* geboren 06.04.1911
in
Tampico/Illionis
† gestorben 05.06.2004
in
Bel Air/Kalifornien
40. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
1928-1932 | Besuch des Eureka-College/Ill. mit B.A.-Abschluss |
1932-1937 | Sportkommentator für Radio WOC in Davenport/Iowa |
1937-1942 | Schauspieler in 29 Filmen, vor allem bei Warner Brothers |
1942-1945 | US-Army; Entlassung im Rang eines Captain |
1945-1962 | Film- und Fernsehkarriere |
1947-1952 | Vorsitzender der Schauspielergewerkschaft (Screen Actors Guild) |
1952 | Heirat mit der Schauspielerin Nancy Davis |
1962 | Mitglied der Republikanischen Partei |
1966-1973 | Gouverneur von Kalifornien |
19.08.1976 | Parteikonvent der Republikanischen Partei in Kansas City: Niederlage bei der Kandidatennominierung für die Präsidentenwahl gegen Gerald Ford |
17.07.1980 | Parteikonvent der Republikanischen Partei in Detroit: Nominierung zum Kandidaten für die Präsidentenwahlen |
04.11.1980 | Wahl zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika mit 51 Prozent der Wahlmännerstimmen gegen Jimmy Carter |
20.01.1981 | Amtsantritt |
30.03.1981 | Verletzung durch das Attentat von John Hinkley |
30.11.1981 | Aufnahme von Gesprächen über Rüstungsbegrenzung zwischen den USA und der UdSSR in Genf |
25.10.1983 | US-Intervention in Grenada |
Januar 1984 | Ankündigung der Kandidatur für eine zweite Amtsperiode |
06.11.1984 | Sieg bei den Präsidentschaftswahlen mit 58 Prozent der Wahlmännerstimmen gegen den Demokraten Walter F. Mondale |
Mai 1985 | Besuch der Bundesrepublik Deutschland |
November 1985 | Erstes Gipfeltreffen mit Michail Gorbatschow in Genf |
Oktober 1986 | Zweites Gipfeltreffen mit Gorbatschow in Reykjavik |
12.06.1987 | Besuch Berlins anlässlich der 750-Jahre-Feiern der Stadt (Ansprache am Brandenburger Tor: „Mr. Gorbachev, tear down this wall!“) |
08.12.1987 | Unterzeichnung des INF-Vertrages zur Vernichtung aller Mittelstreckenraketen („doppelte Null-Lösung“) |
Juni 1988 | Moskauer Gipfeltreffen |
20.01.1989 | Amtsantritt von George Bush als 41. Präsident der USA |
November 1994 | Reagan teilt der amerikanische Nation in einem Brief mit, dass er an der Alzheimerschen Krankheit leidet. |
Für die einen war er in der Bunderepublik der „Kriegstreiber“, für die anderen der viel geschmähte und unterschätzte ehemalige Schauspieler, den die Umstände im Amerika der späten 1970er Jahre und ein daran gescheiterter Demokratischer Präsident Jimmy Carter 1981 ins Weiße Haus spülten. Von Ronald Wilson Reagan erhoffte sich das „konservative Amerika“ damals nichts Anderes als die Rückkehr zu einer werteorientierten Politik der Vergangenheit. Dabei war der Wahlsieg der Vertrauensvorschuss in einen Instinktpolitiker, der das Land aus einer Zeit der Zweifel um die eigene Position in der Welt (wirtschaftliche Entwicklung und der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan) und Erniedrigungen (Geiseldrama in Teheran) herausführte. Und der aus einer Politik der Stärke heraus am Ende den Kalten Krieg gewann.
