12. Juni 1992

Rede auf der UN-Konferenz Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro

 

I.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Generalsekretär, Exzellenzen, meine Damen und Herren!

[...] Von dieser Konferenz in Rio de Janeiro muss eine Botschaft ausgehen -die Botschaft der Solidarität, der gleichberechtigten Partnerschaft aller Völker und der gemeinsamen Verantwortung für die eine Welt. Wir leben in einer Zeit dramatischer Veränderungen. Wir in Deutschland haben in besonderer Weise erfahren, welch große Chance und Herausforderung dies für uns alle bedeutet.

Dies aufnehmen heißt auch: Weltweiten Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung durch gemeinsames Handeln von Industrie- und Entwicklungsländern zu sichern. Die Industrieländer müssen sich dabei ihrer besonderen Verantwortung bewusst sein. Wir sind deshalb gefordert, künftig weit sorgsamer als bisher mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Wir müssen vorhandene technologische Möglichkeiten besser ausschöpfen und neue umweltgerechte Techniken entwickeln. Diese Kenntnisse wollen wir auch einsetzen, um den Entwicklungsländern bei ihrer Entwicklung zur Seite zu stehen. Dafür brauchen sie unsere Unterstützung. Entscheidend dafür sind auch nationale und internationale Rahmenbedingungen, die eine ökologisch verträgliche Entwicklung sichern. Deshalb will ich meinen Beitrag für einen erfolgreichen Abschluss der GATT-Verhandlungen leisten.

II.

Diese Konferenz hat gute Fortschritte gebracht. Wir haben einen Prozess neuer weltweiter Partnerschaft in Gang gebracht. Die Agenda 21, die Rio-Deklaration und die Erklärung zu Wäldern sind eine tragfähige Grundlage für weitere konkrete Maßnahmen. Die Konvention zur Artenvielfalt und die Klimaschutzkonvention werden zu einem wirksameren globalen Schutz der Umwelt beitragen. Deshalb werde ich beide Konventionen hier unterzeichnen.

In den kommenden Jahren müssen weitere Schritte zur Reduzierung der Treibhausgase folgen. Deutschland hat als erstes großes Industrieland für das Jahr 2005 das Ziel einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 25 bis 30 Prozent beschlossen. Wir sehen dies als Signal für ein gemeinsames Vorgehen aller Industriestaaten. Ich lade zur ersten Folgekonferenz der Klimaschutzkonvention nach Deutschland ein.

Der Schutz der Wälder weltweit ist mir seit langem ein besonderes Anliegen, und ich begrüße deshalb auch die Initiative von Präsident George Bush. Ich hoffe, dass wir trotz aller Schwierigkeiten eine Waldkonvention erreichen werden. Diese wird zusammen mit der beabsichtigten Wüstenkonvention zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen beitragen.

III.

Wir Deutsche stehen nach der Wiedervereinigung unseres Vaterlands vor besonderen Herausforderungen:

Erstens: Wir stehen in der Verantwortung gegenüber 17 Millionen Landsleuten, die sich für die Freiheit und für die Einheit unseres Landes entschieden haben. Sie verlangen nun zu Recht gleiche Chancen auch für ihre Zukunft. Dies verlangt von uns noch große Anstrengungen. Zweitens: Deutschland empfindet gegenüber seinen Nachbarn in Mittel-, Ost- und Südosteuropa eine besondere Verantwortung. Wir unterstützen deshalb den demokratischen und wirtschaftlichen Aufbau in diesen Ländern mit einem großen Hilfsprogramm. Drittens: Trotz dieser großen Anstrengungen sind wir fest entschlossen, unserer Verantwortung für die Entwicklungsländer gerecht zu werden. Wir wissen, dass dies auch ein Beitrag zu Sicherung unserer eigenen Zukunft ist.

Wir bekennen uns deshalb zur Verstärkung der öffentlichen Entwicklungshilfe und bestätigen ausdrücklich das 0,7-Prozent-Ziel. Wir wollen so bald wie möglich erreichen, dass hierfür 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts eingesetzt werden. Dabei weise ich daraufhin, dass die Hilfen Deutschlands für seine östlichen Nachbarn angemessen zu berücksichtigen sind.

Deutschland schlägt für globale Umweltmaßnahmen eine Aufstockung der Globalen Umweltfazilität (GEF) um 3 Milliarden Sonderziehungsrechte vor. Wir sind bereit, unseren Anteil dazu zu leisten, und bitten die anderen Industrieländer, ebenso zu handeln. Wir wollen, dass bei der Vergabe dieser Mittel, die Entwicklungsländern einen angemessenen Einfluss erhalten.

Deutschland hat in der Vergangenheit bereits in großem Umfang Schuldenerlasse gewährt. Bisher haben wir auf Forderungen von rund 9 Milliarden D-Mark verzichtet. Weitere Entschuldungen zugunsten ärmerer Länder gegen entsprechende Umweltschutzmaßnahmen wollen wir gemeinsam mit anderen Staaten vornehmen. Die Entwicklungsländer sollen damit zusätzliche Möglichkeiten erhalten, ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Einklang mit der Natur voranzubringen.

IV.

Eine gute Entwicklung ist nur möglich, wenn wir die Gegensätze nicht nur zwischen den Völkern abbauen, sondern auch zwischen Mensch und Natur. Eine friedliche Zukunft der Menschheit wird nur gesichert sein, wenn wir auch den Frieden mit der Natur finden.

Dieser Erdgipfel belegt auch, wie richtig es war, dass ich 1988 beim Wirtschaftsgipfel in Toronto angeregt habe, den globalen Umweltschutz zu einem ständigen Anliegen der sieben Industrienationen zu machen. Kommende Generationen werden unser Handeln in erster Linie daran messen, ob wir unserer Verpflichtung zur Bewahrung der Schöpfung und auch zur Bekämpfung der Armut nachgekommen sind. In ihrem Interesse wollen wir alle diese lebenswichtige Aufgabe fortan in den Mittelpunkt der internationalen Politik stellen.

Dieses Treffen von Rio hat uns dabei vorangebracht. Wir haben einen dynamischen Prozess eingeleitet, der uns in weltweiter Partnerschaft bei der Lösung der drängenden Zukunftsfragen der Menschheit voranbringen wird. Die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich zu dieser Verantwortung.

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung Nr. 66 (17. Juni 1992).