Porträt Michail Gorbatschows (1989). © KAS/Rainer Unkel

Michail Sergejewitsch Gorbatschow

* geboren 02.03.1931 in Priwolnoje
† gestorben 30.08.2022 in Moskau


Jurist, Generalsekretär der KPdSU, Staatspräsident der UdSSR, Friedensnobelpreisträger

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Übersicht

2.3.1931 Geburt in Stawropol
1950-1955 Jura-Studium an der Lomonossow-Universität Moskau
1966-1968 Erster Sekretär der KPdSU der Stadt Stawropol
1970-1978 Erster Sekretär der KPdSU der Region Stawropol
1971-1991 Mitglied des ZK der KPdSU
1978-1985 Sekretär für Landwirtschaft im ZK der KPdSU
1980-1991 Mitglied des Politbüros der KPdSU
1985-1991 Generalsekretär der KPdSU
1990-1991 Staatspräsident der UdSSR
16.12.1990 Verleihung des Friedensnobelpreises
19.-21.8.1991 August-Putsch in Moskau
24.8.1991: Rücktritt als Generalsekretär der KPdSU
25.12.1991 Rücktritt von allen Ämtern als Folge der Auflösung der UdSSR
30.8.2022 Tod in Moskau

Gorbatschows Herkunft und Werdegang

Geprägt wurde Michail Gorbatschow durch eine entbehrungsreiche Jugend in einem bäuerlichen Elternhaus im Nordkaukasus, durch die Schule und ein Jura-Studium an der Lomonossow-Universität Moskau in den 1950er Jahren. Dort war er zunächst ein überzeugter Stalinist, wandelte sich aber nach dem Tod des Diktators und mit dem einsetzenden Tauwetter 1956 zu einem aufrichtigen Anhänger Nikita Chruschtschows. Nach dem Studium schlug er in seiner Heimatstadt Stawropol eine Funktionärskarriere ein – zunächst bei der Jugendorganisation Komsomol und dann in der KPdSU. 1970 stieg er dort zum ersten Bezirkssekretär auf. Gefördert wurde der intelligente, ehrgeizige und fleißige Parteisoldat von KGB-Chef Juri Andropow, der, wie andere Führungspersonen, im Nordkaukasus zur Kur ging. Ihm verdankte Gorbatschow 1978 seine Berufung als Sekretär für Landwirtschaft in die Parteizentrale nach Moskau. Seine Karriere nahm daher mit dem Wechsel von Breschnew zu Andropow 1982 an Fahrt auf. Der neue Generalsekretär suchte nach einem Ausweg aus dem Afghanistan-Krieg und verfolgte mit dem Kampf gegen Korruption und gegen die Verschwendung von Staatseigentum eine autoritäre Reformagenda. In Gorbatschow sah er einen geeigneten Verbündeten. Dieser musste freilich noch den Tod von Andropows Nachfolger, Konstantin Tschernenko, im März 1985 abwarten, bevor er mit 54 Jahren an die Spitze der Partei nachrücken konnte. Da ihm die Mängel des Systems bewusst waren, trat er sein Amt als Generalsekretär der KPdSU mit dem Willen an, das Land zu verändern; seine Vorstellungen zur Erneuerung des Sozialismus waren allerdings noch äußerst vage.

Gorbatschow, Kohl und die westdeutsch-sowjetischen Beziehungen 1985-1986

Erstes Zusammentreffen Helmut Kohls und Michail Gorbatschows anlässlich der Beisetzung Konstantin...

Für Gorbatschow, den wenig mit Westdeutschland verband, spielte zu Beginn seiner Amtszeit die Bundesrepublik eine untergeordnete Rolle. Den zur Beerdigung von Tschernenko angereisten Bundeskanzler Helmut Kohl, der sich 1983 in Umsetzung des NATO-Doppelbeschlusses erfolgreich für die Stationierung von nuklearen Mittelstreckenwaffen in der Bundesrepublik eingesetzt hatte, beschuldigte er implizit, ein gefügiger Vasall der Amerikaner zu sein. Kohl, der sich persönlich beleidigt fühlte, musste daraus entnehmen, dass Gorbatschow an der traditionellen sowjetischen Politik festhielt, die Westeuropäer von den USA abzukoppeln. Gorbatschow besuchte in der folgenden Zeit zwar die westeuropäischen Nachbarn der Bundesrepublik, nicht aber Bonn; außerdem nahm er Kontakt zur oppositionellen SPD-Führung auf, da er anscheinend auf deren Sieg bei der Bundestagswahl 1987 hoffte. Es blieb Außenminister Hans-Dietrich Genscher vorbehalten, mit einem ersten Besuch in Moskau im Juli 1986 das Eis zu brechen.