Reagan wuchs in einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Illinois in ärmlichen Verhältnissen auf. Die Herkunft seines Vaters als Nachfahre irischer Immigranten prägte die Kindheit und führte ihn nach Besuch der High School an ein stark christlich geprägtes College. Danach wurde ein Job als Sprecher und Ansager für eine Baseballmannschaft aus Chicago zum Berufseinstieg in die Filmkarriere, nachdem das Filmstudio Warner Brothers ihn zu Probeaufnahmen einlud und ihm einen Darstellervertrag über sieben Jahre anbot. Entgegen späterer Gerüchte beschränkten sich seine Rollen nicht nur auf B-Filme, sondern trat er auch als Nebendarsteller in Großproduktionen echter Kinostars an. Mit Unterbrechungen durch die Einberufung zur Army im April 1942 dauerte die Filmkarriere zunächst bis in die 1950er Jahre an und verlagerte sich dann in Richtung Fernsehen. Anders als vermutet war der christlich-konservativ eingestellte Reagan zu diesem Zeitpunkt dem damaligen rechten Flügel der US-Demokraten verbunden und stellte sich offen gegen die Kommunisten-Hysterie der McCarthy-Ära.
1962 wechselte Reagan zur Republikanischen Partei und gehörte 1964 zu den wichtigsten Unterstützern von Barry Goldwater, des erzkonservativen republikanischen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl. Die Kampagne endete in einem Desaster, und der Verlust der republikanischen Mehrheit auch in seiner Wahlheimat Kalifornien an die seinerzeit eher liberal-bürgerlich orientierten Demokraten trug dazu bei, dass Reagan 1965 seine Kandidatur für das Amt des Gouverneurs ankündigte. Mit mehr als 57 Prozent der Stimmen gewann er die Wahl zum Regierungschef des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaates. Die gerade in seinem Staat eskalierenden Proteste der 68er-Bewegung machten ihn zum entschlossenen Gegner von Demonstranten und Universitätsbesetzern und schließlich zur Hassfigur bei der politischen Linken.
Nach einer weiteren Amtszeit und dem Verzicht auf die dritte bewarb Reagan sich 1976 erfolglos um die republikanische Präsidentschaftskandidatur gegen Amtsinhaber Gerald Ford. Nachdem Ford die eigentliche Wahl gegen den Demokraten Jimmy Carter verloren hatte, trat Reagan 1980 mit George H. W. Bush als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft an und errang einen klaren Sieg mit acht Millionen Stimmen Vorsprung. Im Urteil zahlreicher Medien vor allem in der Bundesrepublik hatte sich damit das „konservative Amerika“ gesammelt, „das Heil in den Werten der Vergangenheit zu suchen“, wie „Der Spiegel“ damals schrieb.
Helmut Kohl teilte diese Einschätzung, allerdings im positiven Sinne. Nicht nur, weil er 1982 als Repräsentant einer Mitte-Rechts-Partei Kanzler wurde, sondern auch, weil CDU und CSU seit Mitte der 1970er Jahre selbst eine solche Umwälzung im eigenen Land anstrebten. Dass diese nach Regierungsantritt keiner „Revolution“ gleichkommen würde, sondern bescheidener als eine „Wende“ daherkam, wurde sehr bald deutlich. Eher unklar und diffus bleib die als Renaissance konservativer „Werte“ beschriebene „geistig-moralische Wende“, auch wenn der Thatcherismus und die Reaganomics vielen Unionspolitikern als Vorbilder erscheinen mochten.
Kohls unverhohlene Bewunderung für den raschen Kurswechsel in den USA deutete sich bereits im Oktober 1981 an, als er, zu dem Zeitpunkt noch Oppositionsführer, Reagan auf einer Washington-Reise kennenlernte. Die damalige Begegnung wurde zum Ausgangspunkt für die persönliche Verbundenheit und Seelenverwandtschaft der beiden Politiker. Immer wieder sollte der Kanzler darauf später zurückkommen – und dabei insgeheim auch die eigene Entwicklung spiegeln: „Ronald Reagan, den so viele belächelten, wurde stark unterschätzt. Er mochte kein Intellektueller sein, aber er verfügte über ein einleuchtendes politisches Koordinatensystem. Zudem bewies er politischen Instinkt und wusste, was er wollte“, so Kohl in seinen Erinnerungen.
