Deutsche Geschichte

„Geschichte wiederholt sich aber nie so platt, daß man das wie auf ein Durchschlagpapier aufeinanderlegen kann. Aber man kann aus Geschichte lernen. Aber ich glaube, jede Generation macht ihre eigenen Fehler - muß sie vielleicht sogar machen - aber man kann trotzdem aus Geschichte lernen. Und ich bin vor allem der Meinung, man kann ohne sie nicht politisch tätig sein.“

In einem Interview mit Hans Rosenthal im Südwestfunk-TV.

„Wir, die Deutschen, haben die Lektion der Geschichte gelernt, und für uns ist ganz selbstverständlich, wenn wir sagen: Von deutschem Boden darf kein Krieg oder kriegerische Auseinandersetzung mehr ausgehen. Krieg, Not und Gewalt ist für uns kein Mittel der Politik. Aber wir wollen unseren Weg frei bestimmen als ein freies Volk in einem freien Lande. Wir wollen dem Frieden dienen aus der geschichtlichen Erfahrung, die wir gerade in Berlin gewinnen können.“

Am 18. Oktober 1982 auf einem Empfang des Regierenden Bürgermeisters von Berlin im Schloß Charlottenburg.

„Mit dem deutschen Zustand der Einheit in der Teilung wird Europa noch lange zu leben haben. Und machen wir uns nichts vor: Die Deutschen sind die einzigen geblieben, die unter diesem Zustand leiden. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die richtige Mitte zwischen unserem Wunsch, die Nation als geistige Wirklichkeit zu erhalten, und der Notwendigkeit, uns im größeren europäischen Haus einzurichten, zu finden. Unverändert hegt die deutsche Frage wie seit Jahrhunderten dort, wo sich die Kraftlinien der Weltpolitik gefährlich schneiden. Was wir tun müssen, ist auf drei Ebenen zu beschreiben.
Zuerst gilt es, sich wieder der Geschichte zu erinnern, denn die Erklärung dieser Teilung liegt zuerst und am stärksten in der deutschen und europäischen Geschichte. Diese Geschichte aber gilt es nicht allein als Ursache, sondern auch als uns einigendes Band zu begreifen. Wer es für das Beste hält, die Geschichte zu vergessen und aus den Schulen zu verbannen, der soll nicht von der Nation und auch nicht von ihrer Zukunft sprechen. Es liegen in der Geschichte nicht nur Erklärungen für den Zustand der Gegenwart, es finden sich in der Geschichte Mitteleuropas seit dem Beginn des europäischen Mächtesystems auch Möglichkeiten und Denkmodelle, die für die Zukunft auch Mut machen, wenn wir Geduld und Zähigkeit besitzen. Meine Freunde, die deutsche Frage kann einer Lösung nur in langen Zeiträumen näher rücken, und sie wird es nur dann tun, wenn die Europäer in Ost und West dies nicht als Ausdruck eines deutschen Nationalegoismus, sondern als wahrhaftige Bedingung eines dauerhaften Friedens begreifen.“

Am 9. März 1981 auf dem Bundesparteitag der CDU in Mannheim.