Kohl blieb gegenüber Gorbatschow zurückhaltend. Dessen Reformbereitschaft und Reformfähigkeit hielt er anfangs noch für sehr fraglich; wichtiger waren für ihn dessen Außen- und Sicherheitspolitik. Hier begrüßte er zwar die Annäherung zwischen Moskau und Washington, die im Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und Ronald Reagan im November 1985 in Genf ihren ersten Niederschlag fand. Denn auch Kohl hoffte auf ein Ende des Rüstungswettlaufs und sah nun erstmals die Chance, „Frieden mit immer weniger Waffen zu schaffen“. Jedoch erschienen ihm 1985/86 die Abrüstungsvorschläge Gorbatschows als Fortsetzung der sowjetischen Machtpolitik mit anderen Mitteln: Hatten dessen Vorgänger gegenüber den Westeuropäern auf die Überlegenheit der sowjetischen Rüstung gesetzt, vertraute der neue Generalsekretär nach Kohls Ansicht auf die Attraktivität seiner Abrüstungsvorschläge, um das westliche Bündnis zu spalten. Hinzu kam, dass Gorbatschow durch sein Erscheinungsbild im Westen falsche Assoziationen hervorrufe. Kohl bezeichnete es vor dem CDU-Parteivorstand als absurd, „daß eine gut angezogene elegante Ehefrau und ein Generalsekretär, der nicht gleich die Journalisten beschimpft, sondern sich charmant anhört, ausreicht, damit der Mann als ein Liberaler bezeichnet wird“. Kohl erkannte, wie medienversiert Gorbatschow war und wie er im Westen wirkte, obwohl dieser, ungeachtet seiner Reformansätze, aus seiner Sicht ein orthodoxer Kommunist blieb.

Vom Gorbatschow-Goebbels-Vergleich zum Gorbatschow-Besuch in Bonn (1986-1989)

Da der Bundeskanzler Gorbatschow vor allem für einen geschickten Propagandisten hielt, den es zu entzaubern galt, ging er in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Newsweek im Oktober 1986 in die Offensive. Gorbatschow, so Kohl, sei „ein moderner kommunistischer Führer“, der „etwas von Public Relations“ verstehe. Und er fuhr fort: „Goebbels verstand auch etwas von Public Relations. Man muß die Dinge auf den Punkt bringen.“ Mit diesen mehr als unglücklichen Sätzen wollte er Gorbatschow demaskieren und diesem medial etwas entgegensetzen – ein Versuch, der gründlich misslang und zu einem „Kommunikationsdesaster“ (Hans-Peter Schwarz) wurde. Die westdeutsch-sowjetischen Beziehungen wurden dadurch massiv beeinträchtigt, obwohl Kohl im Nachhinein seine Äußerungen bedauerte.

Doch Genscher konnte nach einer Unterredung mit dem sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse Anfang November 1986 in Wien die Nachricht mit nach Hause bringen, dass die sowjetische Führung trotz alledem bemüht sei, den Konflikt beizulegen und die Kooperation mit der Bundesrepublik zu verbessern. Das bestätigte sich Anfang Februar 1987 nach dem Wahlsieg der christlich-liberalen Regierungskoalition in Bonn, als Gorbatschow in Moskau die Weisung erteilte: „Es ist Zeit, die BRD aktiver anzugehen.“ Kohl blieb zwar nach wie vor skeptisch angesichts der sowjetischen Rüstung, trotz des im Dezember 1987 unterzeichneten INF-Abkommens. Auch wenn damit die Mittelstreckenwaffen beider Supermächte kontrolliert verschrottet wurden, sorgte er sich weiterhin über die sowjetische Überlegenheit bei den nuklearen Kurzstreckenraketen sowie im konventionellen Bereich. Aber ab 1987 zweifelte er nicht mehr am Reformwillen Gorbatschows.

