* geboren 15.09.1945
in
Bersenbrück/Niedersachsen
Dr. phil., rk.
Jurist, Präsident des Europäischen Parlaments, Vorsitzender der EVP-Fraktion, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung
Ausbildung und akademische Laufbahn | |
15.09.1945 | Geburt in Bersenbrück (Niedersachsen) |
1966 | Abitur, anschließend zwei Jahre Wehrdienst, Reserveoffizier |
1968-1973 | Studium der Rechtswissenschaften, Politik und Geschichte an den Universitäten Bonn und Genf sowie an dem dortigen Institut des Hautes Études Internationales |
1971 | Studienaufenthalt an der Columbia University in New York |
1973 | Erstes juristisches Staatsexamen |
1974 | Promotion zum Dr. phil. |
1976 | Zweites juristisches Staatsexamen |
1976-1979 | Wissenschaftlicher Angestellter |
1989 | Berufung zum Lehrbeauftragten der Universität Osnabrück |
1995 | Berufung zum Honorarprofessor der Universität Osnabrück |
Politische Tätigkeiten und Ehrenämter | |
1994-1996 | Leiter der Arbeitsgruppe „Regierungskonferenz 1996“ von EVP und EVP-Fraktion, auf deren Vorschläge die EVP-Position für den Vertrag von Amsterdam erarbeitet wurde |
1996-1999 | Leiter der Arbeitsgruppe „Erweiterung der Europäischen Union“ von EVP und EVP-Fraktion |
1997-1999 | Präsident der Europa-Union Deutschland |
1999-2007 | Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und Europäischer Demokraten (EVP-ED) im Europäischen Parlament |
1999-2009 | Mitglied im Bundesvorstand der CDU Deutschlands, Präsidiumsmitglied |
1999-2009 | Mitglied im Präsidium der Europäischen Volkspartei (EVP) |
Januar 2007–Juli 2009 | 12. Präsident des Europäischen Parlaments seit der ersten Direktwahl |
2008-2009 | Präsident der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer EMPA |
2008-2014 | Vorsitzender der Arbeitsgruppe für den Nahen Osten im Europäischen Parlament |
seit 2008 | Vorsitzender des Kuratoriums für die Errichtung eines "Hauses der Europäischen Geschichte" |
2008 | mit André Leysen Mitbegründer des Europäischen Karlspreises für die Jugend |
seit 2010 | Mitglied im Direktorium des "Europäischen Karlspreises" |
2010-2017 | Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung |
seit Juli 2014 | Ehrenmitglied des Europäischen Parlaments |
Auszeichnungen (Auswahl) | |
1995 | Robert-Schuman-Medaille der EVP-Fraktion |
2002 | Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich |
2002 | 'Mérite Européen en or', Luxemburg |
2006 | Ehrendoktor der Babeş-Bolyai-Universität in Cluj-Napoca (Klausenburg), Rumänien |
2007 | Großkreuz des päpstlichen Gregoriusordens |
2007 | Ehrendoktor der Universität Opole (Oppeln), Polen |
2007 | Großer Verdienstorden der Königin Jelena mit Stern und Schulterband, Kroatien |
2007 | Walter-Hallstein-Preis, Frankfurt am Main |
2008 | Ehrendoktor der Warmia und Mazury Universität Olsztyn (Allenstein), Polen |
2008 | Großkreuz des Verdienstordens der Republik Italien, "Cavaliere di Gran Croce Ordine al Merito della Repubblica Italiana" |
2009 | Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Bersenbrück |
2009 | Orden des Großfürsten Jaroslaw des Weisen, „Řád prince Jaroslava Moudrého“ (Nejvyšší ukrajinské vyznamenání), Ukraine |
2009 | “Drei-Sterne-Orden” der Republik Lettland (Großkreuzkommandeur) |
2010 | Ben-Gurion-Medaille der Ben-Gurion-Universität, Jerusalem |
2010 | Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland |
2010 | Ehrendoktor der Korea Universität Seoul |
2010 | René-Cassin-Medaille für Menschenrechte des Konsultativrates Jüdischer Organisationen |
2011 | Kommandeur der Französischen Ehrenlegion |
2011 | Großkreuz des Zivilen Verdienstordens des Königreichs Spanien |
