10. Mai 1991

Rede vor den Mitarbeitern der Buna-Werke in Schkopau

 

Mit der deutschen Einheit ist eine Vision Wirklichkeit geworden. Ich war immer überzeugt, dass die Einheit kommen würde. Aber ich habe nicht gewusst, dass sie zu meiner Zeit als Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland eintreten könnte. Deswegen habe ich mich bewusst und gegen alle Widerstände, die mich noch nie abgeschreckt haben, im letzten Jahr in ein ganz persönliches Engagement begeben -in einer Reihe von Entscheidungen, die ich treffen musste, zum Teil gegen viele Ratschläge und manche Proteste.

Wenn wir im vergangenen Sommer nicht gehandelt hätten in der konkreten internationalen Lage, nicht zuletzt in der Sowjetunion, hätten wir zu diesem Zeitpunkt die deutsche Einheit nicht erreicht. Ich bin voller Zweifel, ob wir sie in absehbarer Zeit erhalten hätten, jedenfalls nicht unter den optimalen internationalen Bedingungen des vergangenen Jahres.

Ich bin auch heute hierhergekommen, um für Sie zu demonstrieren, und zwar vor der Bevölkerung unseres ganzen Landes. Meine Demonstration gilt Ihnen, den Menschen dieser Region, Ihren Sorgen, aber vor allem auch Ihrer Zukunft. Wenn ich heute hierher nach Schkopau komme und nachher nach Bitterfeld gehe, will ich auch demonstrieren für die Entwicklung und die Standorte der Chemie hier in den neuen Bundesländern.

Im Deutschland von heute und von morgen muss die chemische Industrie ihren wichtigen Platz haben. Unser Land gehört zusammen mit Japan und Amerika zu den großen Industrienationen der Welt. Ohne Chemie werden wir keine moderne Industrienation bleiben. Alle, die die Unternehmen der Chemie möglichst abschaffen wollen, muss man befragen, ob sie auch Arbeitsplätze, Zukunftssicherung und Forschungskapazität dieses Landes abschaffen wollen.

Wir haben in den 40 Jahren der „alten" Bundesrepublik vor allem die traditionellen Chemie-Standorte an Rhein und Ruhr wiederaufgebaut. Jetzt muss im wiedervereinigten, größeren Deutschland das andere Standbein hinzukommen: das mitteldeutsche Chemie-Dreieck. Deswegen bin ich hier, um zu sagen: Ich werde alles tun, dass dieses Chemie-Dreieck erhalten bleibt und eine Zukunft hat. Dies ist eine Kernregion im wiedervereinigten Deutschland, deren Perspektiven die Menschen natürlich zutiefst bewegt. [...]

Gewiss stehen wir jetzt vor gewaltigen Problemen, wenn wir die wirtschaftliche, die soziale und vor allem auch die ökologische Einheit Deutschlands herstellen wollen. Diese drei Ziele sind für mich gleichwertig. Wir wollen die wirtschaftliche Einheit, das heißt angeglichene Lebensverhältnisse in möglichst kurzer Zeit. Und ich bleibe bei meiner Prognose. Dieses Ziel können wir in drei, vier, fünf Jahren erreichen.

Wir wollen weiterhin die soziale Einheit. Wir wollen, dass das Netz sozialer Sicherheit, das wir in der alten Bundesrepublik über Jahrzehnte hinweg gemeinsam geknüpft haben, hier ebenfalls möglich ist. Gemeinsam heißt übrigens auch, zusammen mit Unternehmern und Gewerkschaften. [...]

Das dritte ist die ökologische Einheit. Das ist längst keine Frage mehr, die allein unser eigenes Land betrifft, sondern das ist eine Herausforderung an die gesamte Welt. Wenn die Regenwälder in Brasilien zerstört werden, spüren wir das an unserem Klima. Wir erleben in einer dramatischen Weise hier, zu welchem Raubbau an Umwelt und Natur 40 Jahre SED-Regime geführt haben.