Außerdem erwärmten sich die westdeutsch-sowjetischen Beziehungen mit den Einladungen der Unionspolitiker Richard von Weizsäcker, Franz Josef Strauß und Lothar Späth zwischen Juli 1987 und Februar 1988 nach Moskau spürbar. Der Bundeskanzler sah sich in seiner Auffassung bestätigt, dass die Bundesrepublik „für die Sowjetunion in Wahrheit der wichtigste Partner in Europa“ sei. Vorläufiger Höhepunkt der Besuchsdiplomatie war Kohls Moskau-Besuch vom 24. bis zum 27. Oktober 1988. Die Visite leitete in dreierlei Hinsicht eine Wende in seiner Wahrnehmung ein. Denn dadurch gewann er erstens einen differenzierten Blick auf die Sowjetunion: Die Reformen gingen trotz der auch von ihm wahrgenommenen Schwierigkeiten seiner Meinung nach vor allem in der Wirtschaft in die richtige Richtung. Zweitens erlag nun auch Kohl ansatzweise dem Charme Gorbatschows. Denn er gestand diesem und seiner Frau Raissa trotz ihrer weiterhin kommunistischen Ausrichtung zu, auf dem Weg nach Europa zu sein. Drittens war er fest entschlossen, mit dem sowjetischen Parteichef ins Geschäft zu kommen und die Beziehungen zur Sowjetunion auf allen Ebenen zu verbessern.

geben sich die Hand
Michail Gorbatschow und Helmut Kohl in Bonn, 13. Juni 1989.

Damit war zwar eine gemeinsame Basis für den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses geschaffen. Aber nach wie vor blieben Momente, die die bilateralen Beziehungen belasteten. Sowohl aus sicherheits- als auch aus innenpolitischen Gründen hielt Kohl noch am Feindbild Sowjetunion fest. Denn 1986 hatten er und Verteidigungsminister Manfred Wörner angesichts des „Pillenknicks“ die Verlängerung des Wehrdiensts von 15 auf 18 Monate durchgesetzt, die zum 1. Juni 1989 in Kraft treten sollte. Doch mit den spektakulären Abrüstungsvorschlägen Gorbatschows und dem INF-Abkommen schwand das Bedrohungsgefühl in der Bevölkerung. Weil auch die FDP die Wehrdienstverlängerung nicht mehr mittragen wollte, vollzog Kohl im April 1989 eine Kehrtwende: Die Verlängerung des Wehrdienstes wurde ausgesetzt und auf Juni 1992 verschoben. Auch die infolge des INF-Vertrags aufgeflammte Debatte über eine Modernisierung der nuklearen Kurzstreckenwaffen der NATO konnte insbesondere aufgrund des Einsatzes von Genscher sowohl in der Bundesrepublik als auch in der NATO im Frühjahr 1989 beendet werden.

Daher fand der Gegenbesuch Gorbatschows in der Bundesrepublik vom 12. bis zum 15. Juni 1989 unbeeinträchtigt von diesen Querelen statt. Aufgrund von dessen enormer Popularität bei den Westdeutschen kannte die Begeisterung keine Grenzen; die Medien trugen wesentlich dazu bei, den Besuch zu einem Großereignis zu machen. Eines seiner wichtigsten Ergebnisse war die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung über die Grundsätze der bilateralen Beziehungen, die unter anderem die Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht umfassten. Der Besuch führte zu einer vorher undenkbaren Annäherung der Sowjetunion an die Bundesrepublik, die damit zum wichtigsten sowjetischen Partner innerhalb des westlichen Bündnisses avancierte. Infolge der Visite änderte sich Kohls Einstellung zu den Reformen in der Sowjetunion und Osteuropa, die er unter der gegebenen Personenbesetzung für unumkehrbar hielt. Die persönliche Begegnung hatte vor allem ein Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Gorbatschow begründet; nun glaubte Kohl dessen mehrfacher Bekundung, keinen Keil zwischen die Bundesrepublik und die USA treiben zu wollen. Dieser Einstellungswandel war aber auch auf den Willen des Bundeskanzlers zurückzuführen, nun mit der Sowjetunion in engere Beziehungen einzutreten, nicht zuletzt aufgrund seines elementaren Interesses an der Entwicklung in der DDR.

