1. Dezember 1997

Ansprache anlässlich des Jahresempfangs für das Diplomatische Korps im Palais Schaumburg in Bonn

 

Sehr geehrter Herr Nuntius,

Exzellenzen,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

ich freue mich, daß ich auch in diesem Jahr wieder die Gelegenheit habe, Sie im Palais Schaumburg zu unserem traditionellen Jahresempfang begrüßen zu können. Nach Entwicklung der Dinge werden wir nicht mehr viele Jahresempfänge in diesem Hause haben. Viele von Ihnen sind schon dabei, sich in Berlin umzusehen und sich auf die Entwicklung in der alten und neuen Hauptstadt Berlin einzurichten. Das Bild, das Sie dort jetzt sehen - eine einzige Großbaustelle - bringt natürlich Probleme im Alltag mit sich, zeigt aber zugleich, welche dynamische Entwicklung unser Land nimmt.

 

Ich möchte heute morgen ganz besonders herzlich diejenigen Missionschefs begrüßen, die im Laufe des zu Ende gehenden Jahres als Repräsentanten ihres Landes zu uns nach Deutschland gekommen sind. Ich hoffe, daß Sie sich gemeinsam mit Ihren Angehörigen gut bei uns einleben, daß Sie sich wohl fühlen. Ich hoffe vor allem, daß Sie die Zeit finden werden, Deutschland näher kennenzulernen. Deutschland ist mehr als der Großraum Bonn. Ich hoffe, daß Sie auch die Gelegenheit haben werden, in die neuen Länder zu fahren, um den Prozeß der Deutschen Einheit aus der Nähe zu beobachten. Vor allem wünsche ich Ihnen und mir, daß Sie die Gelegenheit haben werden, mit möglichst vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus ganz Deutschland - aus der älteren Generation und nicht zuletzt auch mit vielen jungen Deutschen - zu sprechen.

 

Die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes liegt jetzt sieben Jahre zurück. Wir haben in dieser Zeit gemeinsam große Kraftanstrengungen unternommen, um die Folgen der langen Trennung zu überwinden. Wie Sie selbst beobachten können, haben die Menschen in den neuen Bundesländern tiefgreifende Veränderungen in ihren Lebensverhältnissen erfahren. Um so wichtiger ist es, daß die Aufbauleistung, die dort jeden Tag stattfindet, von allen Deutschen solidarisch mit getragen wird. Für mich ist das immer wieder ein Grund zu großer Dankbarkeit.

 

Auch wenn noch viel zu tun bleibt: Die großen Fortschritte im Osten unseres Landes sind unübersehbar. Meine Hoffnung und meine Bitte sind: Fahren Sie dorthin und überzeugen Sie sich selbst, und zwar nicht nur in jenen Städten, die ganz besonders exemplarisch für den Fortschritt sind - in Leipzig oder in

 

Dresden -, sondern gehen Sie auch hinaus ins Land Brandenburg oder nach Mecklenburg-Vorpommern, wo die Entwicklung langsamer verläuft.

 

In den neuen Ländern sind viele Industriebereiche auf gutem Weg, den Anschluß an den Weltmarkt zu schaffen. Die Produktivität der Betriebe im industriellen Bereich hat sich in der Zwischenzeit mehr als verdoppelt. Dies ist ein gutes Ergebnis, wenn man davon ausgeht, daß wir bei der Umstellung der Betriebe in den neuen Ländern auf die Tatsache gestoßen sind, daß die dortigen Produktionsstätten große Schwierigkeiten hatten, den Anschluß an den Weltmarkt zu finden.

 

Ich möchte die Gelegenheit heute nutzen, um den vielen ausländischen Investoren zu danken, die zum Aufbau einer modernen Volkswirtschaft in den neuen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland beigetragen haben. Sie haben einen ganz maßgeblichen Anteil an dieser positiven Entwicklung. Viele von ihnen werden bereits in den allernächsten Jahren - in einigen Fällen ist dies jetzt schon der Fall - erleben, daß sie eine kluge Unternehmerentscheidung getroffen haben, daß ihre Investitionen Früchte tragen und daß der Standort Deutschland - vor allem auch der Osten Deutschlands - ein vorzüglicher Standort ist.

