1. September 1996

Rede bei einem Empfang anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Forschungszentrums Jülich

 

Lieber Herr Professor Treusch,
meine Damen und Herren Abgeordnete, Exzellenzen,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Forschungszentrums Jülich,

wir haben uns heute hier versammelt, um einen Geburtstag zu begehen. 40 Jahre sind eigentlich keine lange Zeit. Aber wer auf die letzten 40 Jahre der Entwicklung in Deutschland, in Europa, in der Welt und vor allem auch in der Wissenschaftsgemeinschaft zurückschaut, der weiß, es ist eine gewaltige Wegstrecke. Deswegen habe ich sofort zugesagt, zu diesem Jubiläum heute hierherzukommen und zu Ihnen zu sprechen.

Das erste, was ich sagen will, ist ein Wort der Gratulation und des Dankes für das, was in diesen 40 Jahren hier geleistet wurde. Wir haben davon einen kleinen Einblick bei der Begrüßung durch Sie, Herr Treusch, und bei der Würdigung durch Präsident Markl bekommen. Ich bin nicht vom Fach und konnte nicht bei allem folgen. Aber jeder von uns hat Erfahrung und Kenntnis genug, um zu wissen, daß hier im weitesten Sinne des Wortes Geschichte, Wissenschaftsgeschichte und dann natürlich auch Geschichte unseres Landes und unseres Zeitalters mitgeschrieben worden ist.

Ich bin im übrigen auch hierhergekommen, um für eine gute Sache zu demonstrieren. Viele glauben ja, man könne nur gegen etwas demonstrieren. Aber, meine Damen und Herren, die deutsche Wissenschaft hat es verdient, daß wir für sie demonstrieren.

Hier in Jülich ist es in einer vorbildlichen Weise gelungen, die großartige Idee der Großforschungseinrichtungen in die Praxis umzusetzen. Dieses Beispiel hat Schule gemacht. Heute können wir auf eine eindrucksvolle und vielgestaltige Anzahl derartiger Einrichtungen in Deutschland blicken. Daß sich die Arbeitsgemeinschaft der inzwischen 16 Großforschungseinrichtungen im vergangenen Jahr den Namen "Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren" gegeben hat, ist ein in die Zukunft weisendes Signal. Der Name ist Programm.

Hermann von Helmholtz war ein Wissenschaftler, der nie den Blick für das Ganze verloren hat. Ich denke, jeder spürt es in diesen Tagen in allen Bereichen unserer Gesellschaft und unseres Staates, daß wir genau diese Fähigkeit wieder verstärkt brauchen. In unserer Zeit werden Antworten erwartet, die einzelne Fachdisziplinen alleine nicht mehr geben können. Vor allem aber bedarf es des engen Zusammenspiels zwischen Forschergeist und wirtschaftlichem Handeln.

Forschung ist für mich Ausdruck einer prinzipiellen Offenheit des Denkens und Erkennens. Sie eröffnet neue Handlungsmöglichkeiten. Sie schafft Voraussetzungen für Wandlungs- und Veränderungsfähigkeit. Ohne sie würde unser Land keine Zukunft haben. Dies gilt umso mehr angesichts der großen Aufgaben, vor denen wir heute stehen:

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die langfristige Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen,

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der Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch neue Entwicklungen,

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der verantwortliche und verantwortbare Umgang mit neuartigen Technologien, wie etwa im Bereich der Biotechnik.

Vor allem aber gehört dazu die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch neue technologische Entwicklungen.

Da wir im Jahr der Olympiade stehen, will ich es folgendermaßen sagen: Wenn wir in der Weltwirtschaft möglichst oft auf dem Siegertreppchen stehen wollen - egal ob es Gold, Silber oder Bronze ist - so müssen wir verstärkt auf neue Technologien setzen. Die Politik muß dabei nach Kräften helfen. Das ist sicher auch eine Frage des Geldes. Aber es ist ein Irrtum zu glauben - und die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen dies ganz deutlich - es ginge allein um das Geld. Vielmehr ist es vor allem eine Frage des Denkens, des Umdenkens.

