Politik bestimmt hat. Wenn die schöpferischen Kräfte unseres Volkes wieder geweckt werden sollen, braucht unser Land eine neue, eine bessere Regierungspolitik. Dann brauchen unsere Bürger eine Regierung, die mit Mut und Umsicht, mit Augenmaß und Tatkraft Vorsorge trifft gegen die Krisen, Belastungs- und Bewährungsproben, denen die Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahrzehnt ausgesetzt sein wird.“

Am 9. Mai 1981 auf dem Bundesparteitag der CDU in Mannheim.
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„Wer es für 'liberal' - so sagt man dann doch - hält, auch noch den Feinden unserer Verfassung den Zugang zu Macht und Verantwortung im Staat offenzuhalten, der verschlechtert den Wert demokratischer Freiheitsrechte, der mißachtet die Lehren der Geschichte. Der unsinnigen Vorstellung einer 'Bürgerfreiheit zum Nulltarif' hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Urteil zur Wehrpflichtnovelle eine klare Absage erteilt. Wer es nicht wagt, das Prinzip der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst entschlossen und mutig zu vertreten, der stellt doch dem demokratischen Selbstbewußtsein und der Zivilcourage gerade unserer jungen Mitbürger ein erbärmliches Zeugnis aus.“

Am 23. Oktober 1978 auf dem Bundesparteitag der CDU in Ludwigshafen.

„Wir wollen keinen Sozialismus und keine sozialistische Mißwirtschaft, wir wollen nicht mehr Bürokratie und keine sozialistische Gleichmacherei. Wir wollen im besten Sinne des Wortes mehr Freiheit statt mehr Sozialismus in der Bundesrepublik.“

Am 24. Mai 1976 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover.

„Liberale Gesellschaften sind offene Gesellschaften:
Gesellschaften, in denen niemand ein Monopol für die Deutung, Erkenntnis und Veränderung der Wirklichkeit hat;
Gesellschaften, die bereit sind, nach dem Prinzip 'Versuch und Irrtum' in geistigem und politischem Wettbewerb Problemlösungen zu suchen;
Gesellschaften, die wissen, daß es fast immer mehr als eine diskutable Lösung eines jeden Problems gibt, in denen deshalb die Offenheit zur argumentativen Auseinandersetzung erhalten bleibt und nicht durch eine Freund-Feind-Polarisierung zerstört wird.“

In einem Beitrag zu dem Buch "Union alternativ", Stuttgart 1976.

„Liberale Gesellschaften sind Gesellschaften, in denen der Staat dem einzelnen die Verantwortung für sich selbst nicht abnimmt, wohl aber Mitverantwortung übernimmt, da, wo Bürger an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen. Hier hat das Bemühen um mehr soziale Gerechtigkeit seinen liberalen Stellenwert, findet es aber auch seine von dem Anspruch persönlicher Freiheit abgesteckte Grenze.“

In einem Beitrag zu dem Buch "Union alternativ", Stuttgart 1976.

„Vor allen Sachfragen der Politik gilt: eine Gemeinschaft, ein Volk, kann nur dann zusammenleben, wenn Vertrauen besteht, wenn Verlaß ist auf den anderen. Nur auf dieser Basis ist eine Orientierung in der Gesellschaft überhaupt möglich. Unsere Mitbürger interessieren keine ideologischen Luftschlösser, interessieren keine sozialistischen Heilslehren. Dieser Bürger stellt zu Recht ganz andere Fragen. Er will von der Politik wissen, ob es sinnvoll ist, zu sparen, welche Zukunftschancen seine Kinder haben werden, ob seine Rente gesichert ist, wie wir den Radikalen - seien es die Kommunisten oder die Faschisten - gegenübertreten. Das sind sehr konkrete, sehr handfeste Fragen, und sie verdienen eine konkrete Antwort, die den Realitäten nicht ausweicht und die utopische Verheißungen unterläßt.“

Am 24. Mai 1976 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover.

„Was wir brauchen, ist Vertrauen der Bürger in die Zukunft unseres Landes. Vertrauen zu sich selbst, in die eigene Leistung und ein neues Vertrauen und Solidarität untereinander. Wir brauchen das Vertrauen unserer Mitbürger in die Handlungsfähigkeit unseres Staates und in die Vertrauenswürdigkeit der verantwortlichen Politiker. Wir brauchen wieder Vertrauen der Bürger in die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft und in unsere soziale Ordnung. Wir brauchen Vertrauen bei unseren Nachbarn wie bei allen unseren Partnern in der Welt und wir brauchen einen Staat, der dieses Vertrauen rechtfertigt und täglich ihm gemäß handelt.“

Am 24. Mai 1976 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover.