Die Größe der vor uns liegenden Aufgaben bringt es mit sich, dass sich viele Menschen Sorgen machen und dass sie Ängste haben. Wir sollten vorhandene Ängste nicht noch fördern, sondern realistisch und offen miteinander reden. Vor allem müssen wir mit denen sprechen, die ihren bisherigen Arbeitsplatz aufgeben müssen. Wir sollten darüber sprechen, wie wir neue Betriebsstrukturen schaffen können und wie wir das gemeinsam meistern. Das geht nicht über Nacht. Aber es geht wesentlich schneller als der Aufbau, den wir seinerzeit nach 1948 in der alten Bundesrepublik erlebt haben. Mit einem Satz: Diese Industrieregion mitten in Deutschland gehört in die allerbeste deutsche Industrietradition, und wir wollen sie in diesem Sinne auch fordern. Gerade in der chemischen Industrie sind hervorragende Arbeitskräfte, hochqualifizierte Leute zu Hause. Ihre wissenschaftliche, technische, handwerkliche und kaufmännische Fähigkeit ist Ausgangspunkt und Gewähr für die Zukunft.

Lassen Sie mich das auch einmal sagen gegenüber manchem, was Sie aus den alten Bundesländern hören: Sie können stolz darauf sein, was Sie in den Jahrzehnten unter schwierigsten Bedingungen geleistet haben. Sie haben dabei nicht auf der Sonnenseite deutscher Geschichte gestanden. Aber Sie haben unter den gegebenen Voraussetzungen Beachtliches geleistet! Gehen Sie davon aus, dass wir das überhaupt nicht vergessen. Ein Teil meines Optimismus für diese drei, vier, fünf Jahre beruht auf meinem Vertrauen in Ihren Leistungswillen. Ich weiß, dass die Menschen hier etwas leisten wollen, dass sie etwas auf die Beine stellen können und dass Sie wissen: Wir werden es schaffen können, wenn wir gemeinsam ans Werk gehen.

Viele haben sich den Neubeginn sehr viel schneller vorgestellt. Bei meinen Reden vor Millionen Menschen hier sind die Passagen über die notwendigen Opfer in der Freude über die Einheit bei vielen untergegangen. Es ist auch wahr, in diesen Monaten hätte manches besser laufen können. Ich sage Ihnen das ganz offen. Wenn wir etwa statt im Dezember bereits im Oktober beim Erreichen der deutschen Einheit gewählt hätten, hätten wir sicherlich ein Vierteljahr gewonnen.

Jetzt verfügen Sie seit elf Monaten über die D-Mark, und die deutsche Einheit ist gerade sieben Monate alt. In den Betrieben hier in den neuen Bundesländern haben wir zum Teil erhebliche Probleme. Hinzu kommen Schwierigkeiten von außen, die unvorhersehbar waren - aber auch manches unnötige Hin und Her.

Sie erleben in diesen Tagen die ärgerliche Diskussion um die Wohnungsneubauten, die wir mit der Sowjetunion vereinbart haben für die Unterbringung der zurückkehrenden sowjetischen Soldaten in ihr Land. Die Tatsache, dass es sehr schwer ist in der akuten Umbruchsituation der Sowjetunion alte Betriebsverbindungen wiederzubeleben, brauche ich Ihnen nicht näher zu erläutern. Aber die Sowjetunion ist und bleibt ein großer Markt. Ich bin nicht bereit, diesen Markt aufzugeben wegen der momentanen aktuellen Schwierigkeiten.

Im Osthandel müssen wir eine Durststrecke durchstehen. Dennoch setze ich auch für die Zukunft darauf, dass es gelingt, die Wirtschaftsbeziehungen zu den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas auf neue marktwirtschaftliche Grundlagen zu stellen und auszubauen. Darum wollen wir den Übergang auch dort, wo es möglich ist, finanziell begleiten.

Es ist unausweichlich, dass sich die Chemie hier im Chemie-Dreieck auf einen wettbewerbsfähigen Kern hinentwickelt. Gerade darin liegt eine Zukunftschance. Denn ohne einen wettbewerbsfähigen Kern, der weltmarktfähig ist, werden wir keine sicheren Arbeitsplätze haben.