In Bezug auf die wirtschaftspolitischen Ideen der Republikaner ging die Bundesregierung am Ende keinesfalls so weit, wie mancher konservative Unionspolitiker dies vielleicht erhofft hatte. Kohl wusste, dass Thatcherismus und Reaganomics im eigenen Land nicht umsetzbar waren. Und er war persönlich von den Grundzügen der Sozialen Marktwirtschaft überzeugt: „Ich bin kein Anhänger der Marktwirtschaft, sondern der sozialen Marktwirtschaft! Ich glaube nicht an jenes Stück Vorstellung von Liberalismus – ich will jetzt nicht Manchester-Liberalismus sagen -, dass der Reichtum einer ganzen Gruppe automatisch übergreift und immer wieder übergreift und dadurch die Schwächsten hochzieht“, so Kohl am 4. November 1986 vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Umschwünge wie von Carter zu Reagan oder von Labour zu Thatcher waren unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems in Deutschland nach seiner Einschätzung nicht möglich.
Umso entschlossener agierten der Kanzler und der US-Präsident bei der Umsetzung des NATO-Doppelbeschlusses. Auf die sowjetische Stationierung neuer Mittelstreckenraketen vom Typ SS-20 in Osteuropa, auch in der DDR, reagierte Reagan mit der bedingungslosen Unterstützung der Stationierung von Pershing II-Raketen, der Entwicklung des SDI-Programms sowie der massiven Aufrüstung der US Army, der Air Force und der Navy, und er zwang die Sowjetunion so in einen für das Land ruinösen Rüstungswettlauf. Dabei war für ihn (wie auch den Kanzler) das Scheitern des Appeasements gegenüber Hitler eine prägende Erfahrung. Entsprechend dienten umstrittene Interventionen wie die Invasion der Karibikinsel Grenada 1983 und der Bombenangriff auf Tripolis in Libyen 1986 auch dem Zweck der Demonstration militärischer Stärke und der Kompromisslosigkeit seiner Regierung und waren nicht allein Ausdruck seines Antikommunismus.
Unterstützung fand Reagan dabei nicht nur bei den Amerikanern - 1984 gewann er haushoch die Wiederwahl gegen seinen Herausforderer, Carters ehemaligen Vizepräsidenten Walter Mondale - sondern auch bei Kohl, der seinerseits fest entschlossen war, den Vollzug des Nachrüstungsbeschlusses mit aller Härte gegenüber parteiinternen Kritikern, der Opposition und einer friedensbewegten Öffentlichkeit durchzusetzen. Dabei war das Vertrauen in den US-Präsidenten zentral für das Handeln des Kanzlers. Am Ende, so war Kohl überzeugt, ging es Reagan um Frieden und Entspannung – und behielt damit recht: Als auch im Kreml unübersehbar war, dass die Sowjetunion im Rüstungswettlauf mit den USA nicht mithalten konnte, nahm Reagan Gorbatschows Verhandlungsangebot an und wirkte wesentlich an der Überwindung des Konfliktes mit. So wurde aus dem Kalten Krieger am Ende seiner zweiten Amtszeit der Entspannungspolitiker.