„Noch gefährlicher für die Deutschen ist die Verbindung von neuem Neutralismus und altem Nationalismus. Die Warnung davor - das sollten wir zur Kenntnis nehmen - hat niemand klarer formuliert als die neue sozialistische Regierung in Paris. Diese Zeichen europäischer Verunsicherung, die wir überall antreffen, sind bitterernst. In Washington - und dies kann ich bezeugen - wird das sehr ernst genommen, wenn die deutsche Linke, allen voran die Herren Brandt, Bahr und Eppler, die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten von Amerika moralisch auf eine Stufe stellen und nicht die Sowjetunion und ihre Drohungen fürchten, sondern die Sicherheitsgarantie der USA. Meine Freunde, die Saat des Mißtrauens geht auf. Ich habe gerade in Washington immer wieder darauf hinweisen müssen, daß die riesige Mehrheit der Deutschen in der Vergangenheit wie in der Gegenwart und in der Zukunft ihre Freiheit, ihre Sicherheit und damit auch den Frieden unseres Landes nur im Bündnis gewahrt sieht. Die Gefahr ist allerdings vorhanden, und sie kommt aus der Schwäche und Führungslosigkeit der gegenwärtigen Koalition, daß ein neutralistischer deutscher Nationalismus, der in der Mitte Europas eine sozialistische Republik anstrebt, nicht nur die Sicherheit der Deutschen dem Willen der Sowjets überlassen würde, sondern daß er auch schon in seinem Ansatz das atlantische Bündnis zerstören könnte. Wir müssen wieder in Erinnerung rufen, angesichts einer anderen nachwachsenden Generation, daß die Grundentscheidung - bitter genug in den 50er Jahren erstritten - gilt, daß die Freiheit den Vorrang vor Einheit hat, daß der Satz Adenauers heute noch gilt, als er sagte: 'Was nützt es den Menschen in Bonn, wenn sie sich in der Unfreiheit einer Einheit mit den Menschen in Leipzig wiederfinden? Beiden ist nicht geholfen'. Dies ist eine bittere geschichtliche Erkenntnis. Wir haben damals diese Erkenntnis der Vernunft durchgesetzt.“

Am 3. November 1981 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hamburg.

„Es darf uns doch nicht gleichgültig sein, was unsere Landsleute jenseits von Mauer und Stacheldraht von uns denken, von unserem Gebrauch von Freiheit und Wohlstand und von unserem Umgang mit Rechten und Pflichten, von unserem Verhältnis zum demokratischen Staat und zum geistig-kulturellen Erbe der Nation. Es darf uns nicht gleichgültig sein, wenn wir beachten und beobachten, wie die Machthaber der SED ganz bewußt die deutsche Geschichte parteiisch vereinnahmen: den Geist Preußens, Friedrich den Großen, den Freiherrn vom Stein, Scharnhorst und Clausewitz, die Nachfolge und Pflege deutscher Kulturtradition, Gottlieb Fichte ebenso wie Thomas Münzer und im nächsten Jahr ganz gewiß Martin Luther; ja selbst den Widerstand gegen Hitler in der Persönlichkeit des Grafen Stauffenberg.
Wir müssen uns doch fragen: Sollten wir uns in der Bundesrepublik Deutschland damit abfinden, daß uns allein die finsteren, unbestreitbar schrecklichen Kapitel deutscher Geschichte - Auschwitz und Treblinka, Kriegsschulden und die Pflicht der Wiedergutmachung und vieles andere mehr - zugeschoben werden? Sollten wir uns von der besten Geistestradition Preußens selbst lossagen, weil ein Mitglied Ihres Parteivorstandes, Herr Bundeskanzler, nicht irgendeiner, sondern ein Mitglied des Bundesvorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, preußische Tugenden wie Disziplin, Ordentlichkeit und Fleiß abqualifiziert, indem er erklärt, damit könne man auch noch ein KZ betreiben? Wohin sind wir geraten, wenn so etwas möglich ist und nach wenigen Wochen vergessen wird? Es ist doch genau diese einäugige, engstirnige Betrachtungsweise, mit der in unserem Land schon seit Jahren grundlegende Werte, Tugenden, Institutionen diffamiert werden, z. B. elterliche Autorität; Mut zur Erziehung in der Familie und in der Schule; der Leistungsgedanke; das Prinzip des Wettbewerbs; die notwendige Förderung einer Elite; die menschliche Solidarität in der Berufsausbildung im Betrieb; vor allem aber auch das Bekenntnis zu unserem Staat, zur deutschen Nation, zu unserer Geschichte und zur Bereitschaft, dieses Erbe zu verteidigen. Es wäre doch gänzlich absurd, all dies preiszugeben, nur deshalb, weil auch drüben die Machthaber der SED jetzt Familienpolitik betreiben, Leistung und Pflichterfüllung fordern und alle Anstrengungen unternehmen, um sich als Erben und Vollstrecker der deutschen Geschichte darzustellen. Wir im freien Teil unseres Vaterlandes haben keinen Grund, Berührungsängste auftreten zu lassen, sondern wir sollten ganz selbstbewußt in diesen geschichtlichen Wettbewerb eintreten.“

Am 9. September 1982 im Deutschen Bundestag.