Gegenwärtig wird in enger Abstimmung mit der Landesregierung von Sachsen-Anhalt, mit den Chemie-Unternehmen, mit ihren Betriebsräten und mit der Industriegewerkschaft Chemie an einem Gesamtkonzept der Treuhand für die chemische Industrie gearbeitet. Ich habe guten Grund zu der Annahme, dass diese Standorte gesichert werden können. Sie können darauf vertrauen: Ich setze mich mit meinem ganzen Einfluss und mit meiner ganzen Kraft für dieses Ziel ein. Ich will mich gleichzeitig dafür einsetzen, dass parallel dazu in der Region neue Strukturen entwickelt werden, wie wir sie in den Chemie-Standorten in der „alten" Bundesrepublik auch haben. Wir müssen gemeinsam aktiv daran arbeiten, dass die chemische Industrie in der ganzen Region einer der wichtigen Arbeitgeber bleibt.

Wir haben dabei riesige Probleme zu lösen - an erster Stelle im Umweltbereich. Wir wissen, dass zur ökologischen Sanierung massive öffentliche Investitionen erforderlich sind. Wir wissen auch sehr genau, dass Investoren, die neu hierherkommen, kaum bereit sind, Altlasten zu übernehmen, und dass wir nach Mitteln und Wegen für vernünftige Kompromisse suchen müssen.

Als vorrangige Aufgabe für den Staat kommen massive öffentliche Infrastruktur-Investitionen hinzu. Wir müssen etwa die Verkehrsverbindungen und die technische Kommunikation zügig verbessern.

Für Buna und Leuna hat die Treuhandanstalt jetzt ein Investitionsprogramm von jeweils 250 Mill. DM beschlossen. Wir fördern im Rahmen der Hilfen der Bundesregierung Umweltschutz-Pilotprojekte hier im Chemie-Dreieck Buna-Leuna-Bitterfeld. Es geht dabei um eine umweltverträgliche Umstrukturierung der gesamten Region. [...] Mittlerweile wurden 75 Kooperationsvereinbarungen Östlicher Chemie-Betriebe mit westdeutschen Unternehmen vereinbart. Ich halte das schon für einen beachtlichen Schritt. Aber dies ist durchaus noch erweiterungsfähig.

Ich sage Ihnen ganz offen: Wer jetzt als Unternehmer weitsichtig handelt, weiß, dass sich Investitionen in den neuen Bundesländern zwar nicht kurzfristig, aber auf einen längeren Zeitraum gesehen rechnen. Investitionen in den neuen Bundesländern sind ein zukunftsträchtiges Engagement. Viele Standorte - ich hoffe, wir können es dann vergleichen, - werden in den neuen Bundesländern in wenigen Jahren besser sein als manche Betriebe in der alten Bundesrepublik. Das ist meine feste Überzeugung. Dies sage ich überall, in den alten Bundesländern, in Brüssel oder sonst wo und nicht nur hier bei Ihnen.

In der Übergangszeit ist es vor allem für diejenigen, die jetzt Arbeitsplätze verlieren, wichtig, dass wir mit Arbeitsbeschaffungs- und mit Qualifizierungsmaßnahmen helfen. Wir haben dafür Milliardenbeträge zur Verfügung gestellt in einer Größenordnung, wie sie noch nie in einer modernen Industriegesellschaft mobilisiert wurde. Mir geht es aber darum, dass Sie die Chance zur Qualifizierung nutzen. Denn Qualifizierung - das gilt nicht nur für die Menschen hier, das gilt für jede moderne Industriegesellschaft - ist die große Herausforderung zur Vorbereitung auf die Welt von morgen.

Deswegen sage ich Ihnen auch ein Wort zum Thema Berufsausbildung: Wir haben vor einigen Jahren - 1983/84 - mit einer gewaltigen Anstrengung die geburtenstarken Jahrgänge der sechziger Jahre in der alten Bundesrepublik in Lehrverhältnisse gebracht. Die Zahl Jugendlicher hier in der früheren DDR, die jetzt eine Lehrstelle suchen, ist wesentlich geringer. Ich bin ganz sicher, dass wir für die allermeisten von ihnen, die einen Ausbildungsplatz benötigen, gute Lösungen finden. Soweit Sie Einfluss darauf haben - ob in der eigenen Familie, bei Verwandten oder bei Freunden -, sagen Sie jungen Leuten, dass sie jetzt die Angebote wahrnehmen sollten, in zukunftweisende Berufe zu gehen und eine erstklassige Ausbildung zu erhalten.