„Wie ist es eigentlich mit der Bindung der Bürger an das Gemeinwesen Bundesrepublik Deutschland bestellt? Von welcher Art ist die Bindung der Bürger an diese Republik? Jedes Gemeinwesen lebt durch die Bereitschaft seiner Glieder, sich mit ihm zu identifizieren. Identifikation meint nicht blinden Gehorsam und Selbstaufgabe, sondern die tief verwurzelte Überzeugung, daß das Gemeinwesen, dem wir angehören, Anspruch auf unsere Loyalität habe. Das bedeutet, daß die Zugehörigkeit zu unserem Gemeinwesen nicht als eine zufällige und äußere Bedingung unseres Lebens empfunden, sondern als ein wesentliches Stück unserer personalen Identität angenommen wird. Ohne Identifikation in diesem Sinne können nur Zwangsordnungen Bestand haben. Regeln des Zusammenlebens, seinen Bürgern notwendige Lasten aufzuerlegen, seine eigene Existenz in Krisen zu behaupten - das alles vermag ein Gemeinwesen ohne ein Übermaß an Gewaltsamkeit nur, wenn es auf ein breites und tiefes Fundament der Zustimmung gegründet ist.“

In einem Beitrag zu dem Buch "Union alternativ", Stuttgart 1976.

„Dieser Staat muß sich auf jene Aufgaben beschränken, die unverwechselbar nur er erfüllen kann. Nur dann wird er seine volle demokratische Handlungsfähigkeit bewahren und sich entschlossen - wenn es nottut - auch gegen Widerstände durchsetzen. Wir wollen das Glück der Menschen und nicht die Zwangsbeglückung durch den Staat. Ein Staat, der allen alles andient, dient in Wirklichkeit längst niemandem mehr. Wir wollen keinen Staat der roten Funktionäre und der Bürokraten, wir wollen die lebendige Republik des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Wir wollen diese Republik und keine andere.“

Am 24. Mai 1976 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover.

„Je mehr Eigentum in diesem Lande möglich ist, umso größer ist die demokratische und soziale Stabilität.“

Am 24. Mai 1976 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover.

„Die Menschen sollen nicht nur Erfüllungsgehilfen staatlicher Entwürfe des gesellschaftlichen Glückes werden. Liberale Politik will Spielräume für individuelle Gestaltung offenhalten. Sie will die Wahl zwischen Alternativen ermöglichen, indem sie auch und gerade die sozialen Voraussetzungen dafür schafft. Sie will aber nicht die Vielfalt menschlicher Möglichkeiten obrigkeitsstaatlich, autoritär oder auch sozialistisch verkürzen.“

In einem Beitrag zu dem Buch "Union alternativ", Stuttgart 1976.

„An einer bloßen Wirtschaftsgesellschaft nimmt der einzelne allenfalls aus Nützlichkeitserwägungen und zu eigenem Vorteil teil. Ein solches Bild des Staates weckt kein Engagement, mobilisiert keine Loyalität, geschweige denn die notwendige Bereitschaft, auch einmal Opfer zu bringen. Diese auf gemeinsame Freiheit gerichtete Loyalität des Bürgers zum Staat kann nur in gemeinsamen Werten gründen. Diese gemeinsamen Werte müssen wir gemeinsam erneut begründen.
Eine Politik ohne Werte ist wertlos; ohne geistige Perspektive verliert sie Realität, Richtung und Sinn. Unsere Zeit - das verspüren wir alle und nicht nur bei den Jungen in unserem Lande - braucht andere Vorbilder. Sie ruft nach Menschen mit mehr Nächstenliebe, mehr Einsatzbereitschaft für den anderen, mehr Zivilcourage. Solche Menschen, solche Bürger werden sich nur schlecht zu Untertanen eignen, dafür aber viel mehr zu mündigen Bürgern in einer freien und sozial gerechten Demokratie. Eine Politik ohne Werte, ohne Sinn und ohne Perspektive erschüttert notwendig die Grundlagen der Stabilität von Staat und Gesellschaft, sie verrückt die Richtpunkte für die gesellschaftliche Orientierung der Menschen, weil der einzelne ohne Antwort auf die Frage nach seiner ganz persönlichen und auch seiner gesellschaftlichen Existenz bleibt.“

Am 24. Mai 1976 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover.