12. März 1997

Rede anlässlich des "Münchner Spitzengesprächs der deutschen Wirtschaft" in München

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

I.

 

unser heutiges Gespräch findet statt in einer Zeit grundlegender Weichenstellungen. Wir müssen unser Land vorbereiten für eine gute Zukunft im 21. Jahrhundert. Wir wollen, daß Deutschland im internationalen Wettbewerb der Standorte auch in Zukunft zur Spitzengruppe gehört. Deshalb müssen wir die Chancen der Globalisierung entschlossen für uns nutzen.

 

Zugleich müssen wir die unerträglich hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland mit aller Entschiedenheit bekämpfen. Und wir müssen uns auf den dramatischen demographischen Wandel in unserer Gesellschaft rechtzeitig einstellen. Wir haben viel zu tun - aber wir haben keinen Anlaß zur Resignation. Wir werden unsere Probleme aus eigener Kraft lösen.

 

Der Standort Deutschland hat gute Voraussetzungen. Wir verfügen über eine erstklassige Infrastruktur, haben hochqualifizierte Arbeitnehmer mit einem weltweit anerkannten dualen Berufsausbildungssystem und besitzen eine ausgewogene Wirtschaftsstruktur mit einem leistungsfähigen Mittelstand. Zugleich beneiden uns viele um unsere hohe wirtschaftliche und soziale Stabilität. Hierauf müssen wir weiter setzen, um den Standort Deutschland durchgreifend zu modernisieren und auf die Zukunft vorzubereiten.

 

Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Reformen durchgesetzt. Dies geschieht nicht punktuell oder zufällig, sondern nach einem klaren Gesamtkonzept, das wir vor über einem Jahr mit dem 50-Punkte-Programm auf den Weg gebracht haben.

 

Von unseren Maßnahmen zur Standortverbesserung und zum Abbau der Arbeitslosigkeit nenne ich hier nur einige wenige Beispiele:

 

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Wir haben 1994 ein neues Arbeitszeitgesetz beschlossen, mit dem die durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit deutlich verlängert und Sonntagsarbeit erheblich erleichtert wurde.

 

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Wir haben die Schwelle für den Kündigungsschutz von fünf auf zehn Arbeitnehmer heraufgesetzt und damit mittelständischen Betrieben Neueinstellungen erleichtert.

 

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Wir haben das Arbeitsrecht modernisiert und so den Abschluß befristeter Arbeitsverträge wesentlich erleichtert. Damit können etwa regelmäßig anfallende Überstunden abgebaut und in Arbeitsplätze umgewandelt werden.

 

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Wir haben die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. Dadurch wurden tarifvertragliche Veränderungen möglich, die zu Kostenentlastungen in einer Größenordnung von insgesamt über zehn Milliarden D-Mark geführt haben.

 

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Wir haben die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Investoren wesentlich verkürzt und vereinfacht. Zusätzlich haben wir das Gentechnikrecht verbessert.

 

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Wir haben die Privatisierung der Bundesbahn und der Bundespost unwiderruflich auf den Weg gebracht. Der Gang der Telekom an die Börse war nicht nur finanziell ein voller Erfolg. Er hat neuen Schub für die dringend notwendige Belebung der Aktien- und Wagniskapitalkultur in Deutschland gebracht.

 

 

Die konjunkturellen Perspektiven haben sich inzwischen verbessert. So bestätigen jüngste Unternehmensumfragen des Münchner Ifo-Instituts, daß sich der konjunkturelle Horizont zunehmend aufhellt. Auftragseingänge und Industrieproduktion sind zu Jahresbeginn gestiegen.

 

Es gibt auch erste Anzeichen, daß das lebhafte Exportgeschäft jetzt auch die Investitionen und damit die Inlandskonjunktur in Gang bringt. Die Bundesregierung rechnet deshalb ebenso wie die meisten Konjunkturexperten für dieses Jahr mit einem realen Wachstum von plus zweieinhalb Prozent. Aber: Die Investitionstätigkeit in unserem Land ist noch keineswegs befriedigend - die Lage am Arbeitsmarkt bedrückend und inakzeptabel.

 

II.

 

Die Bundesregierung treibt deshalb die notwendigen Reformen entschlossen voran. In diesen Tagen und Wochen fallen hierzu weitreichende Entscheidungen:

 

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Die Koalition hat ein klares Konzept für die große Steuerreform vorgelegt.

 

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Wir werden in dieser Woche im CDU-Bundesvorstand Eckwerte zur Reform der Alterssicherung vereinbaren.

 

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Wir haben in der Koalition Eckpunkte für die dritte Stufe der Gesundheitsreform beschlossen.

 

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Wir werden in diesem Monat die Reform der Arbeitsförderung abschließend beraten.

 

 

Hinzu kommt: Die Investitions- und beschäftigungsfeindliche Vermögensteuer wird seit Anfang 1997 nicht mehr erhoben. Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ab 1998 hat die Koalition aus CDU/CSU und FDP am 28. Februar 1997 im Bundestag durchgesetzt. Ich appelliere an den Bundesrat, der mehr als überfälligen Abschaffung dieser Steuer endlich zuzustimmen.

 

Die große Steuerreform werden wir jetzt mit ganzer Kraft vorantreiben. Die Vorschläge der Steuerreformkommission sind dafür eine gute Grundlage. Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt, daß wir alles tun, damit die Arbeitslosigkeit möglichst schnell abgebaut wird - durch mehr Investitionen und Arbeitsplätze. Hier stehen wir alle in einer gemeinsamen Verantwortung. Von der SPD erwarte ich deshalb, daß wir die begonnenen Gespräche ohne parteitaktisches Verhalten ebenso zügig wie zielführend fortsetzen.

 

Wir wollen den "großen Wurf" - eine Steuerreform ohne Halbheiten, die Bürgern und Investoren eine gute Perspektive für das 21. Jahrhundert eröffnet. Ich bin nachdrücklich dafür, die öffentliche Diskussion sachlich und nüchtern zu führen. Für Kritik an Einzelpunkten bin ich immer offen. Aber Zielrichtung und Erfolg des gesamten Vorhabens dürfen nicht gefährdet werden.

 

Die große Steuerreform wird planmäßig in zwei Stufen in Kraft gesetzt. Der Großteil der Reformen soll am 1. Januar 1999 wirksam werden. Bundesminister Waigel wird den Referentenentwurf hierzu noch in dieser Woche - am 14. März 1997 - vorlegen. Die unternehmensbezogenen Steuern sollen bereits ein Jahr früher gesenkt werden - also schon zum 1. Januar 1998. Das Kabinett wird über diesen Gesetzentwurf zur 1. Stufe in einer Woche - am 18. März 1997 - beschließen.

 

Ich bin ebenso offen für Überlegungen, weitere Teile der Steuerreform schon auf 1998 vorzuziehen. Entscheidend bleibt allerdings, daß das Gesamtkonzept gewahrt und die notwendige Gegenfinanzierung gesichert ist. Und wenn das Vorziehen der verminderten betrieblichen Abschreibungen ebenfalls auf 1998 dazu führt, daß die Wirtschaft beschäftigungsschaffende Investitionen bereits 1997 tätigt, kann ich das aus Arbeitsmarktsicht nur begrüßen.

 

Kernziel der Steuerreform ist und bleibt es, die Einkommen- und Körperschaftsteuersätze auf das niedrigste Niveau seit 50 Jahren zu senken. Bei Personengesellschaften und Einzelfirmen, also bei 90 Prozent aller Betriebe in Deutschland, wollen wir den Spitzensteuersatz auf 35 Prozent zurückführen. Dies ist niedriger als in allen anderen wichtigen Industrieländern.

 

Bei der Körperschaftsteuer werden wir einen guten Platz im Mittelfeld einnehmen. Den Körperschaftsteuersatz für einbehaltene Gewinne wollen wir von 45 auf 35 Prozent, für ausgeschüttete Gewinne von 30 auf 25 Prozent senken. Damit werden die Steuersätze in Deutschland künftig gegenüber allen großen Industrieländern wettbewerbsfähig sein. Im Gegenzug werden künftig auch jene Steuern zahlen, die sich bisher durch Ausnutzen steuerlicher Ausnahmen und Sonderregelungen faktisch Steuerfreiheit verschafft haben. Das begrüße ich.

 

Insgesamt wollen wir die Steuerzahler netto um bis zu 30 Milliarden D-Mark entlasten. Die deutsche Wirtschaft soll netto nahezu 13 Milliarden D-Mark weniger Steuern zahlen. Für mich gibt es keinerlei Zweifel: Die Steuerreform hat höchste Priorität für Wachstum und Arbeitsplätze.

 

III.

 

Das zweite wichtige Reformfeld ist die Alterssicherung. Wir müssen insbesondere den dramatischen Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung Rechnung tragen. Heute sind rund 13 Millionen Deutsche 65 Jahre und älter. Im Jahr 2030 werden es bereits 19 Millionen Menschen sein, und ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird von heute 15 Prozent auf rund 27 Prozent steigen.

 

Deutschland zählt zu den Ländern mit der niedrigsten Geburtenrate in Europa. Hinzu kommt, daß die Zeit produktiver Erwerbstätigkeit immer kürzer wird, weil die Ausbildungszeiten immer länger geworden sind und das durchschnittliche Renten-Eintrittsalter immer weiter gesunken ist.

 

Vor diesem Hintergrund müssen wir die Renten auf ein solides Fundament für das 21. Jahrhundert stellen. Zugleich wollen wir damit auch die Lohnzusatzkosten auf Arbeitsplätze in Deutschland dauerhaft und zuverlässig begrenzen. Die Rentenreformkommission unter Bundesminister Blüm hat wichtige Vorarbeit geleistet. Folgende Eckpunkte stehen zur Entscheidung:

 

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Die lohn- und beitragsbezogene Rente muß für die Zukunft gesichert, das Versicherungsprinzip gestärkt werden.

 

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Die Dynamik der Rentenanpassung soll abgeflacht und das Rentenniveau mittelfristig auf 64 Prozent gesenkt werden, und zwar ohne daß es zu Rentenkürzungen kommt - gebremst werden muß der jährliche Zuwachs der Rente.

 

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Die Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente soll grundlegend umgestaltet und von Arbeitsmarktrisiken befreit werden, also nur noch auf den Gesundheitszustand der Versicherten abstellen.

 

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Die Eigenversorgung und Eigenverantwortung im privaten und betrieblichen Bereich sollen gestärkt werden.

 

 

In einer zweiten Stufe der Rentenreform werden wir die notwendigen Schlußfolgerungen für die Hinterbliebenenversorgung ziehen. In diesem Zusammenhang werden wir auch über die Neuordnung der familienpolitischen Leistungen einschließlich der Familienkasse entscheiden.

 

Als grundsätzliche Alternative hat Ministerpräsident Biedenkopf das Konzept einer Grundsicherung im Alter zur Diskussion gestellt. Bei der Tragweite der anstehenden Entscheidungen ist es gut, sich auch mit einer Alternative zum gegenwärtigen System intensiv zu beschäftigen. Die CDU wird bis zum 19. März die notwendigen Entscheidungen treffen.

 

Für mich ist entscheidend: Angesichts der dramatischen gesellschaftlichen Veränderungen verlangt die Solidarität einen gerechten Ausgleich der Belastungen zwischen jung und alt. Die Investoren brauchen ein verläßliches Signal, daß der Rentenversicherungsbeitrag vermindert und stabil gehalten wird, so daß die gesetzlichen Lohnzusatzkosten sinken können. Wenn es zu einer Umfinanzierung sogenannter versicherungsfremder Leistungen in der Sozialversicherung kommt, muß ein höherer Bundeszuschuß sich unmittelbar in einer Senkung der Beitragssätze auswirken.

 

Wie bei der Rentenreform 1992 strebe ich einen parteiübergreifenden Rentenkonsens an. Ich will möglichst bald Klarheit für Rentner, Beitragszahler und Arbeitgeber schaffen.

 

IV.

 

Die Koalition hat sich gestern auf Eckwerte für die dritte Stufe der Gesundheitsreform verständigt. Die Kostendynamik im Gesundheitssystem wird gebremst - und dieser Teil des Lohnzusatzkosten-Anstiegs begrenzt. 1991 haben gesetzliche Krankenkassen 173 Milliarden D-Mark für ihre Versicherten ausgegeben. Nur fünf Jahre später, Ende 1996, waren es bereits 235 Milliarden D-Mark, also 62 Milliarden D-Mark mehr. Das hat gewiß nicht nur etwas mit dem Krankheitszustand der Menschen zu tun.

 

Auch künftig muß niemand auf medizinisch notwendige Leistungen verzichten. Aber wir brauchen eine neue, dauerhaft tragfähige Balance zwischen unverzichtbarer Solidarität unter den Versicherten einerseits und der notwendigen Eigenverantwortung der Versicherten andererseits. Wir wollen deshalb die Selbstbeteiligung der Versicherten, zum Beispiel für Arzneimittel und Klinikaufenthalte, um fünf D-Mark beziehungsweise fünf Prozentpunkte erhöhen. Der Schutz sozial Schwacher und chronisch Kranker ist durch Härtefallregelungen weiter gewährleistet.