 

In der Arbeit für die gemeinsame Zukunft und im Miteinander bei der Bewältigung der großen Herausforderungen wächst unser Land mehr und mehr zusammen. Sie alle haben miterleben können, wie in diesem Jahr an der Oder viele Tausende von Soldaten und Helfern aus Ost und West gemeinsam gegen das Hochwasser gekämpft haben. In der Stunde der Not hat sich gezeigt, daß die innere Einheit unseres Landes Wirklichkeit ist. Das gehört für mich zu den guten Erfahrungen dieses Jahres. Wer die jungen Soldaten, die jungen Wehrpflichtigen dort im Alltag erlebt hat, der wird mir das bestätigen können.

 

Ich finde es ganz besonders erfreulich, daß wir trotz aller Aufgaben im eigenen Land weltoffen sind und weltoffen bleiben. In unserer Mitte leben 7,4 Millionen Ausländer. Das sind fast zehn Prozent unserer Bevölkerung. Viele von ihnen wohnen und leben schon seit 30 Jahren oder länger in Deutschland. Viele haben hier ein neues Zuhause gefunden.

 

Zugleich ist Deutschland Zufluchtsort vieler Menschen, die wegen Krieg und Verfolgung ihre Heimat verlassen mußten. Allein aus Bosnien leben über 300000 Flüchtlinge bei uns, denen ich von Herzen wünsche, daß sie unter friedlichen Verhältnissen möglichst bald wieder in ihre Heimat gehen können. Ich möchte es klar aussprechen: Das, was in der Bundesrepublik an materiellen Mitteln aufgewandt wird, ist notwendig und richtig. Wir sind ein Land, das vor 50 Jahren und in der Zeit danach - in der Stunde Null unserer Geschichte - erlebt hat, was es bedeutet, Hilfe von anderen zu erfahren. Wir haben das nicht vergessen. Ich gehöre zu jener Generation, die damals 16 oder 17 Jahre alt war, die bitteren Hunger erfahren hat und weiß, was es heißt, wenn man Hilfe erfährt. Weil wir das nicht vergessen haben, werden wir selbstverständlich auch in Zukunft unsere solidarische Pflicht leisten. Aber ich füge hinzu: Mir wäre es viel lieber, wir würden das Geld, das wir hier für Bosnien-Flüchtlinge ausgeben, für diese Menschen in ihrer Heimat ausgeben können, damit sie ihre Häuser aufbauen, ihre Fabriken wieder instand setzen und ihr eigenes Leben mit ihren Kindern in ihrer eigenen Heimat führen können.

 

Das Zusammenleben mit den Ausländern bei uns ist in aller Regel harmonisch. Es ist in vielen Lebenserfahrungen vor allem von Achtung und Sympathie geprägt. Wir Deutschen wissen sehr zu schätzen, was diese Mitbürger zum Wohlstand unseres Landes beigetragen haben. Das gilt nicht nur für das Materielle, sondern auch für das menschliche Gesicht Deutschlands.

 

Meine Damen und Herren, Exzellenzen, an der Schwelle zum neuen Jahrtausend steht die Welt vor tiefgreifenden Veränderungen. Das Stichwort "Globalisierung" ist in aller Munde. Dabei ist die Erkenntnis wichtig: Heute ist keine Nation mehr in der Lage, die weltweiten Herausforderungen bewältigen zu können. Nur gemeinsam können wir erfolgreich sein. Für uns Deutsche heißt das vor allem: Wir brauchen und wir wollen das vereinte Europa.

 

Mit dem Abschluß des Vertrages von Amsterdam ist die europäische Einigung erneut ein gutes Stück vorangebracht worden. Natürlich weiß ich, daß die Erwartungen auch vor Amsterdam noch größer waren, aber wer lange genug dabei ist, der hat die Erfahrung gemacht, daß Europa und europäische Politik vor allem Geduld und noch einmal Geduld brauchen. Wer die letzten Jahrzehnte noch einmal vor seinem geistigen Auge durchmißt, der weiß: Wir haben eine gewaltige Wegstrecke zurückgelegt.

 

Wichtig ist für uns, daß Europa nicht an der polnischen Westgrenze endet. Auch deshalb treten wir, die Deutschen, für die Erweiterung der Europäischen Union ein. Sie dient der politischen und der wirtschaftlichen Stabilität unseres ganzen Kontinents und liegt daher im Interesse aller Europäer, auch wenn das in schwierigen ökonomischen Zeiten nicht jeder begreifen mag. Für uns Deutsche ist sie von besonderer Bedeutung.

 

Unsere geographische Lage und unsere Geschichte verpflichten uns gleichermaßen zur partnerschaftlichen Offenheit auch gegenüber unseren östlichen Nachbarn. Dies ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit unseres europäischen Bekenntnisses. Die Menschen in den jungen Demokratien Mittel-, Ost- und Südosteuropas sehen im vereinten Europa gemeinsam mit der Atlantischen Allianz zu Recht den Garanten für Frieden, für Sicherheit und für Wohlstand, und zwar nicht nur für das einzelne Land, sondern für den ganzen Kontinent.