2011 | Auszeichnung mit dem Deutsch-Polnischen Preis |
2011 | Ehrendoktor der Universität Miguel de Cervantes, Santiago de Chile |
2012 | Ehrendoktor der Bahçeşehir Universität Istanbul, Türkei |
2012 | Kardinal-Opilio-Rossi-Medaille der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände in Wien |
2013 | Großkomturkreuz der Republik Polen |
2013 | Komturkreuz des Ordens für die Verdienste um die Republik Litauen |
2013 | Großkreuz des Verdienstordens der Republik Ungarn |
2013 | "Marienland-Kreuz" I. Klasse der Republik Estland |
2014 | Großkreuz des Sterns von Rumänien |
2014 | Ehrendoktor der Universität Wrocław (Breslau), Polen |
2014 | Ehrendoktor der Universität Ateneo de Manila, Philippinen |
seit 2014 | Ehrenbürger von Oppeln / Schlesien (Polen) |
seit 2015 | Ehrenprofessor der Päpstlichen Katholischen Universität von Argentinien Santa María de los Buenos Ayres |
2016 | „Grand Officier“ der Republik Tunesien |
2017 | Honorary Senior Fellowship der Regent‘s University London |
2017 | Ehrendoktor der Universität Kōbe, Japan |
2017 | Ehrendoktor der École Supérieure de Commerce de Paris |
2017 | Ehrendoktor der Europäischen Humanistischen Universität Vilnius |
Hans-Gert Pöttering wurde am 15. September 1945 in Bersenbrück (Niedersachsen) geboren. Seinen Vater, der in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges gefallen ist, hat er nie kennengelernt. Dieses persönliche Schicksal hat maßgeblich sein politisches Engagement und seinen Weg in die Europapolitik mitbestimmt. Hans-Gert Pöttering hat zwei Söhne, Johannes und Benedict, zwei Enkel, Jakob und David, sowie eine Enkelin, Sanna.
Hans-Gert Pöttering hat den Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt. Er wird vier Monate nach Kriegsende, am 15. September 1945, in Bersenbrück geboren. Doch die Schrecken und Folgen der Terrorherrschaft des Nationalsozialismus und die Millionen Toten des Krieges berühren auch sein Leben: Der Vater, Gefreiter Wilhelm Pöttering, kehrt nicht aus dem Krieg zurück. Vermutlich fällt er in den letzten Wochen des Krieges bei Stettin, mit 35 Jahren. Die Hoffnung auf eine Rückkehr aus Gefangenschaft erfüllt sich nicht, über den genauen Verbleib des Vaters herrscht in der Familie Ungewissheit. In den 1950er Jahren wird er schließlich amtlich für tot erklärt. Die Mutter, Agnes Sophie Pöttering, zieht Hans-Gert und seinen drei Jahre älteren Bruder Manfred alleine auf. Ein Schicksal, das viele Kinder und Jugendliche damals teilen. Aus dieser Erfahrung heraus reift in Hans-Gert Pöttering früh die Entscheidung, sich für ein gemeinsames Europa, die europäische Idee und die Menschenrechte einzusetzen.
Hans-Gert Pöttering wächst in seinem Geburtsort Bersenbrück auf, besucht dort von 1952 bis 1956 die Volksschule, anschließend das Gymnasium Carolinum in Osnabrück. Ab der 9. Klasse wechselt er auf das Artland-Gymnasium in Quakenbrück. Nach seinem Abitur 1966 wird er für zwei Jahre Soldat in Fürstenau und Munster und studiert von 1968 bis 1973 Jura, Politik und Geschichte in Bonn und Genf. 1971 erfolgt ein Studienaufenthalt an der Columbia University in New York. 1973 legt er das erste, 1976 das zweite juristische Staatsexamen ab. 1974 wird er bei Hans-Adolf Jacobsen mit einer Dissertation über die Sicherheitspolitik Konrad Adenauers („Die verteidigungspolitische Konzeption der Bundesregierung von 1955-1963 unter besonderer Berücksichtigung der Militärstrategie der USA“) promoviert. Von 1976 bis 1979 arbeitet Pöttering als wissenschaftlicher Angestellter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beim stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Burkhard Ritz.