Gorbatschow und Kohl im Schlüsseljahr 1989/90

sitzen am Holztisch
Beim Treffen mit Michail Gorbatschow im Kaukasus gelingt Helmut Kohl der entscheidende Durchbruch...
Helmut Kohl und Michail Gorbatschow während ihrer Gespräche im Kaukasus am 15. Juli 1990. ©...
Plakat zur Volkskammerwahl 1990. © KAS/ACDP 10-024-5057

Im Herbst 1989 erwies sich die Sowjetunion nicht als starke Supermacht, sondern als überforderter Hegemon. Gorbatschow war ein doppelt bedrängter Herrscher: zum einen durch die sich zu einer veritablen Wirtschaftskrise steigernden ökonomischen Probleme und zum anderen durch die eskalierenden Nationalitätenkonflikte im sowjetischen Vielvölkerstaat. Entlastung erhoffte er sich durch engere Beziehungen mit der wichtigsten Wirtschaftsmacht Europas; die DDR unter ihrer reformfeindlichen Führung hing ihm hingegen wie ein Mühlstein am Hals. Daraus ergab sich für den Bundeskanzler nach anfänglicher Zurückhaltung eine Chance, die er umsichtig ergriff. Einerseits nutzte er die Schwäche der Sowjetunion, andererseits intensivierte er den Kontakt mit Gorbatschow und unterstützte diesen mit erheblichen Summen, um ein sowjetisches Eingreifen in der DDR möglichst zu verhindern.

Als sich nach dem Mauerfall die Chance bot, Deutschland zu vereinigen, griff Kohl mit der Verkündung des Zehn-Punkte-Programms am 28. November 1989 nach der Meinungsführerschaft. Wenngleich ihm Gorbatschow diesen Schritt übelnahm, warb Kohl unverdrossen für die Unterstützung des Generalsekretärs beim amerikanischen Präsidenten George H.W. Bush und zögerte nicht, Moskau mit Krediten und Hilfslieferungen unter die Arme zu greifen. Sein Ziel dabei war, Gorbatschows Macht zu stabilisieren, da er hoffte, dessen Zustimmung zur Herstellung der deutschen Einheit zu den Bedingungen des Westens zu erhalten.

Kohls Kalkül, einerseits Gorbatschows Schwäche zu nutzen, ihm andererseits entgegenzukommen, ging langfristig auf – nicht zuletzt aufgrund des seit Juni 1989 bestehenden Vertrauensverhältnisses zwischen beiden Politikern. Schrittweise räumte der sowjetische Parteichef, den gleichzeitig zahlreiche innenpolitische Sorgen plagten, eine sowjetische Position nach der anderen. Ende Januar 1990 fand er sich mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten ab, bestand aber noch auf der Neutralität des vereinten Deutschlands. Beim Gipfeltreffen mit Bush am 31. Mai 1990 gestand Gorbatschow erstmals Deutschland die freie Wahl bei der Bündniszugehörigkeit zu, distanzierte sich davon in den folgenden Wochen jedoch wieder. Erst in Verhandlungen am 15. und 16. Juli in Moskau und im Kaukasus stimmte Gorbatschow gegenüber Kohl und seinen Mitstreitern der NATO-Mitgliedschaft Deutschlands endgültig zu.

Gorbatschow, Kohl und das Ende der Sowjetunion 1990/91

KSZE-Sondergipfel vom 19. bis 21. November 1990 in Paris zur symbolischen Beendigung des Kalten...

Nach der Wiedervereinigung war Kohl vor allem an einer möglichst raschen sowjetischen Ratifizierung des Zwei-plus-Vier-Vertrags vom 12. September 1990, der die Souveränität Deutschlands festlegte, und an einem fristgerechten Abzug der sowjetischen Truppen gelegen. Dazu setzte er weiter auf Gorbatschow, den er als Stabilitätsanker in einer immer instabiler werdenden Sowjetunion betrachtete, mit der das wiedervereinigte Deutschland am 9. November 1990 einen Nachbarschafts- und Freundschaftsvertrag abschloss. Kohl sorgte sich vor allem über die immer stärkeren zentrifugalen Kräfte in der Sowjetunion, nicht zuletzt, weil er befürchtete, dass nach deren Auseinanderbrechen mindestens vier Nachfolgerepubliken über Atomraketen verfügten. Daher sah er auch über Gorbatschows damaligen Drift „nach rechts“ und die Gewaltanwendung im Baltikum Anfang 1991 hinweg.