 

Der Europäische Rat in Luxemburg wird in wenigen Tagen über die konkrete Ausgestaltung des Erweiterungsprozesses entscheiden. Erste Beitrittsverhandlungen werden im Frühjahr 1998 beginnen. Unbestritten ist - ich lege großen Wert auf diese Feststellung -, daß die Verhandlungen individuell geführt und abgeschlossen werden. Genauso unbestritten ist, daß für alle Beitrittskandidaten die gleichen Maßstäbe gelten. Die Tür zur Europäischen Union bleibt offen.

 

Das zweite Schlüsselprojekt auf dem Weg zum vereinten Europa ist die Wirtschafts- und Währungsunion. Dabei ist eines gewiß: Der Euro kommt - pünktlich und als stabile Währung. Damit wird der Binnenmarkt seine politischen Wirkungen für Wachstum und Beschäftigung voll entfalten können. Der Euro stärkt die Stellung der exportorientierten europäischen Volkswirtschaften. Nur durch eine gemeinsame Währung wird es der Europäischen Union gelingen, ein Gegengewicht zu den Yen- und Dollar-Räumen zu schaffen.

 

Für mich, meine Damen und Herren - ich wiederhole es immer wieder -, ist entscheidend, daß mit dem Euro die Europäische Union als Friedens- und Freiheitsordnung für das 21. Jahrhundert noch enger zusammenwachsen wird. Mein Rat an Sie, die Sie immer wieder Berichte schreiben, ist: Lesen Sie viele deutsche Zeitungen und lernen Sie viele Meinungen kennen, aber gehen Sie, was die Bundesrepublik Deutschland betrifft, davon aus, daß der Euro kommt, wie vorgesehen - pünktlich und ohne Wenn und Aber.

 

Exzellenzen, meine Damen und Herren, die transatlantische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika und mit Kanada ist und bleibt neben der europäischen Einigung und der engen Verbundenheit mit Frankreich ein tragender Pfeiler deutscher Außenpolitik. Kern dieser Partnerschaft ist die Atlantische Allianz, die für die Sicherung von Frieden und Stabilität in Europa unverzichtbar bleibt.

 

Heute ist es unser gemeinsames Ziel, eine neue Sicherheitsarchitektur für ganz Europa zu schaffen, bei der keine neue Gräben entstehen dürfen. Für uns Deutsche mit unserer Lage inmitten des Kontinents - Deutschland ist das Land mit den meisten Grenzen in Europa - ist das eine entscheidende Voraussetzung für unsere Politik. Wir wünschen keine neuen Gräben.

 

Dabei ist es uns in diesem Jahr gelungen, einen historischen Durchbruch zu verzeichnen. Mit der Unterzeichnung der Grundakte zwischen der NATO und Rußland in Paris, der Unterzeichnung der Charta zwischen der NATO und der Ukraine sowie dem Eröffnungsbeschluß der Allianz in Madrid haben wir eine neue Ära für die europäische Sicherheit eingeleitet.

 

Ich freue mich, daß die Verhandlungen mit Polen, mit Ungarn und der tschechischen Republik erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Wir in Deutschland wollen die Beitrittsprotokolle zügig ratifizieren. Ich bin zuversichtlich, daß die eben genannten Länder der Nordatlantischen Allianz pünktlich zum 50. Gründungsjubiläum 1999 beitreten werden. - Es gilt: Die Tür der NATO bleibt auch für weitere Mitglieder offen. Dafür hat sich die Bundesrepublik Deutschland beim NATO-Gipfel in Madrid mit Nachdruck eingesetzt. Mit dem NATO-Rußland-Rat, dem europäisch-atlantischen Partnerschaftsrat und dem Programm Partnerschaft für den Frieden verfügen wir jetzt über gute Grundlagen, um die sicherheitspolitische Zusammenarbeit im euro-atlantischen Raum zu stärken. Wenn man einen Augenblick überlegt, in welcher Lage wir noch vor wenigen Jahren waren - denken Sie zehn Jahre zurück -, dann begreift man, vor welchen großen Chancen wir heute stehen.

