19. Juni 1983

Feierliche Deklaration zur Europäischen Union des Europäischen Rates

 

Präambel

Die im Europäischen Rat versammelten Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften -

entschlossen, das auf der Grundlage der Verträge von Paris und Rom begonnene Werk fortzuführen und ein vereintes Europa zu schaffen, das mehr denn je notwendig ist, um den Gefahren der internationalen Lage zu begegnen, und das fähig ist, die Verantwortung zu übernehmen, die ihm auf Grund seiner politischen Rolle, seiner Wirtschaftskraft und seiner vielfältigen Bindungen mit anderen Völkern zukommt, in der Erwägung, daß der Europagedanke, die Ergebnisse in den Bereichen der wirtschaftlichen Integration und der Politischen Zusammenarbeit wie auch die Notwendigkeit neuer Entwicklungen dem Wunsch der demokratischen Völker Europas entsprechen, für die das in allgemeiner Wahl gewählte Europäische Parlament ein unerläßliches Ausdrucksmittel ist,

entschlossen, gemeinsam für die Demokratie einzutreten, wobei sie sich auf die in den Verfassungen und Gesetzen der Mitgliedstaaten, in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Europäischen Sozialcharta anerkannten Grundrechte, insbesondere Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit stützen, überzeugt, daß die Gemeinschaft ihren Zusammenhalt stärken, ihre Dynamik wiedererlangen und ihre Tätigkeit in bislang ungenügend erschlossenen Bereichen intensivieren muß, um die ernsten wirtschaftlichen Probleme der Mitgliedstaaten zu lösen,

entschlossen, dem sozialen Fortschritt der Gemeinschaft und insbesondere dem Problem der Beschäftigung durch die Entwicklung einer europäischen Sozialpolitik hohe Priorität einzuräumen, überzeugt, daß Europa zur Erhaltung des Friedens beitragen kann, wenn es in der Außenpolitik, auch in bezug auf die politischen Aspekte der Sicherheit, mit einer Stimme spricht,

eingedenk ihrer am 21. Oktober 1972 und 10. Dezember 1974 in Paris gefaßten Beschlüsse, des Dokuments über die europäische Identität vom 14. Dezember 1973 und der Erklärung des Europäischen Rates vom 30. November 1976 in Den Haag über den schrittweisen Aufbau der Europäischen Union,

in dem festen Willen, ein umfassendes und zusammenhängendes gemeinsames politisches Leitbild zu verwirklichen, und in Bekräftigung ihres Willens, die Gesamtheit der Beziehungen zwischen ihren Staaten in eine Europäische Union umzuwandeln - 

haben folgendes beschlossen:

1. Ziele

1.1. Die Staats- und Regierungschefs bekräftigen ihre Verpflichtung, auf dem Weg zu einem immer engeren Zusammenschluß der Völker und Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft voranzuschreiten; sie tun dies im Bewußtsein einer Schicksalsgemeinschaft und in dem Willen, die europäische Identität zu behaupten.

1.2. Die Staats- und Regierungschefs bekräftigen die vom Europäischen Rat am 8. April 1978 abgegebene Erklärung zur Demokratie, in der es heißt, daß die Achtung und die Aufrechterhaltung der parlamentarischen Demokratie und der Menschenrechte in allen Mitgliedstaaten wesentliche Elemente der Zugehörigkeit zu den Europäischen Gemeinschaften sind.

1.3. Zur Erzielung wachsender Solidarität und Gemeinsamkeit des Handelns bedarf das europäische Einigungswerk einer deutlicheren Ausrichtung auf seine allgemeinen politischen Ziele, auf wirksamere Entscheidungsstrukturen, einen festeren Zusammenhalt und eine enge Koordinierung seiner verschiedenen Tätigkeitsbereiche sowie auf das Bemühen um eine gemeinsame Politik in allen Bereichen von gemeinsamem Interesse sowohl innerhalb der Gemeinschaft als auch gegenüber Drittländern.

1.4. In dem Bestreben, die bisher im wirtschaftlichen wie auch im politischen Bereich erzielten Fortschritte auf dem Wege zur Europäischen Union zu festigen, bekräftigen die Staats- und Regierungschefs folgende Ziele: 1.4.1. Stärkung und weiterer Ausbau der Gemeinschaften, die das Kernstück der Europäischen Union bilden, durch die Vertiefung bestehender und die Ausarbeitung neuer politischer Zielsetzungen im Rahmen der Verträge von Paris und Rom;