In dem 1990/91 aufbrechenden innersowjetischen Machtkampf zwischen Gorbatschow und dem russischen Präsidenten Boris Jelzin gehörten Kohls Sympathien zunächst ganz Gorbatschow. Ab Juli 1991 streckte der Bundeskanzler zwar – in Absprache mit Gorbatschow – auch seine Fühler in Richtung Jelzin aus, noch gehörten seine Sympathien aber ganz dem sowjetischen Präsidenten. Das änderte sich indes nach dem gescheiterten Putschversuch in Moskau vom August 1991. Auch jetzt hielt Kohl zwar an seiner Linie fest, dass eine Auflösung der Sowjetunion nicht im deutschen Interesse liege und möglichst eine Föderation gebildet werden solle. Aber der Mann, auf den er dabei setzte, hieß nicht mehr Gorbatschow, sondern Jelzin. Denn der russische Präsident hatte den Putschisten mutig die Stirn geboten und anschließend seine Machtposition gezielt ausgebaut, während Gorbatschow zu einem Herrscher ohne Land geworden war. Jelzin war fortan der Anker, an dem sich Kohl bei der Suche nach Stabilität im postsowjetischen Raum festhielt.

Trotz dieses pragmatischen Umgangs mit den Führungspersonen in Moskau blieben Gorbatschow und Kohl nach 1991 freundschaftlich miteinander verbunden. Gorbatschow blieb, anders als in Russland, in Deutschland weiterhin äußerst populär. Wie eng die Beziehung zwischen beiden Staatsmännern war, wird unter anderem daran deutlich, dass Kohl auch zur Beisetzung von Raissa Gorbatschowa, die 1999 in einem Krankenhaus in Münster gestorben war, nach Moskau reiste.

Fazit

Michail Gorbatschow und Helmut Kohl bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin am 8....

An der Beziehung zwischen Gorbatschow und Kohl zeigt sich, wie aus zwei Kontrahenten Partner, ja sogar Freunde werden konnten. Dabei spielten politische Interessen eine herausgehobene Rolle. 1985/86 glaubte Gorbatschow noch, Kohl durch Kontakte zu dessen westeuropäischen Partnern, zum US-Präsidenten und zur oppositionellen SPD ausmanövrieren zu können. Kohl hingegen hielt Gorbatschow aufgrund von dessen medialer Gewandtheit und Abrüstungsrhetorik für einen gefährlichen Gegner, dessen Entzauberung ihm jedoch gründlich misslang. Ungeachtet des Ende 1986 äußerst gespannten westdeutsch-sowjetischen Verhältnisses änderte Gorbatschow jedoch aus realpolitischen Gründen Anfang 1987 seinen Kurs und suchte nun den Kontakt. Auch Kohl, der nun den Reformwillen Gorbatschows nicht mehr anzweifelte, wollte mit Gorbatschow ins Geschäft kommen, obwohl er weiterhin die sowjetische militärische Überlegenheit mit Sorge betrachtete. Die Begegnungen von 1988 und 1989 bezeugten nicht nur das engere westdeutsch-sowjetische Verhältnis, sondern ließen beide Männer auch Vertrauen zueinander fassen. Angesichts der friedlichen Revolution in der DDR und der anschließenden, von Kohl vorangetriebenen Vereinigung der beiden deutschen Staaten war das von unschätzbarem Wert. Auch nach der Wiedervereinigung setzte Kohl auf Gorbatschow, nicht nur damit der Zwei-plus-Vier-Vertrag ratifiziert und die sowjetischen Streitkräfte aus Deutschland abgezogen werden konnten, sondern auch um einen Zerfall der Sowjetunion zu verhindern. Da Stabilität im postsowjetischen Raum für ihn entscheidend war, arrangierte er sich im Herbst 1991 sehr schnell mit Jelzin, obwohl er die persönliche Freundschaft im Gorbatschow weiter pflegte.

  • Lozo, Ignaz, Gorbatschow. Der Weltveränderer, Darmstadt 2021.
  • Taubman, William, Gorbatschow. Der Mann und seine Zeit, München 2018.
  • Wentker, Hermann, Die Deutschen und Gorbatschow. Der Gorbatschow-Diskurs im doppelten Deutschland 1985-1991, Berlin 2020.
  • Wentker, Hermann, Vom Gegner zum Partner. Gorbatschow und seine Politik im Urteil Helmut Kohls, in: Historisch-Politische Mitteilungen 22 (2015), S. 1-34.

Hermann Wentker