Wir müssen in Deutschland erkennen, daß das Umdenken aber nicht nur Theorie bleiben kann, sondern Praxis werden muß. Dazu gehört auch, daß wir begreifen: Investitionen im Bereich der Wissenschaft sind im besten Sinne des Wortes Zukunftsinvestitionen. Das ist auch eine moralische Pflicht gerade gegenüber der Generation unserer Enkel. Mit unserer Politik setzen wir auf Eigeninitiative und Leistungbereitschaft. Der Staat kann und soll die Rahmenbedingungen setzen. Diese zu nutzen, liegt an jedem von Ihnen.

Die Erfahrungen der letzten 40 Jahre zeigen auch, daß Forschung nur in einem Klima der Aufgeschlossenheit gedeihen kann. Forschung braucht ein Klima der Sympathie und, wenn Sie so wollen, auch Wärme. Sie braucht den ganz natürlichen Stolz des gesamten Landes, daß hier Männer und Frauen etwas leisten, das weit über das Normale hinausgeht. Forschung braucht so verstanden Atmosphäre, Freiraum und Vertrauen. Deshalb ist es für uns alle, für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, eine ständige Aufgabe, die Menschen in Deutschland darüber zu informieren, welch wichtige Beiträge Wissenschaft, Forschung und Technologie zur Sicherung der Zukunft jedes einzelnen Bürgers sowie zur Erhaltung einer lebenswerten Umwelt leisten.

In der Diskussion um Forschung und Innovation sind gerade auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefordert, die Zukunftsaufgaben beim Namen zu nennen. Dazu gehört auch, ethische Fragen offen zu diskutieren und Risiken aufzuzeigen. Die Frage, ob alles erlaubt ist, was machbar ist, stellt sich heute in einer ganz anderen Dimension als in früheren Zeiten. Es ist auch wahr, daß die dramatischen Veränderungen im Bereich von Wissenschaft und Forschung Ängste in der Bevölkerung erzeugen, auf die die Politik Antworten finden muß.

In wenigen Jahren werden wir die Schwelle zum nächsten Jahrtausend übertreten. Wenn wir die Neujahrsnacht des Jahres 2000 feiern, werden sich viele bewußt sein, daß das nicht irgendein Jahreswechsel ist. Ich bin fest davon überzeugt, daß es im Vorfeld Neuauflagen von Lebensängsten sehr eigener Art geben wird. Das alles berührt, ob wir es wollen oder nicht, auch das Feld der Wissenschaft.

Deswegen kann ich nur unterstreichen, was die beiden Eröffnungsredner soeben hier über die Verständlichkeit der Sprache gesagt haben. Wissenschaftler müssen wieder lernen, in verständlicherer Sprache mitzuteilen, was sie antreibt und bewegt. Es mag fachlich notwendig und sinnvoll sein, daß Forscher unter sich ihre eigene Sprache sprechen. Dies darf aber nicht dazu führen, daß sie den Bezug zur Gesellschaft verlieren.

Daß dies nicht der Fall sein muß, haben die heute mit dem Günther-Leibfried-Preis Ausgezeichneten bewiesen. Ihnen, Herr Doktor Schroer, Frau Doktor Giesen-Seibert und Herr Doktor Urban gratuliere ich sehr herzlich. So wie Sie muß die Wissenschaft gerade in unseren Tagen die Öffentlichkeit im besten Sinne des Wortes suchen, um breite Schichten der Bevölkerung für ihre Arbeit zu interessieren. Das Forschungszentrum Jülich leistet heute mit diesem Tag der offenen Tür einen ganz wesentlichen Beitrag dazu.

Meine Damen und Herren, die Leistungsfähigkeit unserer Forschung ist unbestritten. Aber wir müssen uns auch fragen, wie Herr Markl es schon sagte, wo wir noch besser werden können. Wir haben hervorragende Forscher, wir haben exzellente Teams, wir haben traditionsreiche Forschungseinrichtungen. Ich finde, man soll das öfter sagen, als es gelegentlich gesagt wird: Forscher und Forschung in Deutschland können sich mit ihren Ergebnissen auch international sehen lassen.

Im vergangenen Jahr wurden zwei Forscher in Deutschland mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Das war wieder ein Stück Ermutigung und Ansporn. Heinz Maier-Leibnitz hat einmal gesagt: "Ein Forscher lernt arbeiten, meist über den üblichen Umfang hinaus." Eigentlich ist das eine ganz normale These, in der Diskussion unserer Tage dennoch etwas Ungewöhnliches. Aber sie ist und bleibt richtig: Unser Land braucht Menschen, Männer und Frauen, die Verantwortung übernehmen und die bereit sind, Überdurchschnittliches zu leisten.