Wenn eine Begegnung mit dem US-Präsidenten Kohl im Rückblick maßgeblich in seiner Einschätzung der politischen Standhaftigkeit und persönlichen Freundschaft Reagans bestärkte, dann war es sicherlich der Besuch der beiden Staatsmänner des Soldatenfriedhofs in Bitburg. In seinen Erinnerungen beschreibt der Kanzler die mediale Begleitung der Wahl des umstrittenen Ortes als „eine Schlammschlacht gegen den amerikanischen Präsidenten und gegen mich“, wie er sie noch nicht erlebt hatte. Und so sehr er die gemeinsame Geste zum Jahrestag der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1985 als Zeichen der Aussöhnung der beiden Völker verteidigte, berichtete er gleichzeitig davon, dass er dem Präsidenten in einem der ersten Telefonate im Vorfeld des Besuchs anbot, den Termin zu verschieben, wohl wissend, dass er für ihn angesichts der Debatten in den USA zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt kam – immerhin begann Reagan gerade, Abrüstungsverhandlungen mit dem neuen sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow einzuleiten. Allen Widerständen auf beiden Seiten des Atlantiks zum Trotz aber stimmte Reagan mit Kohl darin überein, dass sein Staatsbesuch im Frühjahr 1985 „der geeignete Augenblick sei, nicht nur des vierzigsten Jahrestags des Kriegsendes zu gedenken, sondern auch des Beginns einer vierzigjährigen Epoche des Friedens und der Freundschaft zwischen zwei ehemaligen Feinden“, wie Reagan in seinen Erinnerungen festhielt. Und er argumentierte wie Kohl, dass es nicht anginge, „jeden einzelnen Deutschen – einschließlich jener Generation, die zu Hitlers Zeiten noch nicht geboren war – auf immer und ewig für den Holocaust büßen zu lassen“. Damit sprach der Präsident auch die jungen SS-Soldaten an, die auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg lagen und die, so Kohl, „keine Chance hatten, dem Einberufungsbefehl zur Waffen-SS zu entgehen“.
Es war am Ende nicht nur der Wille des Präsidenten, seinen Freund nicht durch eine „Absage bloßstellen“ zu wollen, wie Reagan in seinen Erinnerungen sein Motiv beschrieb, der Kohl beeindruckte – diese Standhaftigkeit war es, die umgekehrt Reagan auch bei der Stationierung der Pershing II an Kohl so schätzte. Es war vielmehr das Geschichtsverständnis des US-präsidenten, das ihn faszinierte. Auch Jahre später, anlässlich des Todes von Reagan, erinnerte sich der Kanzler an Bitburg: Damit habe Reagan „ein Zeichen der Versöhnung zwischen ehemaligen Kriegsgegnern gesetzt. Diese große Geste der Freundschaft zwischen unseren Ländern werde ich immer in Erinnerung behalten."
Die „noble Gesinnung“ (Kohl) des Präsidenten zeigte ein untrügliches Gespür für die Einordnung von Begegnungen in größere politische Zusammenhänge, und sie bewies Mut. Eben diesen bewies Reagan auch in der Rüstungskontrollpolitik. Es wird vielfach übersehen, dass der vermeintliche „Kommunistenhasser“ und „Kriegstreiber“ der Sowjetunion schon im Jahr 1981 vorgeschlagen hatte, auf die Stationierung der amerikanischen Mittelstreckenwaffen zu verzichten, wenn Moskau im Gegenzug seine älteren SS-4 und SS-5 sowie die modernen SS-20 abbaue - ein Vorschlag, den Moskau erst sechs Jahre später, Anfang 1987 aufgreifen sollte, als Gorbatschow seine Bereitschaft zur Doppel-Null-Lösung bei den Mittelstreckenraketen mit längerer (1000-5500 km) und kürzerer Reichweite erklärte. Gleichzeitig bot Reagan bereits 1981 dem damaligen Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, eine substantielle Verringerung der strategischen Waffen an. Damit ging der amerikanische Präsident schon damals weit über den Ansatz des ursprünglichen Verhandlungsangebots von 1979 hinaus. Moskau aber lehnte ab.