Schon früh beginnt auch sein politisches Engagement. Bei einem Besuch in Berlin (West) im Februar 1962 fasst Pöttering angesichts der Berliner Mauer den Entschluss, in die Junge Union einzutreten. 1964 erfolgt der Beitritt zur CDU. Die Adenauer-Ära ist gerade vorbei, doch veranlassen ihn nicht zuletzt Adenauers Europa-Politik und dessen Einsatz für Frieden und Versöhnung mit den Nachbarn zu seinem politischen Bekenntnis. Zehn Jahre später, 1974, wird Pöttering Kreisvorsitzender der Jungen Union im Landkreis Osnabrück sowie Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes in Bersenbrück und 1976 als Mitglied des Landesvorstands der Jungen Union in Niedersachsen deren europapolitischer Sprecher.
Bei der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments 1979 wählt Pöttering einen für die damalige Zeit ungewöhnlichen Weg: Er kandidiert und wird mit 33 Jahren jüngster Abgeordneter der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Damals heißt die Europäische Union noch Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Für die nächsten 35 Jahre gehört das Pendeln zwischen Brüssel, Straßburg und Bad Iburg, dem Wohnort der Familie, zu seinem Alltag. Von dort aus betreut er die Wahlregion Osnabrück, Emsland, Grafschaft Bentheim sowie Ostfriesland. Der Kontakt zur Politik vor Ort ist ihm – trotz zunehmender europäischer Aufgaben – wichtig, denn: „Europa beginnt nicht in Straßburg und Brüssel, sondern da, wo unsere Heimat ist.“ So übernimmt er zwischen 1990 und 2010 den Kreisvorsitz der CDU im Landkreis Osnabrück. Von hier aus kandidiert er insgesamt sieben Mal für einen Sitz im Europäischen Parlament, sechs Mal ist er bei Europawahlen Spitzenkandidat der CDU Niedersachsen sowie 2004 und 2009 Spitzenkandidat der CDU Deutschlands. Von 1989 bis 1999 ist er Lehrbeauftragter der Universität Osnabrück, die ihn 1995 zum Honorarprofessor beruft.
Zurück ins Jahr 1979: „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa“, lautet damals das Motto. Wer nach Europa geht, steht auf dem politischen Abstellgleis, hat keinen Gestaltungswillen, ist fern aller Machtoptionen, spielt auf dem Tummelplatz für ein paar friedensbewegte Idealisten. Wie sehr diese Unkenrufe ins Leere laufen, erlebt Pöttering in den nächsten 35 Jahren hautnah: Das Parlament gewinnt seit der Einheitlichen Europäischen Akte 1987 und dem Vertrag von Maastricht 1992/93 immer stärker an Einfluss:
„Nun konnten also – in den dafür vorgesehenen Bereichen – keine Gesetze gegen den Willen des Europäischen Parlaments mehr beschlossen werden. Wie lange hatten wir dafür gekämpft! Nach etwas mehr als 14 Jahren seit seiner ersten Direktwahl war das Europäische Parlament zum Gesetzgeber geworden.“
Heute hat es beim Haushalt das letzte Wort, besitzt eigene Kontroll- und Gesetzgebungsbefugnisse und das Zustimmungsrecht zu völkerrechtlichen Verträgen, stimmt über Aufnahme neuer EU-Mitgliedsstaaten und über die Einsetzung der Europäischen Kommission ab.
Nach der von Helmut Kohl durchbrochenen Eurosklerose Mitte der 1980er Jahre eröffnen der Fall der Mauer 1989 und die Wiedervereinigung Deutschlands neue Chancen für ein zusammenwachsendes Europa: Pöttering sieht Zollgrenzen fallen, erlebt die Entstehung des Euro-Raums und der gemeinsamen Währung sowie die Beitritte der mitteleuropäischen Mitgliedsstaaten (2004). Er lässt sich vom gescheiterten Verfassungsvertrag (2005) nicht entmutigen:
„Meine tiefe innere Motivation entsprach dem Grundsatz von Konrad Adenauer, dass, wenn die meisten Politiker eine Sache aufgaben und für verloren hielten, die eigentlichen Bemühungen erst begännen.“
Doch zunächst heißt es für den jungen Abgeordneten Kärrnerarbeit zu leisten in Ausschüssen und Arbeitsgruppen. Schritt für Schritt geht es auf der Karriereleiter nach oben. Kollegen mit langer Lebens- und Berufserfahrung begleiten ihn dabei, u.a. Otto von Habsburg, Kai-Uwe von Hassel, Alfons Goppel, Wilhelm Hahn und Philipp von Bismarck.