Ich halte es für die Zukunft Deutschlands von herausragender Bedeutung, daß wir solche Leistungseliten fördern, unterstützen und motivieren. Wir haben uns in den letzten Jahrzehnten eine törichte Diskussion um den Elite-Begriff geleistet. Das war eine Torheit und hat uns geschadet. Wenn ich von "Eliten" spreche, meine ich nicht Eliten von Geburt, sondern Leistungseliten; Männer und Frauen also, die in unserer Gesellschaft mehr tun als sie tun müssen.

Das gilt in hohem Maße für die Wissenschaft, das gilt aber ebenso für viele andere Bereiche unserer Gesellschaft. Ich denke hierbei vor allem auch an die Entwicklung unserer Schulen. Es gibt viele Lehrerinnen und Lehrer, die sich jeden Tag in einer rührenden und ihrer Berufung entsprechenden Weise um die Kinder kümmern.

Darüber darf aber nicht die Begabtenförderung vergessen werden. Sie hat überhaupt nichts mit einer elitären Einstellung oder Selbstgenügsamkeit zu tun. Sie dient dem Gemeinwohl und stellt Wissen, Können, Initiative und Verantwortungsbewußtsein für kommende Generationen in den Dienst der Allgemeinheit.

Meine Damen und Herren, Wissenschaft und Politik sind Partner, die - wenn auch auf unterschiedliche Weise - letztendlich demselben Ziel dienen sollen: Beiden ist aufgegeben, zum Wohl der Menschen zu wirken und im Rahmen ihrer Möglichkeiten zur Entwicklung der Gesellschaft beizutragen. Voraussetzung hierfür aber ist, daß Wissenschaft und Politik auch miteinander reden. Das ist gar nicht so einfach. Wir haben eine Flut von modernen technischen Geräten, aber gleichzeitig müssen wir uns selbstkritisch fragen, ob wir darüber nicht die Fähigkeit verlieren, miteinander zu sprechen.

Dem Gedankenaustausch und der besseren Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik dient der von mir berufene Rat für Forschung, Technologie und Innovation. Wissenschaft, Wirtschaft, Verbände und Politik stellen sich hier gemeinsam den zentralen Zukunftsfragen unseres Landes. Ich nehme gerne die Gelegenheit wahr, Ihnen, Herr Treusch, für das zu danken, was Sie als Mitglied dort einbringen.

Eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit ist der tiefgreifende Wandel von der Industriegesellschaft zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft. Kapital, technologisches Wissen und Arbeit werden zunehmend mobiler und suchen weltweit die günstigsten Standorte. Die Arbeitslosen in Deutschland sind zum Teil ein Reflex dieser Entwicklung. Es nützt nichts zu sagen, daß es keinen technologischen Fortschritt und keine Globalisierung der Märkte geben darf.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß sich die Welt um uns herum dramatisch verändert. Ich denke dabei nicht nur an die harte Konkurrenz aus Fernost, sondern auch an die neuen Wettbewerber unmittelbar vor unserer Haustür, in den Ländern Mittel- und Osteuropas. Ich werde morgen abend zu einer kurzen Reise in die Ukraine nach Kiew aufbrechen. Dort werden wir darüber sprechen, was wir Deutsche und was wir mit unseren Partnern in der EU tun können, damit dieses Land auf die Beine kommt. Aber wenn es dort aufwärts geht, dann werden wir natürlich von dort auch mehr Konkurrenz bekommen. Das ist ein Zusammenhang, der nicht aufzulösen ist.

Setzt jedoch dort keine positive Entwicklung ein - und das gilt für ganz Südosteuropa, nicht zuletzt für Rußland - dann werden wir hier nicht Probleme sozialer Stabilität diskutieren, sondern die Frage des Friedens. Nach den Erfahrungen in diesem Jahrhundert, gerade für uns Deutsche, ist dies mit Abstand das Wichtigste.