 

Zugleich wollen wir Beitragssatzerhöhungen der Kassen an höhere Zuzahlungen der Versicherten koppeln. Nur so erhöhen wir den Druck auf die Krankenkassen, Einsparreserven voll zu nutzen, um Beitragssatzanhebungen möglichst zu vermeiden.

 

Damit es zu mehr Wettbewerb zwischen den etwa 700 Krankenkassen kommt, muß es den Mitgliedern im Falle von Beitragserhöhungen kurzfristig möglich sein, zu kündigen und zu einer günstigeren Krankenkasse zu wechseln. Insoweit tragen natürlich auch die Arbeitgeber in den Selbstverwaltungsorganen der Kassen eine besondere Verantwortung für eine effektive und wirtschaftliche Verwendung der Beitragsmittel.

 

Die Bundesregierung ihrerseits steht weiter zur gemeinsamen Vereinbarung mit Wirtschaft und Gewerkschaften vom 23. Januar 1996, die Beiträge zur Sozialversicherung bis zum Jahr 2000 wieder auf unter 40 Prozent zu senken. Mit den Reformen der Renten- und Krankenversicherung wird sie ihren Beitrag zum vereinbarten Abbau der gesetzlichen Lohnzusatzkosten leisten.

 

Im übrigen erinnere ich daran, daß die Lohnzusatzkosten mehrheitlich, zu 55 Prozent, durch tarifvertraglich vereinbarte und freiwillige Leistungen verursacht werden. Ein durchgreifender Erfolg bei den Lohnzusatzkosten ist deshalb nur möglich, wenn auch die Tarifparteien aktiv ihren Beitrag erbringen.

 

V.

 

Mit diesen wichtigen Zukunftsentscheidungen stärken wir den Standort Deutschland im weltweit verschärften Wettbewerb. Wir müssen jetzt weiter alle Kräfte mobilisieren, damit möglichst viele Arbeitslose rasch eine neue Chance erhalten.

 

Kurzfristig wollen wir vor allem zusätzliche Bauinvestitionen mobilisieren und so die beschäftigungsintensive Baukonjunktur verstetigen. Deshalb bereiten wir innerhalb der Bundesregierung ein Maßnahmenpaket vor, mit dem Investitionen in Höhe von rund 25 Milliarden D-Mark initiiert werden sollen. Dieses Programm wird im Kabinett in der nächsten Woche verabschiedet. Davon werden 20 Milliarden D-Mark Investitionsvolumen durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Deutsche Ausgleichsbank getragen. Weitere fünf Milliarden D-Mark sollen durch Vorziehen öffentlicher Infrastrukturinvestitionen mobilisiert werden.

 

Mit diesem Teil des Programms wollen wir in der gegenwärtig schwierigen Situation - zeitlich befristet - auch private Finanzierungsmodelle erproben. Damit könnten Investitionsengpässe, vor allem in den Bereichen Verkehrsinfrastruktur und Hochschulbau, begrenzt werden.

 

Insgesamt wollen wir erreichen, daß zumindest ein Teil der Projekte noch 1997 beschäftigungswirksam wird. Die notwendigen Konsolidierungsanstrengungen im Bundeshaushalt werden durch das beschäftigungsfördernde Investitionsprogramm nicht tangiert - sie müssen aber unabhängig hiervon fortgesetzt werden.

 

VI.

 

Die Bundesregierung verfolgt unverändert das Ziel, die Staatsquote weiter zu senken und privater Initiative mehr Spielraum zu geben. Hierzu gehört ebenso, Subventionen in vertretbarer Weise zurückzuführen.

 

Die Hilfen für die deutsche Steinkohle sind ein Beispiel hierfür. Ich bin gegen den von einigen hierzulande geforderten "Auslauf- oder Museumsbergbau". Genauso unvertretbar wäre es gesamtwirtschaftlich, die deutsche Steinkohle weiterhin mit rund zehn Milliarden D-Mark pro Jahr aus Steuermitteln zu subventionieren - letztlich zu Lasten anderer Zukunftsfelder mit neuen Arbeitsplätzen.

 

Wir haben ein faires Angebot gemacht: Bis 2005 werden die Kohlehilfe des Bundes auf 3,8 Milliarden D-Mark zurückgeführt. Wir stellen in den nächsten neun Jahren immerhin rund 55 Milliarden D-Mark für die Steinkohle zur Verfügung. Damit kann ein lebensfähiger Bergbau gesichert und die unumgängliche Anpassung der Arbeitsplätze möglichst sozialverträglich gestaltet werden.