„Dies ist ja nicht irgendein Haus. Der Deutsche Reichstag umfaßt das Auf und Ab der jüngeren deutschen Geschichte, und wenn wir in einigen Wochen aus Anlaß des 30. Januar 1983 zurückblicken, 50 Jahre zurück, und wenn wir bedenken, wer in diesem Haus gewirkt hat, so kommen uns viele große Namen deutscher Politik, der deutschen Geschichte, der deutschen Wirtschaft in den Sinn. Hier sprach und wirkte Walter Rathenau, um nur einen für viele zu nennen, und dann verspüren Sie sicherlich auch, daß dies ein ganz besonderer Platz ist, und wenn man über Berlin und damit über die Zukunft des Vaterlandes redet, ist es ein besonders günstiger Platz, um das eigene Tun in die richtige Relation zur Dimension der Geschichte zu bringen.“

Am 11. Dezember 1982 zur Eröffnung der Berliner Wirtschaftskonferenz im Reichstag.

„Unser Grundgesetz verkörpert die Ergebnisse und Ideale von 1789 und der amerikanischen Revolution von 1776. Es enthält neue, einzigartige Ideen. Es definiert das nationale Interesse nicht mehr nur in Abwehr und in Abgrenzung gegenüber anderen Staaten; es legt vielmehr den Grundstein zur europäischen Einigung; es bringt den Willen des deutschen Volkes zur internationalen Zusammenarbeit und zur friedlichen Verständigung zum Ausdruck; es enthält in den Artikeln 24 und 25 Ansätze einer Weltinnenpolitik.“

Abgedruckt in: Helmut Kohl: Bundestagsreden und Zeitdokumente. Hg. von Horst Teltschik. Bonn 1978, S. XVII.

„Der Auftrag der Präambel unseres Grundgesetzes, die Einheit und Freiheit unseres Volkes zu vollenden, wird über schwierige Zeiten hinweg nur dann zu erfüllen sein, wenn wir uns alle in die Kontinuität unserer ganzen Geschichte stellen. Nur so werden wir erreichen, daß auch in unseren Kindern und Enkeln jenseits und diesseits der Mauer ein Gefühl der Verbundenheit, ja des Stolzes erhalten bleibt, als Deutsche gemeinsam Erben unserer politischen Geschichte und unsere kulturellen Tradition zu sein.
Diesem Auftrag wollen wir uns stellen: die Christlich-Soziale und die Christlich Demokratische Union und unsere gemeinsame Fraktion im Deutschen Bundestag. Wir werden uns dieser Aufgabe stellen, ob in Opposition oder in der Regierungsverantwortung, weil es unsere Pflicht und unser Dienst gegenüber unserem Vaterland ist.“

Rede während der Bundestagsdebatte über den Bericht zur Lage der Nation, 9. September 1982.

„30 Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, haben wir Anlaß zu großer Dankbarkeit und Stolz. 1949 gelang es, die Grundlage für den kraftvollen Wiederaufbau unseres Landes in Frieden und Freiheit unter dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer zu schaffen. (...)
Am Anfang des Grundgesetzes und der Bundesrepublik Deutschland stand die Solidarität aller Demokraten. Diese Solidarität erwies sich am Grundwert der neuen Verfassung: dem klaren Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie gilt es zu bewahren und vor bloßen Lippenbekenntnissen zu schützen. Nur wenn wir solidarisch unsere Demokratie ausbauen und verteidigen, können wir die Zukunft unseres Landes meistern.“

Im Juni 1979 im "Deutschen Monatsblatt".

„Der Wille und die Entschlossenheit, Unfreiheit und brutaler Gewalt keine Chance mehr zu geben, sind in das Grundgesetz eingegangen. Unsere Verfassung ist nicht Theorie geblieben. Mit der Verwirklichung der Sozialen Marktwirtschaft durch Ludwig Erhard hat die CDU den Versuch unternommen, die Grundwerte Solidarität und soziale Gerechtigkeit in die Praxis umzusetzen. Mit dem Grundgesetz haben wir eine Entscheidung für die Freiheit vor der Einheit Deutschlands getroffen. Freiheit ist unteilbar; Menschenrechte sind unteilbar; deswegen war, ist und bleibt Deutschlandpolitik für die CDU immer auch eine geistige, moralisch-politische Herausforderung an das Unrechtssystem der DDR. Die CDU wird die Machthaber der DDR auch in Zukunft nicht aus der Herausforderung entlassen.“

Im Juni 1979 im "Deutschen Monatsblatt".