 

Exzellenzen, meine Damen und Herren, Rußland gehört zu Europa - historisch und kulturell. Deutschland hat in besonderem Maße den Reformprozeß in Rußland und in den neuen unabhängigen Staaten auf dem Boden der früheren Sowjetunion unterstützt. Zusammen mit unseren Partnern in der Europäischen Union waren wir treibende Kraft für die Aufnahme Rußlands in den Europarat und in den Kreis der G 7. Wir wollen mit dem neuen demokratischen Rußland unsere gemeinsamen Interessen definieren. Wir wollen als Partner zusammenarbeiten.

 

Risiken für die Stabilität in Europa gehen nach wie vor von der Situation im ehemaligen Jugoslawien aus. Auch zwei Jahre nach der Unterzeichnung des in Dayton ausgehandelten Vertrages sind wir auf dem Weg in eine friedlichere Zukunft noch längst nicht am Ziel. Nur mühsam konnten bis heute in Bosnien und der gesamten Region Fortschritte erzielt werden. Ich appelliere auch von dieser Stelle aus an die politisch Verantwortlichen, mehr als bisher für die Zusammenarbeit zwischen den Volksgruppen zu tun, die Rückkehr der Flüchtlinge zu erleichtern und die Verfolgung der Kriegsverbrecher zu unterstützen. Nur so wird der Wiederaufbau des Landes gelingen können. Die Wiederaufbauhilfe der Europäischen Union ist nur dann wirklich sinnvoll, wenn es gelingt, entscheidende Fortschritte zu verwirklichen.

 

Von einer schicksalhaften Bedeutung für Europa - nicht zuletzt mit Blick auf unsere eigene Geschichte - ist auch die Entwicklung in der benachbarten Region des Nahen Ostens. Alle Parteien dort müssen erkennen, daß nur die Fortsetzung des Friedensprozesses auf lange Sicht Stabilität, Sicherheit und wirtschaftlichen Wohlstand verheißt. Deutschland hat sich beim Wiederaufbau in der Region sowohl bilateral als auch als Mitglied der Europäischen Union stark engagiert. Wir haben die Absicht, dies auch in Zukunft zu tun. Die Bundesregierung und ich selbst sind, gemeinsam mit unseren Partnern und Freunden, bereit, gerade in dieser kritischen Situation mitzuhelfen, damit sich der Gefahrenherd nicht weiter entwickelt.

 

Abrüstung und Rüstungskontrolle haben nach wie vor ihren festen Platz in unserer Politik. In Verbindung mit dem Abbau von Konfliktursachen haben sich in den vergangenen Jahren auch die Deutschen dafür engagiert, daß die Welt sicherer geworden ist. Einen Schwerpunkt bildet dabei der erfolgreiche KSE-Vertrag. Um der neuen Sicherheitslage in Europa Rechnung zu tragen, setzen wir uns für eine Öffnung des Vertrages für neue Mitglieder und für ein Regionalkonzept mit nationalen und territorialen Obergrenzen ein. Deutschland befürwortet seit Jahren mit Nachdruck ein Verbot von Antipersonenminen. Mit der Unterzeichnung des Vertrages zur Ächtung dieser heimtückischen Waffen in wenigen Tagen in Ottawa wird - so hoffen wir - ein ganz wichtiger Schritt in Richtung eines weltweiten Verbotes getan.

 

Meine Damen und Herren, in der Welt, in der wir leben, bleibt die Sicherung von Frieden und Freiheit eine globale Herausforderung. Ein weltweites gemeinsames Vorgehen wird vor dem Hintergrund von grenzüberschreitenden Problemen mit dem international organisierten Verbrechen, dem Waffenschmuggel und vor allem der Gefährdung der Umwelt immer dringender. Die Vereinten Nationen sind daher wichtiger denn je. Wir setzen uns aktiv für die Steigerung ihrer Effizienz und Leistungsfähigkeit ein. Die Bundesregierung begrüßt die Reformbemühungen von Generalsekretär Annan. Wir werden sie nachdrücklich unterstützen.

 

Die Bewahrung der Schöpfung gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an meine Umweltinitiative gemeinsam mit Brasilien, Südafrika und Singapur vor der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen im Juni. Unser Ziel ist es, die Voraussetzungen für einen effektiven und globalen Umweltschutz zu schaffen. Um der Zukunft kommender Generationen willen müssen wir unsere Anstrengungen weiter verstärken.

 

Auf der heute beginnenden Klimakonferenz in Kyoto geht es darum, ein ergänzendes Klimaprotokoll auszuhandeln, das dann wirklich verbindliche Ziele und Zeitpläne für die Reduzierung der Treibhausgase festlegt. Wir fordern gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union eine Reduzierung dieser Gase um 15 Prozent bis zum Jahre 2010. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß wir nur mit einem substantiellen Ergebnis - und zwar bald - unsere Erdatmosphäre wirkungsvoll schützen können.