Von 1984 bis 1994 ist Pöttering Vorsitzender des Unterausschusses „Sicherheit und Abrüstung“ des Europäischen Parlamentes. Während seiner Tätigkeit als Leiter der Arbeitsgruppe „Regierungskonferenz 1996“ von EVP und EVP-Fraktion in den Jahren 1994 bis 1996 werden deren Vorschläge für den Vertrag von Amsterdam erarbeitet. Im Anschluss ist er für drei Jahre Leiter der Arbeitsgruppe „Erweiterung der Europäischen Union“ von EVP und EVP-Fraktion.
Pöttering überzeugt nicht mit lauter Durchsetzungsmentalität, sondern mit Fleiß, fachlicher Kompetenz und Verlässlichkeit. Sein ausgleichendes Wesen und seine Fähigkeit zur Kompromissfindung führen ihn von 1994 bis 1999 in den stellvertretenden Fraktionsvorsitz der Europäischen Volkspartei, anschließend für siebeneinhalb Jahre in den Vorsitz. 1999 vereint er in „seiner“ Fraktion 233 von insgesamt 626 Abgeordneten. Die EVP-Fraktion ist erstmals die deutlich größte Gruppierung des Europäischen Parlaments. Am Ende (2007) lotst Pöttering die noch immer größte Fraktion, in der sich 27 Staaten, 52 Parteien und diverse Kulturen und Mentalitäten versammeln, „bestimmt in der Sache, freundlich in der Form“. Er vereint euroskeptische Briten, national gesinnte Berlusconi-Gefolgsleute, liberale Christdemokraten.
Seine Fähigkeit, über Parteigrenzen hinweg Bündnisse zu schmieden, führt ihn am 16. Januar 2007 zum Gipfel seiner politischen Laufbahn: Hans-Gert Pöttering übernimmt für zweieinhalb Jahre die Präsidentschaft des Europäischen Parlaments. Sitzungsleitungen, Reden und Gespräche in aller Welt prägen nun sein Wirken.
Das erste Halbjahr seiner Amtszeit fällt zusammen mit der deutschen Ratspräsidentschaft unter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Erster Höhepunkt ist die „Berliner Erklärung“, die er am 25. März 2007 gemeinsam mit Angela Merkel (für den Europäischen Rat) und José Manuel Durấo Barroso (für die Europäische Kommission) im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs anlässlich des 50. Jahrestags der Römischen Verträge unterzeichnet. Die Verhandlungen zur europäischen Grundrechtecharta, die die Werte der Europäischen Union beschreibt, und zum Lissabon-Vertrag prägen die weiteren Monate. Die Grundrechtecharta unterzeichnet Pöttering am 12. Dezember 2007 zusammen mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, dem portugiesischen Ministerpräsidenten José Sócrates und dem Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Durấo Barroso. Am 21. Dezember 2007 erlebt Pöttering mit der Öffnung des Schlagbaums in Zittau den Vollzug der Erweiterung des Schengen-Raums. Die Grenzkontrollen zwischen Deutschland, Polen und Tschechien sind nun aufgehoben.
Die Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union ist nicht das einzige Herzensthema von Pöttering. Bei Reisen in die islamisch-arabische Welt engagiert er sich für den Dialog der Kulturen. Er scheut sich nicht vor der Knesset für die Zwei-Staaten-Lösung einzutreten und fordert immer wieder die Durchsetzung der Menschenrechte – ob in Tibet, Russland oder Guantánamo. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist für Hans-Gert Pöttering die Bewahrung der Schöpfung. Am 23. April 2009 unterzeichnet er zusammen mit dem stellvertretenden tschechischen Ministerpräsidenten Petr Nečas die europäische Klimaschutzgesetzgebung.