„Die sogenannte Friedensbewegung, die jetzt - mit Recht - auch bei uns diskutiert wird, ist bei vielen ihrer Anhänger eine Eruption aus Tiefen der Verunsicherung, einer Zivilisationsmüdigkeit und des Unbehagens an der Technik, einer Daseinssorge und Zukunftsangst in einer Welt, die Gott und den Glauben als altmodisch abschaffen will. Wo sind bei vielen Hoffnung und Glaube geblieben, die Martin Luther einst sagen ließen: 'Wenn morgen die Welt untergeht, so will ich doch meinen Apfelbaum pflanzen und meine Schulden bezahlen.'
Luthers Zeit war keine Idylle. Dürer hat in jenen Tagen die Apokalyptischen Reiter in Holz geschnitten, wie sie über das Land jagen: Krieg und Pest und Tod und Teufel. Wir wissen: Angst ist Teil der menschlichen Existenz. Aber Christen wissen auch, daß Politik diese Grundbedingungen des Menschen nicht aufheben kann. Was Politik aus christlicher Verantwortung aber kann und muß, ist zu versuchen, Sicherheit zu vermitteln in der diesseitigen Existenz und den Menschen Mut und Hoffnung zu geben für ihr Leben. Vor allem aber muß Politik durch geschichtliche Erfahrung und praktische Vernunft der Apokalypse vorbauen, muß die Erpressung verhindern, die in der Möglichkeit der Entfesselung des Infernos liegt.“

Am 3. November 1981 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hamburg.

„Wir, die Union, bekennen uns zur Geschichte unseres Volkes, und wir bekennen uns auch mit Stolz zum historischen Beitrag unserer Partei zur deutschen Geschichte. Wir wissen, in welchem Maße Geschichtsbewußtsein und Zukunftsperspektive voneinander abhängen. Bekenntnis zur Geschichte und Kampf für eine bessere Zukunft - das, meine Freunde, unterscheidet uns von Sozialisten jeglicher Schattierung, die immer wieder die Geschichte umschreiben müssen, die ständig ein neues Feindbild brauchen, weil sie nur so ihre ideologischen Vorurteile retten können.“

Am 24. Mai 1976 auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover.

„Der 17. Juni macht uns (...) deutlich, daß unser Bemühen um Freiheit und Einheit bisher erfolglos geblieben ist. Bis heute konnte die Verwirklichung der Selbstbestimmung und der Menschenrechte im anderen Teil unseres Vaterlandes nicht erreicht werden. Wenn jetzt von manchen die Bedeutung des 17. Juni als eines nationalen Gedenktages angezweifelt und dieser Tag als Tag der Freizeit benutzt wird, so zeigt dies, daß es an Geduld und Mut fehlt. Die CDU hat die notwendige Ausdauer, sie hält unbeirrt an ihrem Ziel fest, Freiheit und Einheit für unser ganzes deutsches Volk zu erringen.
Bis das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung über seine Einheit entscheiden kann, ist es Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland, Treuhänder einer freiheitlichen Verfassung auch für unsere Mitbürger im unfreien Teil unseres Vaterlandes zu sein. Um die Einheit der Nation zu erhalten und zu stärken, müssen wir die geistigen, kulturellen und historischen Gemeinsamkeiten verdeutlichen und vergrößern.“

Union in Deutschland, 12. Juni 1975 (Zum 17. Juni 1953).

„Wenn jetzt der Versuch immer deutlicher gemacht wird, den 17. Juni aus dem Bewußtsein der Bevölkerung langsam verschwinden zu lassen und diesen Tag als Gedenk- und Feiertag abzuschaffen, dann wird dies auf den entschiedenen Widerstand der Union stoßen. Denn für die Einheit und geschichtliche Identität des deutschen Volkes ist der 17. Juni von großer Bedeutung.“

Deutschland-Union-Dienst, 15. Juni 1976 (Zum 17. Juni 1953).

