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Ernst Majonica

Ernst Majonica

* geboren 29.10.1920 in Soest
† gestorben 21.07.1997 in Soest
Dr. phil.


Jurist, Bundesvorsitzender der Jungen Union

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Übersicht

1939-1942 Studium der Rechtswissenschaft und der Geschichte in Münster und Freiburg
1942-1946 Kriegsdienst und Gefangenschaft
1950 Assessor, Rechtsanwalt
1950-1955 Bundesvorsitzender der JU
1950-1972 MdB (CDU)
1953-1969 Mitglied des CDU/CSU-Fraktionsvorstands
1959-1969 Vorsitzender des Außenpolitischen Arbeitskreises der Fraktion
1979-1984 Mitglied des Europäischen Parlaments
1966-1976 Präsident des Deutschen Rates der Europäischen Bewegung

Ernst Majonica gehörte in den 1960er Jahren zu den maßgeblichen jüngeren Außenpolitikern der Union. Auch als politischer Kolumnist und beachteter Buchautor trat er hervor. Sein ausgeprägtes Interesse für die politischen Probleme, aber auch die Geschichte und Kultur des Fernen Ostens trug ihm in der Presse die Charakterisierung als „der China-Mann des Deutschen Bundestages“ ein.

Kindheit und Ausbildung

Ernst Majonica wurde am 29. Oktober 1920 als einziges Kind von Ernst Majonica sen. und seiner Frau Josefa, geb. Hagen, im westfälischen Soest geboren. Väterlicherseits hatte er familiäre Wurzeln in Italien. Zeit seines Lebens fühlte er sich seiner Heimatstadt eng verbunden. Seine Schulzeit und sein Abitur absolvierte er am Soester Aldegrever-Gymnasium. Die Schule ermöglichte dem Unterprimaner seine ersten Auslandsaufenthalte bei Gastfamilien in London und Poitiers. In die Hitler-Jugend trat er nur zögernd und widerstrebend ein; wiederholt wurde dort von ihm verlangt, er müsse neben seiner katholischen „schwarzen Seele auch ein Stückchen braune haben“. Nach Erlangung der Hochschulreife absolvierte Majonica ein Studium der Rechtswissenschaften in Münster und Freiburg. Seinen Interessen gemäß hörte er aber auch historische und theologische Vorlesungen und engagierte sich in der katholischen Studentengemeinde. Schon als Jugendlicher wurde der überzeugte Katholik Mitglied der katholischen Jugendbewegung „Bund Neudeutschland“.

Kriegsdienst und Gefangenschaft

Nach bestandener Referendarprüfung, die er als „Notexamen“ ablegte, wurde Majonica 1942 zum Kriegsdienst eingezogen. Da er aufgrund eines Augenleidens frontuntauglich war, verbrachte er zwei Jahre auf einer Schreibstube in Köln, wo ihm viel Raum für intensive Lektüre blieb.  Zeit seines Lebens war er ein leidenschaftlicher Leser. Im Sommer 1944 wurde Majonica in ähnlicher Funktion nach Münster abgestellt und hörte dort die Nachricht vom gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli, die nach eigenem Bekunden ein Gefühl „ohnmächtiger Wut“ in ihm auslöste, denn „das größte verbrecherische Schwein der deutschen Geschichte wäre besser von Deutschen gerichtet“ und weitere Verbrechen verhindert worden. Das Kriegsende erlebte Majonica als Angehöriger einer Artillerieeinheit im westfälischen Hamm. Er geriet zunächst in amerikanische, dann in belgische Kriegsgefangenschaft. Im April 1946 wurde er entlassen und konnte in seine schwer zerstörte Heimatstadt Soest zurückkehren – „zwar abgemagert aber dennoch gesund“.

Einstieg in die politische Laufbahn

Majonica setzte seine juristische Ausbildung fort, legte das Assessorexamen ab und praktizierte kurzzeitig als Rechtsanwalt in Soest. Dort trat er im Mai 1946 in die CDU ein, weil ihn „die Überwindung der konfessionellen Gegensätze“ faszinierte. Er widmete sich mit großem Einsatz dem Aufbau der örtlichen Jungen Union. Bereits im März 1948 arrangierte er ein erstes Deutschlandtreffen mit jungen ausländischen Politikern in Soest. Er wurde Pressesprecher der westfälischen JU und schließlich auf dem Gründungsparteitag der CDU im Oktober 1950 in Goslar zum Bundesvorsitzenden der Jungen Union gewählt. Dieses Amt behielt er bis 1955, als er auf dem Deutschlandtag in Augsburg in einer Kampfabstimmung Gerhard Stoltenberg unterlag. In seine Amtszeit fielen der organisatorische Aufbau der Jugendorganisation und die Bildung europäischer Netzwerke. Prägend für Majonicas Interesse an außenpolitischen Fragen waren zwei längere Reisen: Vom 26. Oktober bis 6. Dezember 1947 nahm er an einem Lehrgang im englischen Wilton Park teil, einer auf Initiative von Winston Churchill für antinationalsozialistisch gesinnte deutsche Kriegsgefangene gegründeten Schule. Seit 1947 konnten auch ausgewählte Deutsche aus der britischen Zone an den anspruchsvollen akademischen Kursen teilnehmen, um Rüstzeug für eine aktive Beteiligung am demokratischen Wiederaufbau zu erhalten. Im Herbst 1954 erfolgte auf Einladung der US-Regierung eine fast zweimonatige Reise durch die Vereinigten Staaten. Hier machte sich Majonica mit verschiedensten Aspekten des politischen, akademischen und wirtschaftlichen Lebens in den USA vertraut.