Meine Damen und Herren, wir haben unbestreitbar in wissenschaftlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht viele Stärken. Im Ausland hat man sehr hohe Erwartungen an uns. Aber wahr ist auch, daß andere - und nicht nur in Fernost - in wichtigen Bereichen, wie zum Beispiel der Mikroelektronik, Biotechnik und Informatik, mit großen Schritten aufholen. Hier setzt die Frage an, die Sie beide, Herr Markl und Herr Treusch, gestellt haben: Inwieweit setzen wir Erkenntnisse der Forschung schnell genug in Produkte um? Es ist wahr, den Lebensstandard und das hohe Niveau sozialer Sicherheit unseres Landes werden wir nur halten können, wenn wir auch weiterhin in Forschung, Technologie und Innovation zu den Spitzenreitern gehören.

Mit dem Wissen und den Verfahren von gestern können wir nicht das Heute und die Zukunft gestalten. Deshalb braucht die Wissenschaft, braucht der einzelne Wissenschaftler ein gesellschaftliches Umfeld, das ihnen hilft und das sie trägt. Wir brauchen wieder etwas von dem, was im Pioniergeist der Gründerjahre unserer Bundesrepublik deutlich geworden ist.

In diesen Tagen feiert Nordrhein-Westfalen seinen 50. Geburtstag. Wenn Sie an die ersten zehn Jahre zurückdenken, dann vermitteln sie uns heute wertvolle Erfahrungen. Zugegebenermaßen herrschten damals völlig andere Verhältnisse. Manches war sehr viel schwieriger, manches aber auch leichter. Wenn alle gemeinsam am Abgrund stehen, ist man eher bereit, sich von dort wegzubewegen, als wenn man das Gefühl hat, einige stehen vielleicht am Abgrund, man selbst aber noch auf der sicheren Seite.

Damals erwuchs etwas, das - natürlich auch mit Hilfe der Amerikaner - den Aufbau unseres Landes ermöglicht hat - gerade auch hier in Nordrhein-Westfalen. Man hat das später ein Wirtschaftswunder genannt. Ich mag dieses Wort nicht, weil der jetzt 20jährige glauben könnte, der wiedergewonnene Wohlstand sei über Nacht vom Himmel gefallen. Es war in Wahrheit die Hilfe des Marshall-Plans, und es war die Generation, die nicht verzweifelte, die die Ärmel hochgekrempelt und zugepackt hat.

Einen solchen Neuaufbruch kann ich heute nicht per Bundestagsbeschluß herbeiführen. Ich bräuchte ja auch noch die Zustimmung des Bundesrats. Aber die Vernunft und unsere Liebe zum eigenen Land sollten uns dazu bringen, daß wir jetzt die richtigen Weichen für die Zukunft stellen.

Forschung und Wissenschaft können dabei Enormes leisten. Das gilt vor allem auch für eine bessere Umsetzung von Forschungsergebnissen in Markterfolge und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Wir sind auf wichtigen Feldern der Hochtechnologie, der Informationstechnik, der Biotechnologie, weit vorn. Aber wir wissen auch, daß wir mehr tun müssen, um einen reibungslosen Transfer von Ergebnissen in die wirtschaftliche Praxis zu gewährleisten. Deshalb müssen wir zum Beispiel darüber nachdenken, wie wir vor allem jungen Leuten aus dem Bereich der Wissenschaft die Chance geben können, wirtschaftlich tätig zu sein und etwa Technologieunternehmen zu gründen. Das geschieht in der Realität zu wenig.

Ich kenne nicht wenige Beispiele von Professoren und jungen Wissenschaftlern, die sich auf den Weg in die Wirtschaft machen. Aber dann stoßen sie auf viele Schwierigkeiten. Anstatt Hilfestellung zu geben, lautet die einfachste Antwort in Bürokratien jeglicher Art dann häufig, daß so etwas noch nie gemacht worden sei.

Ich finde, wir sollten hier mehr Ermutigung und mehr Motivation geben. Der eine oder andere, der in einem solchen Fall über einen Kredit entscheidet, sollte sich einmal daran erinnern, daß seine Bank nicht so erfolgreich geworden wäre, wenn in den 50er Jahren nach den gleichen Kriterien Kredite vergeben worden wären.