Es ist für mich eines der wichtigsten Ziele der Bundesregierung, dass auch hier in den neuen Bundesländern möglichst viele Jugendliche mit ihrer Ausbildung ein solides Fundament für ihren Lebensweg legen. Für unser Gemeinwesen wäre es eine schlechte Sache, wenn junge Leute beim Verlassen der Schule und beim Eintritt in die Welt der Erwachsenen als erstes Arbeitslosigkeit erfuhren. Was wir brauchen, sind bestausgebildete junge Leute für die Zukunft unseres Landes!

Ich bin ganz sicher, dass auch hier in dieser Region das „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost" Wirkung zeigen wird. Zwischen Sommer 1990 und Weihnachten 1991 stehen über 100 Mrd. DM für den Aufbau in den neuen Bundesländern bereit. Diese ungeheuer große Summe ist vollständig für den Anschuss der Entwicklung hier bei Ihnen vorgesehen.

Die Wirtschaft der „alten" Bundesrepublik hat im letzten Jahr an der deutschen Einheit hervorragend verdient. Wenn im letzten Jahr das Wachstum des Bruttosozialprodukts bei 4,5 Prozent lag, weiß ich, dass wir ohne die deutsche Einheit mit Sicherheit niedriger gelegen hätten. Wenn die Gewinne, die dort gemacht werden, jetzt in die neuen Bundesländer fließen, halte ich das für einen selbstverständlichen Akt der Solidarität.

Wir haben auf meine persönliche Initiative jetzt eine Sonderhilfe in Höhe von 5 Mrd. DM für Investitionen, für Reparaturen und anderes an die Gemeinden gegeben - je Einwohner 300 DM. Das Programm dient nicht zuletzt dazu, die Bauwirtschaft in Gang zu bringen und so vielen Initiativen zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn sich bis zum Sommer die neuen Bundesländer in große Baustellen verwandeln, ist ein wichtiges Ziel erreicht. [...] Mir geht es darum - und deswegen habe ich die 5 Mrd. DM für kommunale Investitionen angesprochen -, dass Sie Ihre Möglichkeiten in den Gemeinden und in den Städten zügig nutzen. Es hilft Ihnen allen, wenn die vorhandenen Mittel jetzt schnell und wirksam in Aufträge und Arbeitsplätze umgesetzt werden.

Angesichts der Größenordnung von 100 Mrd. DM, die wir für die neuen Bundesländer in nur 18 Monaten insgesamt aufbringen, kann eigentlich kein neues Bundesland und keine Kommune sagen: Wir haben nicht genug Geld hierfür. Das heißt, es ist jetzt für vieles das Notwendige an materieller Unterstützung da. Jetzt gilt es wirklich, unbürokratisch und mutig zu entscheiden und auch Ideen zu haben. Sie alle sollten jetzt diese Gelegenheit wahrnehmen, den Blick auf die Zukunft richten und die Dinge mutig gestalten. Wenn der Staat und die Privatwirtschaft allein in diesem Jahr rund 60 Mrd. DM in Maschinen, Anlagen, Bauten und Infrastruktur investieren, dann hat das Wirkungen. [...]

Trotzdem - und ich rede hier die Lage nicht schön - weiß ich, dass dies eine schwierige Übergangszeit ist. Es geht darum, ein wirkliches Gemeinschaftswerk auf die Beine zu stellen. Das heißt konkret auf diesen Betrieb bezogen, dass der Betrieb in seiner künftigen Gestalt weltmarktfähig ist, dass er genauso erfolgreich auftritt in Amerika, in Brasilien oder sonst wo wie Chemiebetriebe aus den alten Bundesländern, wie die BASF, Bayer oder die Farbwerke Hoechst. Das werden wir erreichen. Es stehen alle Zeichen dafür.

Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass diejenigen, die dann nicht mehr in diesem Betrieb sind, am Aufschwung teilhaben. Dazu muss diese Region wieder eine blühende Industrielandschaft werden, in der Sie auch unter ökologischen Gesichtspunkten alle die Überzeugung haben können: Dies ist unsere Heimat. Es liegt nicht im Interesse einer vernünftigen Politik, dass die Menschen hier weggehen. Im Gegenteil. Mein Interesse ist, dass möglichst viele, die weggegangen sind, wieder den Weg zurück in die alte Heimat finden. Denn was wir brauchen, ist nicht eine Völkerwanderung von Ost nach West, sondern eine Stabilität in der regionalen und der wirtschaftlichen Struktur unseres ganzen Landes.