 

Exzellenzen, meine Damen und Herren, die wirtschaftliche und politische Entwicklung im asiatisch-pazifischen Raum hat enorme Bedeutung und Auswirkungen. Ich denke nicht zuletzt an die Volksrepublik China und an die seit dem 1. Juni geltende rechtliche und politische Sonderstellung Hongkongs. Deutschland und die Europäische Union sind dabei, die Beziehung zu den Staaten Asiens zu einer engen Partnerschaft auszubauen. Die Einrichtung regelmäßiger europäisch-asiatischer Gipfeltreffen ist ein guter Beitrag, um den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Dialog zwischen den Ländern unserer Kontinente zu fördern. Der Prozeß der Marktöffnung und der wirtschaftlichen Liberalisierung innerhalb der Staaten der APEC wird daher mit besonderer Aufmerksamkeit von uns wahrgenommen. Trotz der Turbulenzen in letzter Zeit steht für uns fest: Die Länder der asiatisch-pazifischen Region werden in den nächsten Jahrzehnten weiter politisch und wirtschaftlich an Bedeutung gewinnen.

 

Freie wirtschaftliche Entwicklung und die Integration in der Weltwirtschaft werden auch künftig der Garant für den Erfolg aller Weltregionen sein. Wir Deutschen wissen, daß der verschärfte internationale Wettbewerb uns auch innenpolitisch vor neue Herausforderungen stellt. Er macht enorme strukturelle Reformen, vor allem bei den Steuern und Sozialversicherungssystemen, unabweisbar notwendig. Diese Veränderungen sind im Interesse von mehr Wachstum und Beschäftigung zwingend erforderlich. Ich bin ganz sicher, daß sie sich nach einer leidenschaftlicher Debatte - Sie erleben es jeden Tag - ebenso durchsetzen werden wie die vielen anderen Reformen vergangener Jahre. Sie können davon ausgehen, daß noch in diesem Jahrzehnt, das in den nächsten zwei Jahren zu Ende geht, auch diese Reformen durchgesetzt werden.

 

Besonders interessant für uns Europäer ist die Entwicklung in Lateinamerika hin zu einem offenen Regionalismus. Es freut uns, daß die Erfolgsgeschichte der europäischen Integration vielleicht doch die eine oder andere Anregung in andere Teile der Welt gegeben hat. Der Plan einer gemeinsamen Freihandelszone zwischen den Ländern des MERCOSUR und der Europäischen Union ist ein sehr wichtiger Ansatz, um weiter an dieser Konzeption zu arbeiten.

 

Erfreulich ist auch die Entwicklung bei der regionalen Zusammenarbeit zwischen den Staaten des Südlichen Afrikas und der Europäischen Union. In vielen Ländern Afrikas sind positive Entwicklungen, wie die Hinwendung zu Demokratie und Marktwirtschaft, zu verzeichnen. Im zurückliegenden Jahr haben uns aber auch schlimme Bilder aus diesem Teil der Welt erreicht. Es schmerzt uns alle, das menschliche Leid zu sehen, das aus Bürgerkriegen und ethnischen Konflikten erwächst. Diese Ereignisse zeigen uns allen, wie sehr eine politische Lösung in diesen Konfliktgebieten gebraucht wird.

 

Nur wenn der Friede eine dauerhafte Grundlage erhält und wenn günstige Rahmenbedingungen in diesen Ländern selbst geschaffen werden, kann auch die notwendige wirtschaftliche Hilfe, für die wir uns aussprechen, erfolgreich sein. Wir werden unsere Entwicklungszusammenarbeit auch 1998 - im wesentlichen auf dem derzeitigen Niveau - fortsetzen. Angesichts der im Bundeshaushalt insgesamt erforderlichen Einschränkungen zeigt dies, daß die Bundesrepublik Deutschland auch für die Zukunft ein verläßlicher und solider Partner der Entwicklungsländer bleiben wird.

 

Ich danke Ihnen allen sehr herzlich für Ihren wichtigen Dienst, für Ihre Arbeit und für die guten und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Ihren Ländern. Ich wünsche Ihnen allen, Ihren Völkern, Ihren Regierungen, vor allem auch Ihren Angehörigen und Familien, viel Glück und Erfolg und uns allen gemeinsam ein friedliches, ein gesegnetes Jahr 1998.

 

 

 

Quelle: Bulletin der Bundesregierung. Nr. 97. 5. Dezember 1997.