… lautet Pötterings Fazit eines langen politischen Lebens für Europa. Es ist zugleich der Leitsatz der „Berliner Erklärung“ und der Titel seiner Autobiographie, die mit folgenden Worten beginnt:
„Die Einigung Europas ist das größte Friedenswerk – nicht nur in der Geschichte unseres Kontinents, sondern der Welt. Diese historische Betrachtung und Wertung mag vielen übertrieben, unangemessen oder gar pathetisch erscheinen, aber sie bleibt wahr. (…) Die Menschen vergessen zu leicht, welch langen Weg die Europäer zurückgelegt haben von einem Kontinent der Feindschaft zu einer Europäischen Union, die sich auf gleiche Werte beruft und in der heute über 500 Millionen Menschen aus 28 Ländern ‚in Vielfalt geeint‘ zusammen leben. Nur wenn wir wissen, woher wir kommen, wissen wir, wo wir sind und können entscheiden, wohin wir gehen wollen.“
Um das historische Gedächtnis zu bewahren und insbesondere jungen Menschen den europäischen Weg zu vermitteln, initiiert Pöttering in seiner Zeit als Präsident des Europäischen Parlaments das „Haus der Europäischen Geschichte“. Er konkretisiert erste Überlegungen in seiner Programmrede als neu gewählter Präsident des Europäischen Parlaments am 13. Februar 2007. Das Präsidium des Europäischen Parlaments lässt sich von seiner Idee überzeugen und beschließt am 15. Dezember 2008 die „Konzeptionellen Grundlagen für ein Haus der Europäischen Geschichte“, die ein Sachverständigenrat erarbeitet hat. Ein Wissenschaftlicher Beirat und ein Kuratorium werden eingesetzt, um die europäische Geschichte interessierten Laien zu vermitteln und das Haus in Brüssel aufzubauen.
Bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 kandidiert Pöttering nicht wieder. Er ist zu diesem Zeitpunkt der einzig verbliebene Abgeordnete der ersten Direktwahl von 1979. Für seine Leistungen hat Pöttering viele Auszeichnungen erhalten, unter anderem die Ehrenbürgerwürde seiner Heimatstadt Bersenbrück und das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Drei weitere Auszeichnungen seien aufgrund des besonderen familiären Schicksals im Verhältnis zu Polen besonders erwähnt: Im Mai 2011 liest Pöttering auf dem Soldatenfriedhof Stare Czarnowo in Polen auf einer Gedenktafel den Namen seines Vaters, den er nie kennenlernen durfte. Im September desselben Jahres werden Jerzy Buzek, der damalige Präsident des Europäischen Parlaments, und Hans-Gert Pöttering, sein Amtsvorgänger, in Warschau mit dem Deutsch-Polnischen Preis ausgezeichnet. Pöttering betont in seiner Rede, „welch weiten Weg zum Guten (…) wir in Polen, Deutschland und der Europäischen Union zurückgelegt (haben).“ Bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Breslau 2014 urteilt er im Rückblick:
„Die Versöhnung und die Freundschaft mit Polen hat mein ganzes politisches Leben begleitet. Die entscheidenden Schritte zur Versöhnung gingen von Polen aus! Ohne den Hirtenbrief der polnischen Bischöfe von 1965 – ‚wir (…) gewähren Vergebung und bitten um Vergebung‘ –, ohne die mutigen Menschen der Solidarność-Bewegung und ohne den Papst aus Polen, Johannes Paul II., wäre der Wandel in der Mitte Europas unmöglich gewesen. Mögen wir Deutschen niemals vergessen, dass wir die Wiedervereinigung unseres Landes auch dem Freiheitswillen unserer polnischen Nachbarn verdanken.“ Ebenfalls im Jahr 2014 wird Hans-Gert Pöttering zusammen mit Jerzy Buzek zum Ehrenbürger der schlesischen Stadt Oppeln ernannt.
Am 4. Dezember 2009 wird Pöttering als Nachfolger von Bernhard Vogel zum Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung gewählt. Ein Kreis schließt sich, war doch Konrad Adenauer sein geistiges wie politisches Vorbild, als der 19-jährige in die CDU eintrat. Auch in dieser neuen Aufgabe hat er seitdem viele Möglichkeiten, sich für ein zusammenwachsendes Europa und die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen. Zum 1. Januar 2018 übergibt Pöttering das Ehrenamt an Norbert Lammert.
Entspannung findet der „Marathon-Europäer“ und Vater seiner beiden Söhne Johannes und Benedict übrigens beim Skilaufen in den Bergen, beim Schwimmen und beim Schmökern in historischen Romanen – und bei einer guten Portion Spaghetti Bolognese.