„Alle Menschen dieser Erde, auch unsere Mitbürger in der DDR, haben ein Recht darauf, im wahren Sinne des Wortes Mensch sein zu können. Dieses Recht auf Menschlichkeit kann und darf ihnen niemand verwehren. Das war und ist die Botschaft der Frauen und Männer vom 17. Juni, und ihr Aufschrei nach Freiheit, nach Menschlichkeit, nach persönlichem Glück war nicht ein Aufschrei, der mit der Niederwalzung durch sowjetische Panzer ein Ende gefunden hat. Ihr Aufschrei lebt fort, er ist die Unruhe in unseren Herzen, die uns im freien Teil Deutschlands daran mahnen soll, nicht zu ruhen, bis auch unsere Mitbürger in der DDR frei entscheiden können, welchen Weg sie künftig beschreiten wollen.“

Deutschland-Union-Dienst, 15. Juni 1977 (Zum 17. Juni 1953).

„Die Männer und Frauen, die am 17. Juni 1953 gegen sowjetische Panzer mit ihren Fäusten gestanden haben, wollten die Freiheit. Auch für uns ist Frieden ohne Freiheit nicht denkbar. Deshalb treten wir am Tag der deutschen Einheit für die Wiederherstellung der Einheit unseres Vaterlandes in Frieden und Freiheit mit aller Entschiedenheit ein.“

Deutschland-Union-Dienst, 10. Juni 1981 (Zum 17. Juni 1953).

„Der 17. Juni 1953 ist ein Tag von hohem historischen Rang. Die spontane Auflehnung der Deutschen in Berlin, Magdeburg, Rostock und vielen anderen Städten gegen das SED-Regime stand am Anfang einer Reihe von Unruhen, die in den Staaten Osteuropas, so in Ungarn, Polen und der CSSR, ausbrachen.
Vom Juni-Aufstand bis zum Prager Frühling spannt sich ein Bogen: Der gemeinsame Wunsch der unterdrückten Menschen nach Freiheit. Den 17. Juni aus der Erinnerung zu verdrängen, hieße, geschichtlich würdelos zu handeln. Der Einsatz der sowjetischen Panzer beendete den Aufstand der DDR im Jahre 1953. Lebendig blieb der Wunsch der Deutschen in der DDR nach Freiheit und Wiedervereinigung. Er ließ sich nicht durch Waffeneinsatz ersticken. Die Kommunisten in der DDR sind bis heute mit diesem Problem nicht fertig geworden. Die Niederwerfung des Aufstandes vom 17. Juni, der Bau der Mauer in Berlin und die heute von der SED betriebene Politik der Abgrenzung sind Ausdruck jener Unfähigkeit, Freiheit zum integralen Bestandteil der Politik zu machen.
Politisches Wohlverhalten gegenüber der politischen Führung der DDR, verstanden als Verzicht auf die Forderung nach Wiedervereinigung und Selbstbestimmung für alle Deutschen, ist mit dieser Pflicht unvereinbar. Unsere Aufgabe bleibt es, der Politik der Abgrenzung und dem Bestreben der SED, die Deutschen in Ost und West einander zu entfremden, mit einer entschiedenen Politik zu begegnen. Wir wollen den Gedanken an die deutsche Einheit wach halten; das Recht auf Selbstbestimmung für alle Deutsche fordern; die Kontakte zu den Menschen in der DDR verstärkt pflegen.
Die CDU Deutschlands wird mit allen Demokraten unseres Landes ihre Verantwortung für unser ganzes Vaterland wahrnehmen.“

Union in Deutschland, 13. Juni 1974 (Zum 17. Juni 1953).