Sie haben einen ganz wesentlichen Anteil daran gehabt, dass 1989 die große Wende möglich wurde. Die deutsche Einheit ist vor allem auch Ihr Werk, und die deutsche Einheit ist das Werk vieler in den Ländern Europas und jenseits des Atlantik, von Michail Gorbatschow bis zu der EG, von George Bush bis zu unseren Nachbarn in Polen und Ungarn, die ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass die Öffnung der Grenze zwischen Österreich und Ungarn im Sommer 1989 und damit der entscheidende Schritt zum Fall der Berliner Mauer möglich wurde. Ich sage dies voller Dankbarkeit. [...] Ich weiß zugleich um meine Verpflichtung; aber ich füge hinzu, auch um die Ihre.

Der 3. Oktober 1990 hat uns die deutsche Einheit und die staatliche Souveränität gebracht. Wir arbeiten jetzt - und wir werden Erfolg haben - an der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Einheit. Aber es bleibt dann immer noch die Frage, ob wir, ob die Menschen zueinander kommen, ob wir nach jahrzehntelanger Trennung - es sind ganze Generationen in dieser Trennung aufgewachsen - immer noch denken: Wir hüben und die drüben oder auch umgekehrt. Es ist meine Hoffnung, dass wir fähig sind aufeinander zuzugehen. [...]

„Deutschland einig Vaterland", so haben wir gemeinsam gesungen und gefühlt. Für mich und für Sie sind es sicherlich unvergessliche Stunden. Wir haben noch viel zu tun, vor allem auch im menschlichen Miteinander, bis das begonnene Werk der deutschen Einheit vollendet ist. Da kommen Erinnerungen und Erfahrungen hoch, die besonders Sie mit dem, was jetzt „alte Strukturen" genannt wird, haben. Dazu gehören die erschütternden Machenschaften der Stasi und manches andere. Wir müssen dies gemeinsam verarbeiten und über allem zueinander finden.

Bei vielem, was jetzt zu tun ist, höre ich: „Das geht nicht" oder: „Das haben wir noch nie gemacht". Dann kann ich nur sagen: Wir haben vorher auch noch nie die deutsche Einheit vollzogen. Und ich hoffe, es wird nie wieder eine Zeit geben, wo die deutsche Einheit erneut hergestellt werden muss. Jetzt besteht für uns Deutsche die Chance, im letzten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts Werke des Friedens zu tun.

Vor den jungen Menschen öffnen sich Perspektiven, wie sie noch nie für eine Generation junger Deutscher bestanden haben: Nämlich zeit ihres Lebens in Frieden und in Freiheit leben zu können, frei und ungehindert die Welt erfahren zu können, einem Volk anzugehören, das Respekt und Achtung genießt und seinen Beitrag - im besten Sinne des Wortes - zum Weltfrieden leistet. Das ist meine kurze Botschaft.

Ich bin nicht hergekommen, um Ihnen Versprechungen zu machen. Ich bin hergekommen, um Ihnen zu sagen: Wir wollen, dass hier in Ihrer Region die Chemie weiterexistiert. Wir wollen, dass die Menschen hier in diesem Betrieb sagen können: „Dies ist unser Betrieb, und wir sind stolz darauf, hier etwas auf die Beine zu stellen. Wir sind genauso gut wie die Arbeiter und Angestellten in Leverkusen, in Ludwigshafen oder in Frankfurt." [...] Wir werden alles tun, um in dieser Zeit neue Arbeitsplätze zu schaffen, Qualifizierungen zu ermöglichen und damit die Zukunft für die Region zu sichern.

Wir wollen dann stolz darauf sein - Sie vor allem, dass Ihre Heimat eine Heimat sein wird, in der es sich lohnt zu leben, in der man zu Hause ist, in der man seine persönlichen Beziehungen hat, in Familie und Freundeskreis, in Vereinen und all dem, was das Leben lebenswert und auch liebenswert macht. Ich will Ihnen dabei helfen.

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung Nr. 53 (17. Mai 1991).