14. März 1986

Regierungserklärung von Bundeskanzler Kohl

 

Unsere gemeinsame Kultur und Geschichte bleiben ein festes Band für die Einheit der deutschen Nation. Geschichte und Kultur, Suche nach Identität und dann erst staatliche Organisation haben an der Wiege des deutschen Nationalbewußtseins gestanden.

Die deutsche Kultur - und es gibt nur e i n e deutsche Kultur - bleibt ein wesentliches Element für das Zusammengehörigkeitsgefühl aller Deutschen. Daran, meine Damen und Herren, haben uns in den letzten Jahren wichtige Daten und Ereignisse erinnert. 1983 begingen die Deutschen das Luther-Jahr. Das Wirken des Reformators hat unsere Nation geprägt. Nicht zuletzt die Erinnerung an Martin Luther hat uns Deutschen gemeinsame geistige Wurzeln wieder bewußter gemacht. ...

Die Menschen in beiden Staaten in Deutschland sind sich ihrer Verantwortung für die Pflege der gemeinsamen Kultur bewußt. Das haben z. B. viele Veranstaltungen zu Ehren der großen deutschen und zugleich europäischen Komponisten Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel im letzten Jahr gezeigt.

An das Kulturerbe unserer Nation und die Chancen zur Gemeinsamkeit, die darin liegen, hat uns auch der 100. Geburtstag der Goethe-Gesellschaft erinnert. In ihrer Brückenfunktion erweist sich die Goethe-Gesellschaft nicht nur ihres großen Namensgebers als würdig; sie steht auch in der Tradition ihres ersten Präsidenten, Eduard von Simson, der 1848 der deutschen Nationalversammlung präsidiert hat. Wir sollten in dieser Gesellschaft nicht ein Relikt längst vergangener Zeiten sehen, sondern sie als Modell für mehr kulturelle Gemeinsamkeit über Grenzen hinweg begreifen.

Der Chance der Verbesserung des Zusammenlebens dient auch das geplante „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über kulturelle Zusammenarbeit“. Die Bundesregierung begrüßt die Einigung über dieses Abkommen. Die Arbeiten daran waren nicht einfach.

Wir wollen vielfältige kulturelle Kontakte mit den Menschen in der DDR. Nicht alles, was wünschenswert bleibt, konnte realisiert werden. Aber dieses Abkommen bietet eine große Chance zu mehr Gemeinsamkeit. Es schützt und fördert in vielen Bereichen die bereits bestehenden kulturellen Kontakte und erleichtert die Ausdehnung der Zusammenarbeit.

Quelle: Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Stenogr. Berichte. Bd. 137. Plenarprotokoll 10/205. 14. März 1986, S. 15757f.