„Der Vorrang, den wir unserer Freiheit geben, entbindet uns nicht von der Verantwortung gegenüber der Geschichte und gegenüber den Menschen in der DDR. Im Gegenteil: Er erinnert uns an die Pflicht, treuhänderischer Verwalter für die Chance der Freiheit für alle Deutschen, für die ganze deutsche Nation zu sein. Deshalb setzen wir uns dafür ein, die Einheit der deutschen Nation zu erhalten, zu festigen und vielfältig auszubauen. Wir nehmen die Herausforderung der kommunistischen Führung im anderen Teil Deutschlands an. Unser Modell für das ganze Deutschland ist der gerechte Staat, in dem die Bürger ihre personale Freiheit verwirklichen können.“

Union in Deutschland, 8. Mai 1975 (Zum 8. Mai 1945).

„Was ist es eigentlich, was uns, den Bürgern der Bundesrepublik, was uns Deutschen gemeinsam ist? Was ist unser gemeinsames politisches Ziel, was ist der Sinn unserer nationalen Existenz?
Wir besinnen uns auf unsere Verfassung, ihre Werte und Verfahren, als jenes Element der Integration, ohne das Staat und Gesellschaft keinen Bestand haben können.
Wir besinnen uns auf die Ziele der Verfassung, die unserem Staat nach innen und außen den Weg weisen: zur Sicherung und zum Ausbau des demokratischen und sozialen Rechtsstaates; zu einer Politik, die auf die Wiedervereinigung Deutschlands und den freien Zusammenschluß freier Völker angelegt ist.
Gerade in der jetzigen Situation, da eine Chance für die Wiedervereinigung vorerst nicht zu sehen ist und Bestand und Zukunft der europäischen Integration gefährdeter ist denn je, ist es unsere Aufgabe und unsere Pflicht, uns an den Auftrag des Grundgesetzes zu erinnern, unsere ‚nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen‘.
Politische Ideale und Gebote der Verfassung werden nicht dadurch hinfällig, daß das Ziel fern und der Weg nicht sichtbar ist. Die Väter der Frankfurter Paulskirche haben uns damals ein Zeichen gesetzt für eine Hoffnung, die erst Jahrzehnte später in Erfüllung gehen sollte.
Eine Politik, die sich an der Verfassung orientiert, kann sich mit den Realitäten nicht einfach abfinden; sie ist aufgerufen, diese Realitäten nach den Prinzipien der Verfassung zu verändern, das heißt: Die Teilung Deutschlands darf nicht bleiben. Die Idee der Freiheit ist unsere vorrangige Legitimation gegenüber der DDR. Die Chancen der Freiheit zu mehren: dies ist Motiv und Ziel unserer Außenpolitik.
Diese Außenpolitik können wir nur erfolgreich gestalten und konsequent durchhalten, wenn wir zur geistig-moralischen Selbstdarstellung eines freien Gemeinwesens fähig und willens sind; wenn wir unsere staatliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung legitimieren können durch einen Anspruch, der über materielle Interessen und wirtschaftlichen Wohlstand hinausreicht.
Die Auseinandersetzung um die künftige Gesellschaftsordnung wird gewinnen, wer diese Ordnung überzeugender als die freiere, die gerechtere und die menschlichere Ordnung legitimieren kann.“

Rede in der Frankfurter Paulskirche, 23. Mai 1974: "Das Grundgesetz - Verfassung der Freiheit".