Und es war erneut Reagan, der 1984 anbot, die bislang getrennten Verhandlungen über strategische Offensivwaffen und über landgestützte Mittelstreckenwaffen mit Verhandlungen über strategische Defensivwaffen zu verbinden, während Moskau weiterhin auf seinem Moratoriumsvorschlag für Nuklearwaffenarsenale beider Mächte beharrte und, mit Blick auf die SDI-Pläne des US-Präsidenten, ein Abkommen zur Verhinderung der Militarisierung des Weltraums forderte. Vor dem Hintergrund verstärkter Rüstungsanstrengungen in den USA lenkte Gorbatschow wenig später, im März 1985, endgültig ein und ebnete so den Weg zum INF-Vertrag zum Abbau der Mittelstreckensysteme längerer wie kürzerer Reichweite zwei Jahre später.
Kohl hatte schneller als andere begriffen, dass Reagans Haltung gegenüber Moskau am Ende einem höheren Ziel diente, nämlich einer umfassenden Abrüstungsinitiative aus einer Position der politischen und militärischen Stärke heraus. Bisweilen gingen die Visionen des Präsidenten von einer atomwaffenfreien Welt gar weit über die Vorstellungen des Kanzlers hinaus und nahmen sich geradezu illusionär im Vergleich zur realistischeren Position Gorbatschows aus. Der Kanzler aber spürte, wie Reagan in seiner letzten Amtszeit vor allem ein Ziel verfolgte, das Kohl in seinen Erinnerungen so beschrieb: „zu einem Ausgleich zu gelangen und im Blick auf die weltweite Abrüstung einen Weg der Vernunft zu finden. Erhaben über jeden Verdacht, vor dem Kommunismus auf die Knie zu gehen, vermittelte dieser amerikanische Präsident den Eindruck politischer Stärke“. Diese Haltung war es, die nach Überzeugung Kohls die eingefrorenen Strukturen des Kalten Krieges aufgebrochen hatte. Gerade seine Leistung auf dem Gebiet des Ost-West-Konflikts, der Abrüstungs- und Sicherheitspolitik aber wurden „in jenen Tagen und Wochen noch weitgehend unterschätzt; es dominierten die kritischen Stimmen. Jahre später dann mussten selbst unverbesserliche Pessimisten die Früchte seiner Unnachgiebigkeit anerkennen“. Für den Kanzler dagegen stand längstens fest, dass mit dem INF-Abkommen der Kalte Krieg zwar für die USA noch nicht formal gewonnen war. Faktisch aber hatte Reagan eine wesentliche Grundlage für den Zusammenbruch des Kommunismus gelegt, den dann sein Nachfolger George H.W. Bush 1990 weltpolitisch abwickelte. Dass er deswegen in den USA bis heute als ein herausragender Präsident gilt, ist wenig erstaunlich. Für Kohl aber war er weit mehr, wie er im Zusammenhang mit seinem Abschiedsbesuch beim scheidenden Präsidenten 1988 schreibt. Wie kaum ein „anderer führender Staatsmann vor oder nach ihm hatte er die Besonderheit unseres geteilten Vaterlands im Blick. Er wusste genau, wie sehr Deutschland von jeder Stimmungsschwankung im Ost-West-Verhältnis betroffen war. Ohne seine unerschütterliche Festigkeit gegenüber der Sowjetunion wäre die Überwindung der deutschen Teilung nicht möglich gewesen.“
Das Gespür für die Gelegenheiten, die sich dem Politiker durch die Umstände oder eigenes Verhandlungsgeschick ergeben, und die Entschlossenheit, sie zu nutzen, waren die beiden Faktoren, die Reagan und Kohl verbanden. Hinzu kam ein dritter Faktor, ihr Instinkt für die Bedeutung des Persönlichkeitsfaktors in der Politik. Gerade die achtziger und frühen neunziger Jahre, vor allem der unerwartete Zusammenbruch der Sowjetunion, haben dazu beigetragen, dass sich ein zusehends personalisiertes Verständnis von Politik herausschälte. Politiker wie Gorbatschow, Deng Xiaoping, Margaret Thatcher oder eben Reagan und Kohl drückten der Epoche ihren Stempel auf und revolutionierten die Weltgeschichte oder aber wurden zu Managern des Umbruchs und ließen so, in den Worten von Hans-Peter Schwarz, den „geheimnisvollsten Geschichtsfaktor“ seine Wirkung entfalten: den Faktor Persönlichkeit.