Start der bundespolitischen Karriere

Nachdem Majonica sich 1949 vergeblich um einen günstigen Platz auf der nordrhein-westfälischen Landesliste für den Deutschen Bundestag beworben hatte, gelang ihm im folgenden Jahr der Sprung ins Parlament. Als der neue nordrhein-westfälische Ernährungsminister und spätere Bundespräsident Heinrich Lübke auf sein Bundestagsmandat verzichten musste, war laut den damaligen Bestimmungen im Wahlkreis Arnsberg/Soest eine Nachwahl fällig. Majonica wurde einmütig nominiert und gewann den Wahlkreis am 19. November 1950 mit klarem Vorsprung. Diesen Erfolg vermochte er in den folgenden Jahren fünf Mal zu wiederholen. Im Parlament zeigte er von Anfang an Präsenz und Einsatz, trat im Plenum bereits in seiner ersten Wahlperiode sechsmal als Redner auf und profilierte sich als Befürworter des heftig umstrittenen westdeutschen Wehrbeitrages. Dabei betonte er stets, dass man nicht „eine Landsknechtsarmee alten Stils“, sondern den „Staatsbürger in Uniform“ anstrebe.

Asiatische Leidenschaft

Um die Jahreswende 1955/56 unternahm Majonica auf Einladung der südvietnamesischen Regierung eine vierwöchige Fernostreise, die ihn auch nach Hongkong und Kambodscha führte. Er war tief beeindruckt von der fremden Kultur. Sein Reisetagebuch beschloss er mit dem emphatischen Satz: „Eine neue Welt ging mir auf.“ Ein Jahr später besuchte er Taiwan und gründete im Anschluss die Deutsch-Chinesische Gesellschaft, die sich für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen einsetzte. Beide Länder stellten in Majonicas Augen wichtige Bollwerke gegen die Ausbreitung des kommunistischen Machtbereichs in Asien und der Dritten Welt dar und verdienten daher die Unterstützung der Bundesrepublik. Das Interesse an Asien begleitete ihn sein ganzes weiteres Leben lang: Er wurde ein leidenschaftlicher Sammler von Asiatica und eignete sich Kenntnisse an, die ihn befähigten, mit Fachleuten und Wissenschaftlern auf Augenhöhe zu diskutieren. Seine 1971 eingereichte Dissertation behandelte die Beziehungen zwischen der Volksrepublik China und der Bundesrepublik.

Außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Seinen politischen Interessenschwerpunkt verlagerte Majonica ganz auf die Außenpolitik. Er profilierte sich als Experte für Ost- und Europapolitik und trat am 27. Januar 1959 die Nachfolge Kurt Georg Kiesingers als Vorsitzender des Außenpolitischen Arbeitskreises und außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion an. Seine Grundeinstellungen waren vom Europagedanken, von der Westbindung, dem engen Verhältnis zu den USA und vom Antikommunismus bestimmt. Als Integrationseuropäer“, dessen Ziel eine politische Union im Rahmen eines europäischen Bundesstaates war, entwickelte er eine tiefe Abneigung gegenüber der Politik des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle, der die Abtretung von Souveränitätsrechten an supranationale Organisationen und den von Majonica vehement befürworteten EWG-Beitritt Großbritanniens ablehnte. Auch mit den deutschen „Gaullisten“ wie etwa dem CSU-Bundestagsabgeordneten Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg setzte er sich kritisch auseinander. Im bestehenden bipolaren Weltsystem hielt er die enge transatlantische Kooperation mit den USA nicht nur aus Gründen der Sicherheit, sondern auch auf der Grundlage der gemeinsamen Werte und der wirtschaftlichen Verflechtungen für zwingend geboten. Eine Lösung der europäischen und deutschen Frage konnte er sich nur im Einvernehmen mit der westlichen Führungsmacht vorstellen. Innerhalb dieses grundsätzlichen Rahmens zeigte er eine bemerkenswerte Offenheit für außenpolitische Veränderungen. Seine Auffassungen legte er in insgesamt drei Büchern und einer Fülle von Aufsätzen, Artikeln und Kommentaren dar.