 

Dies setzt voraus, daß auch die Kohleländer, insbesondere Nordrhein-Westfalen, einen erheblich höheren Eigenbetrag als bisher leisten. Dabei sind wir bereit, den auf das Saarland entfallenden Anteil in Höhe von 200 Millionen D-Mark zu übernehmen.

 

Mit politischen Drohungen und parteitaktischen Manövern wird jedenfalls weder das strukturelle Anpassungsproblem gelöst noch ein einziger neuer Arbeitsplatz geschaffen. Ich setze deshalb weiter auf die Vernunft aller Beteiligten. Das Gespräch mit dem Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie wird morgen fortgesetzt.

 

VII.

 

Von unverändert dringlicher Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft ist die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl von Ausbildungsplätzen. Im vergangenen Jahr ist erneut der Ausgleich am Lehrstellenmarkt gelungen. Aber in diesem Jahr brauchen wir 633000 Lehrstellen, das heißt 13000 mehr als 1996.

 

Die Bundesregierung hat die Rahmenbedingungen für die Berufliche Bildung bereits entscheidend verbessert. So haben wir den Jugendarbeitsschutz und die Vorschriften für die Qualifikation der Ausbilder praxisorientiert angepaßt, das "Meister-BAFöG" eingeführt und arbeiten jetzt mit Hochdruck an der Modernisierung der Berufsbilder.

 

Von den Ländern erwarte ich, daß sie den Berufsschulunterricht betriebsfreundlicher organisieren, zum Beispiel durch Konzentration des Unterrichts auf einen Tag. Außerdem müssen sie mehr tun, um die Ausbildungsreife der Schulabgänger sicherzustellen. Von Arbeitgebern und Gewerkschaften wünsche ich mir, daß sie in der Ausbildungsfrage verstärkt neue Wege gehen. Gute Beispiele dafür sind die aktuellen Vereinbarungen im Bankgewerbe, der niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie und der Bauwirtschaft. Der öffentliche Dienst hat bereits im vergangenen Jahr eine "Nullrunde" bei den Lehrlingsvergütungen vereinbart und im Gegenzug fünf Prozent mehr Lehrstellen zugesagt.

 

Ich würde mir entsprechende Ausbildungsvereinbarungen in allen Tarifverträgen wünschen. Unser Ziel bleibt: Jeder Ausbildungswillige, der dazu in der Lage ist, soll auch in diesem Jahr ein Lehrstellenangebot erhalten.

 

VIII.

 

Unsere Zukunft sichern heißt auch, die europäische Einigung voranbringen. 1997 kommt die Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion in die entscheidende Phase. Die künftige gemeinsame europäische Währung - der Euro - wird unsere Wettbewerbsposition gegenüber Konkurrenten aus Dollar- und Yen-Währungsräumen stärken.

 

Beim Europäischen Rat in Dublin haben wir im Dezember 1996 die Weichen für einen pünktlichen Beginn der Währungsunion zum 1. Januar 1999 gestellt. Dies wird nicht auf Kosten der Stabilität gehen. Wir wollen eine harte gemeinsame Währung - den Euro. Ich halte Spekulationen darüber, wer sich für die Währungsunion qualifiziert, zum jetzigen Zeitpunkt für unangebracht. Hierüber wird - wie verabredet - 1998 auf der Basis der dann vorliegenden Daten für 1997 entschieden. Die Fortschritte der letzten Jahre - in Deutschland und Europa - geben Anlaß zu realistischem Optimismus.

 

IX.

 

Wirtschaft, Gewerkschaften und Bundesregierung haben am 23. Januar 1996 vereinbart: "Wirtschaft, Gewerkschaften und Bundesregierung streben einen nachhaltigen Beschäftigungsaufschwung an und setzen sich das gemeinsame Ziel, bis zum Ende dieses Jahrzehnts die Zahl der registrierten Arbeitslosen zu halbieren."

 

Allen Beteiligten war klar, daß dies ein sehr ehrgeiziges Ziel ist. Ich sehe aber keinen Grund, von diesem gemeinsamen Ziel abzurücken. Wir werden es schaffen, wenn jeder in seinem Bereich Verantwortung übernimmt und handelt. Ich lade Sie ein, an der guten Zukunft unseres Landes mitzuarbeiten.

 

 

 

Quelle: Bulletin der Bundesregierung. Nr. 25. 24. März 1997.