Nur vor diesem Hintergrund lässt sich das gegenseitige Vertrauen und freundschaftliche Verhältnis zwischen Reagan und Kohl bewerten: „Er ist völlig anders als sein Vorgänger, herzlich und aus sich herausgehend“, so beschrieb Reagan den Freund Helmut in seinen Erinnerungen vor dem fünften Treffen mit ihm, „jetzt als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.“ Kohls Fähigkeit zur Freundschaft, so beschreiben es auch amerikanische Beobachter, war der Ausgangspunkt dafür, dass er während seiner 16-jährigen Kanzlerschaft über Parteigrenzen hinweg mit drei so unterschiedlichen US-Präsidenten wie Ronald Reagan, George H.W. Bush und Bill Clinton gleichermaßen vertraut war. Hinzu kam seine Verlässlichkeit. Dass Margaret Thatcher den damaligen US-Präsidenten Reagan nicht für ihre Politik der scharfen Ablehnung der Deutschen Einheit gewinnen konnte, hat auch mit dem großen Vertrauenskapital zu tun, das Kohl bei Reagan erworben hatte. Bei der Durchsetzung des Nato-Doppelbeschlusses ging Kohl mit Reagan durch eine harte Zeit der Widerstände auf beiden Seiten des Atlantiks. Kohl wankte nicht, was dem Präsidenten imponierte und ein Band des Vertrauens schuf.
Umgekehrt war Kohl, wie er in seinen Erinnerungen hervorhob, von Beginn an „nachhaltig“ beeindruckt von der „Offenheit“ und „dem politischen Tempo“, dass der amerikanische Präsident in seinem Land vorlegte: „Gerade mal zwei Jahre im Amt, hatte Ronald Reagan innen- wie außenpolitisch ein Tempo vorgelegt, das mich faszinierte. Seine Erfolge vor allem auf wirtschaftspolitischem Gebiet waren für jedermann ersichtlich.“ Noch mehr aber spürte der Kanzler, dass er in Washington einen Politiker „kennen- und schätzen gelernt“ hatte, dem er vertrauen konnte und mit dem ihn „weit mehr verband als die häufig bemühten freundschaftlichen Beziehungen, wie sie unter amtierenden Politikern so gern zitiert werden“ . An dieser Einschätzung hielt der Kanzler zeit seines Lebens fest. Anlässlich des 25. Jahrestages der Rede Reagans vom 12. Juni 1987 vor dem Brandenburger Tor in Berlin erinnerte Kohl sich 2012: „Ohne unsere amerikanischen Freunde und ihre über Jahre bewiesene Standfestigkeit hätten wir dies nicht geschafft“. Gemeint war vor allem Reagans „bewegender Appell“ an den damaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow, die Mauer niederzureißen und das Brandenburger Tor zu öffnen.
Ronald Reagan: Erinnerungen. Ein amerikanisches Leben, Berlin 1990.
The Reagan Diaries. Edited by Douglas Brinkley, New York 2007.
Helmut Kohl: Erinnerungen. Bd. 1: 1930-1982, München 2004.
Helmut Kohl: Erinnerungen. Bd. 2: 1982-1990, München 2005.
Stefan Fröhlich: Auf den Kanzler kommt es an. Außen- und Europapolitik in der Ära Kohl in den achtziger Jahren, Paderborn 2001.
Stefan Fröhlich: Die USA-Politik aus amerikanischer Perspektive in der Ära Kohl, in: HPM 14 (2007), S. 263–271.
Hayward, Steven F.: The Age of Reagan. Vol 2: The Conservative Counterrevolution 1980–1989, New York 2009.
Weisberg, Jacob: Ronald Reagan. The 40th President, 1981-1989, New York 2016 (The American Presidents Series).