Es ist für mich eine ganz besondere Freude, daß hier im Forschungszentrum Jülich eine enge Kooperation mit der Wirtschaft selbstverständlich geworden ist. Es überrascht deshalb nicht, daß das Forschungszentrum die Drittmittel aus der Wirtschaft in den letzten fünf Jahren verdoppeln konnte. Ich wünsche Ihnen auf diesem Weg weiterhin Erfolg! Der Technologiepreis, zu dem ich Herrn Professor Grünberg noch einmal herzlich gratuliere, ist dafür ein gutes Omen. Ich möchte Sie alle bestärken, diese beispielhafte Zusammenarbeit fortzusetzen.

Die Politik kann und wird in diesem wichtigen Bereich ihren Beitrag leisten. Wir haben im Juli dieses Jahres in der Bundesregierung die Leitlinien zur strategischen Neuordnung der deutschen Forschungslandschaft formuliert. Ich hoffe sehr, daß wir bald gemeinsam mit Wissenschaft und Bundesländern konkrete Maßnahmen auf den Weg bringen können. Die Förderung der Grundlagenforschung spielt dabei eine wichtige Rolle. Sicher hat nicht alles, was wir wissenschaftlich denken und erforschen, sofort auch einen unmittelbaren Nutzen. Aber Grundlagenforschung ist der "Humusboden", auf dem eine Vielzahl neuer Ideen und Technologien überhaupt erst entstehen kann. Ich möchte im übrigen gerade auch hier in Jülich eine leidenschaftliche Lanze für die Geisteswissenschaften brechen. Wir wären ein armes Land, wenn wir bei der Philosophie oder anderen wichtigen geisteswissenschaftlichen Bereichen die Einstellung vertreten würden, daß sich das ja nicht gleich lohnt.

Meine Damen und Herren, es zeigt sich, daß allem Pessimismus zum Trotz in Deutschland eine junge Generation heranwächst, die mit einem realistischen Optimismus in die Zukunft blickt. Es ist unsere Pflicht, sie nicht zu demotivieren, sondern offen zu sagen, wo unsere Chancen, wo Fehlerquellen und Gefahren liegen. Dafür ist es wichtig, daß wir uns immer wieder bewußt machen, wo wir herkommen und wo wir stehen. Vor uns liegen entscheidende Weichenstellungen und großartige Chancen. Dabei geht es vor allem darum, daß wir uns in Europa zusammenfinden, daß wir die Entwicklung zum gemeinsamen Haus Europa unumkehrbar machen. Ein wichtiger Schritt dabei ist der Abschluß des sogenannten Maastricht-II-Vertrages.

In diesem Europa, meine Damen und Herren, und deswegen begrüße ich unsere ausländischen Gäste hier besonders herzlich, haben Forschung und Wissenschaft herausragende Bedeutung. Dabei habe ich auch nichts gegen Konkurrenzdenken, wenn dieses Konkurrenzdenken nicht in eine törichte, nationalistische Betrachtungsweise umschlägt. Aber warum sollen die Franzosen und die Deutschen in der Gemein- schaft in diesem Bereich nicht ein Stück Konkurrenz leben? Ich habe den Eindruck, daß die eigentlichen Träger der Forschung solche Probleme untereinander überhaupt nicht haben. Sie sind längst zu einer Gemeinschaft geworden, wie es den besten Erwartungen entspricht.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen allen für 40 Jahre Forschungsarbeit im Dienst unseres Landes meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen. Sie haben Ihre Aufgabe so verstanden wie das Motto dieser Veranstaltung: "Zukunft ist unsere Aufgabe".

Lassen Sie uns gemeinsam den Weg in die Zukunft gehen. In vier Jahren beginnt das nächste Jahrtausend. Wir haben heute Chancen, die sich viele Generationen vor uns erträumt haben. Es liegt an uns, diese auch zu nutzen. Die Zukunft Deutschlands als Land der Wissenschaft und einer der führenden Industrienationen hängt von jedem von uns ab, aber vor allem auch von denen, die in der Wissenschaft leben und arbeiten. Ihnen möchte ich zurufen: Sie haben allen Grund, mit Selbstvertrauen und Mut in die Zukunft zu blicken. Mit Ihrem Fleiß und mit Ihrem Engagement leisten Sie einen wichtigen Beitrag für unser Land in einem zusammenwachsenden Europa. Ich wünsche Ihnen und uns allen auf diesem Weg Glück und Erfolg.

Quelle: Bulletin der Bundesregierung. Nr. 76. 30. September 1996.