„Seit der Französischen Revolution ist der Begriff der Nation vom Begriff des Staates nicht zu trennen. Diese Identität von Nation und Staat ergibt sich aus der Selbstverwirklichung eines Volkes als Nation durch politische Selbstbestimmung im Rahmen eines souveränen Staates. Die seit der Gründung des Bismarck-Reiches vor hundert Jahren erfahrene Identität von Nation und Staat fand mit der Teilung Deutschlands und dem Zweiten Weltkrieg ihr abruptes Ende. Der Ost-West-Gegensatz führte zur Teilung Deutschlands. Zwei deutsche Staaten entstanden.
Die Versuchung liegt nahe, aus dieser Entwicklung, aber auch als Alternative zum kollektiven Wahn des ideologisierten Nationalismus im Dritten Reich die Konsequenz zu ziehen, die Nation preiszugeben. Das Nationalbewußtsein ist aber nicht ein beliebiger Wert, den man akzeptieren kann oder auch nicht. Solange sich die Deutschen gegenüber anderen Nationen als Deutsche verstehen, ist ihre Nation eine faktische Gegebenheit.
Die Menschen, die in beiden Teilstaaten leben, gehören unstreitig zum deutschen Volk, auch wenn sie als Deutsche in verschiedenartigen Gesellschaftsordnungen leben. Sie sind nach wie vor deutscher Nationalität, auch wenn die Gemeinsamkeiten, die ein Volk als Einheit verbinden, durch die Trennung stark geschwächt werden.
Dieser Erosionsprozeß ist aber nicht so weit fortgeschritten, daß die These von einem deutschen Volk, einer deutschen Nation bereits wirksam entkräftet wäre. Es kann auch nicht die Rede davon sein, daß dieser Prozeß unaufhaltsam sei. Voraussetzung ist jedoch, daß der Wille zur Einheit der Nation ständig aktualisiert wird. Dazu gehört nach unserem Verständnis, nach dem Verständnis des Grundgesetzes, die staatliche Einheit, die Wiederherstellung der Identität von Nation und Staat.
Die Festlegung der Bundesrepublik Deutschland als Provisorium wie die Nichtanerkennung der DDR sollte nicht nur unserem Anspruch als Sachwalter einer künftigen gesamtdeutschen Staatlichkeit gerecht werden. Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland war zugleich Ausdruck unseres klaren Bekenntnisses zum Primat der Freiheit und des Rechts als Fundament der weiteren Entwicklung auch und gerade in Bezug auf die nationalstaatliche Einheit.“

Rede vor der Katholischen Akademie München, 8. Dezember 1973: "Verfassung und Nation als Auftrag der Unionspolitik".

„Wir haben aus der Geschichte insgesamt die Lehre zu ziehen, daß ein Volk seine Identität verliert oder seine Identität nicht finden kann, wenn es seine eigene Geschichte verleugnet. Ein Volk kann nicht ohne Geschichte leben. Das bedeutet auch, daß jeder - ob er es nun will oder nicht - auch das in die geschichtliche Identität einbeziehen muß, was zu den dunklen Stunden der Vergangenheit zählt.
Aus der eigenen Geschichte kann sich niemand herausstehlen. Wer dies versucht, entfernt sich aus der Solidarität seines Volkes. Für uns Deutsche bedeutet dies selbstverständlich Auschwitz und Treblinka ebenso wie der 20. Juli 1944 oder der 17. Juni 1953. (...)
Selbstverständlich ist das Ziel unserer Politik die Entspannung. Aber Entspannungspolitik darf weder dazu führen, daß die gemeinsamen Grundprinzipien verleugnet oder aufgegeben werden, noch dazu, daß wir - in unserem konkreten Fall - sie mit denen der kommunistischen Staaten vermengen. (...) Wir werden in Zukunft davon ausgehen müssen, daß die Innen- und Gesellschaftspolitik das Feld ist, auf dem unser Nationalbewußtsein seine Gestalt und seine Substanz gewinnt. Das heißt: Die Bundesrepublik muß als attraktives und konkurrenzfähiges Modell einer Gesellschaftspolitik fortentwickelt werden. Damit beweisen wir, daß dieses unser Gesellschaftssystem menschlicher und damit fortschrittlicher ist als jenes sozialistische Zwangssystem in der DDR. Das gibt uns auch die Legitimation, für das Selbstbestimmungsrecht aller Deutschen einzutreten und auf diese Weise den Willen zur nationalen Einheit sowohl im eigenen Volk aufrechtzuerhalten als ihn auch international glaubwürdig zu dokumentieren.
Diesem politischen Verständnis von Einheit der Nation liegt nicht der Primat der territorialen Einheit, sondern der Primat der Freiheit zugrunde.“

Augsburger Allgemeine, 30. Juni 1973 (Zum 17. Juni 1953).

„Wir, das heißt meine Generation, waren noch zu jung, um während dieser Jahre selbst in Schuld verstrickt zu werden, aber doch schon alt genug, um die Schrecken der Diktatur und das Leid des Krieges zu erfahren und wahrzunehmen.“

Erinnerungen 1930-1982.

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“

Bundestagsrede vom 1. Juni 1995 zur Geschichte der Vertreibung, Plenarprotokoll 13/41 vom 01.06.1995, S. 03183.