Im Widerspruch zur eigenen Fraktion

Als eine Ernennung zum Minister, die nach der Bundestagswahl 1965 im Bereich des Möglichen lag, scheiterte und Majonica 1969 das Amt des außenpolitischen Sprechers an Werner Marx verlor, wurde er in seiner Partei mehr und mehr zum Außenseiter. Der Grund war nicht zuletzt seine positive Haltung zur so genannten. „neuen Ostpolitik“ der Regierung Brandt/Scheel. Trotz mancher Kritikpunkte sah er angesichts sich wandelnder weltpolitischer Bedingungen keine Alternative zu einer Öffnung gegenüber den Ostblockstaaten. Er war nicht bereit, den schroffen Ablehnungskurs des größten Teils der Fraktion mitzutragen, der die Bundesrepublik in seinen Augen unweigerlich in einen Gegensatz zur westlichen Politik führte und sie zu isolieren drohte. Diese Haltung liess den falschen Verdacht aufkommen, Majonica sei einer der beiden Unionsabgeordneten, die beim konstruktiven Misstrauensvotum gegen Willy Brandt 1972 nicht für dessen CDU-Herausforderer Rainer Barzel votierten. Im gleichen Jahr unterlag er bei der Nominierung des Bundestagskandidaten dem Arnsberger Landrat Ferdinand Tillmann und schied nach der Bundestagswahl am 19. November 1972 aus dem Parlament aus.

Ausklang der politischen Laufbahn

In den folgenden Jahren arbeitete Majonica als Lobbyist für eine Bochumer Mineralölgesellschaft und bemühte sich vergeblich um die Habilitation für das Fach Politische Wissenschaften an der Universität Bonn, wo er von 1973 bis 1976 als Lehrbeauftragter tätig war. Bei der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament 1979 gelang ihm ein politisches Comeback, auch wenn er bis zu seinem Ausscheiden 1984 in Strassburg keine bedeutende Rolle spielte. Publizistisch war er bis Ende der 1980er Jahre aktiv, vor allem als außenpolitischer Kommentator der „Passauer Neuen Presse“.

Ernst Majonica starb am 21. Juli 1997 in seiner geliebten Heimatstadt Soest. Fast während des gesamten Verlaufs seiner bundes- und europapolitischen Karriere hatte er Tagebuch geführt. Die politischen Aufzeichnungen aus den Jahren 1958–1972 liegen heute in einer kommentierten Edition vor. Sie bieten interessante und authentische Einblicke in den Bonner Politikbetrieb und die außenpolitischen Debatten jener Zeit.

  • Deutsche Außenpolitik. Probleme und Entscheidungen. Stuttgart 1965, 2. Aufl. 1966.
  • Möglichkeiten und Grenzen der deutschen Außenpolitik. Stuttgart 1969.
  • Ein Parlament im Geheimen? Zur Arbeitsweise der Bundestagsausschüsse. In: Der Bundestag von innen gesehen. München 1969, S. 114–126.
  • Bonn – Peking. Die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur Volksrepublik China, Stuttgart 1971.
  • Risultati possibili e condizioni irrinunciabili. In: Affari Esteri (Rivista Trimestrale, Rom) III (1971), Nr. 9, S. 13–27.
  • Die Bundesrepublik und die Volksrepublik China. In: SCHWARZ, Hans Peter (Hg.): Handbuch der deutschen Außenpolitik. München 1975, S. 341–345.
  • Bundestag und Außenpolitik, ebd., S. 112–123.
  • Das Interesse der Bundesrepublik an der Volksrepublik China. In: Die Außenpolitik Chinas. Entscheidungsstrukturen, Stellung in der Welt, Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland (Schriften des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik). München 1975, S. 435–457.
  • Adenauer und China. In: Dieter Blumenwitz u.a. (Hg.): Konrad Adenauer und seine Zeit. Politik und Persönlichkeit des ersten Bundeskanzlers. Bd. 1: Beiträge von Weg- und Zeitgenossen. Stuttgart 1976, S. 680–697.

  • Günter Buchstab: Ernst Majonica (1920–1997). In: Internationale Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Winfried Baumgart zum 65. Geburtstag. Paderborn 2003, S. 429-447.
  • Christopher Beckmann: „Eine neue Welt ging mir auf.“ Die Reise des Abgeordneten Ernst Majonica nach Ostasien 1955/56. In: Historisch-Politische Mitteilungen 15 (2008), S. 395–426.
  • Ernst Majonica: Das politische Tagebuch 1958–1972. Bearb. v. Hans-Otto Kleinmann und Christopher Beckmann (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 55). Düsseldorf 2011.

Christopher Beckmann