1.4.2. Stärkung und Ausbau der Europäischen Politischen Zusammenarbeit durch die Erarbeitung und Festlegung gemeinsamer Positionen und eines gemeinsamen Vorgehens auf der Grundlage verstärkter Konsultationen im Bereich der Außenpolitik einschließlich der Koordinierung der Positionen der Mitgliedstaaten zu den politischen und wirtschaftlichen Aspekten der Sicherheit, um die schrittweise Entwicklung solcher Positionen und eines solchen Vorgehens in immer mehr Bereichen der Außenpolitik zu fördern und zu erleichtern;

1.4.3. die Förderung folgender Tätigkeiten, soweit sie nicht im Rahmen der Verträge verwirklicht werden können:
- eine engere kulturelle Zusammenarbeit, um das Bewußtsein eines gemeinsamen kulturellen Erbes als Teil der europäischen Identität zu festigen;
- eine Angleichung bestimmter Bereiche der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten, um die Beziehungen zwischen ihren Staatsangehörigen zu erleichtern;
- eine gemeinsame Analyse und ein abgestimmtes Vorgehen, um den internationalen Problemen der öffentlichen Ordnung, schweren Gewalttaten, dem organisierten internationalen Verbrechen und allgemein der grenzüberschreitenden Kriminalität zu begegnen.

2. Institutionen

Die Staats- und Regierungschefs unterstreichen die Bedeutung, die einem größeren Zusammenhalt und einer engen Abstimmung auf allen Ebenen der bestehenden Strukturen der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Politischen Zusammenarbeit für ein umfassendes und übereinstimmendes Handeln zur Verwirklichung der Europäischen Union zukommt.

Fragen aus dem Zuständigkeitsbereich der Europäischen Gemeinschaften werden nach den Bestimmungen und Verfahren geregelt, die in oder gemäß den Verträgen von Paris und Rom und den sie ergänzenden Übereinkünften festgelegt sind. Bei Fragen aus dem Bereich der Politischen Zusammenarbeit werden die in den Berichten von Luxemburg (1970), Kopenhagen (1973) und London (1981) vereinbarten Verfahren sowie gegebenenfalls weitere zu vereinbarende Verfahren angewandt.

2.1. Der Europäische Rat

2.1.1. Im Europäischen Rat kommen die Staats- und Regierungschefs und der Präsident der Kommission zusammen, die von den Außenministern der Mitgliedstaaten und einem Mitglied der Kommission unterstützt werden.

2.1.2. Der Europäische Rat, der im Hinblick auf die 2.2.2. Europäische Union handelt,
- gibt dem europäischen Aufbauwerk einen allgemeinen politischen Impuls;
- legt die Ansatzpunkte für die Förderung des europäischen Aufbauwerks fest und erläßt allgemeine politische Leitlinien für die Europäischen Gemeinschaften und die Europäische Politische Zusammenarbeit;
- berät über Fragen der Europäischen Union 2.2.3. unter ihren verschiedenen Aspekten und trägt dabei für deren Übereinstimmung Sorge;
- eröffnet neue Tätigkeitsbereiche für die Zusammenarbeit;
- bringt die gemeinsame Position in Fragen der Außenbeziehungen feierlich zum Ausdruck.

2.1.3. Wird der Europäische Rat in Angelegenheiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Europäischen Gemeinschaften tätig, so tut er dies als Rat im Sinne der Verträge.

2.1.4. Der Europäische Rat erstattet dem Europäischen Parlament nach jeder Sitzung Bericht. Dieser Bericht wird mindestens einmal während jeder Präsidentschaft vom Präsidenten des Europäischen Rates erstattet. Der Europäische Rat legt dem Europäischen Parlament ferner jährlich einen schriftlichen Bericht über die auf dem Wege zur Europäischen Union erzielten Fortschritte vor.
Bei den Aussprachen über diese Berichte wird der Europäische Rat in der Regel durch seinen Präsidenten oder durch eines seiner Mitglieder vertreten.

2.2. Der Rat und seine Mitglieder

2.2.1. Der Rat (Allgemeine Angelegenheiten) und seine Mitglieder sind für die Kohärenz und Kontinuität der für den weiteren Aufbau der Europäischen Union notwendigen Arbeiten sowie die Vorbereitung der Sitzungen des Europäischen Rates verantwortlich. Um die institutionellen Einrichtungen der Gemeinschaft und der Politischen Zusammenarbeit einander anzunähern, befaßt sich der Rat mit Angelegenheiten, für die er nach den Verträgen zuständig ist, gemäß den dort vorgesehenen Verfahren, und seine Mitglieder befassen sich gemäß den einschlägigen Verfahren auch mit allen anderen Bereichen der Europäischen Union, insbesondere Angelegenheiten der Politischen Zusammenarbeit.

2.2.2. Die Mitgliedstaaten regeln ihre Vertretung nach Maßgabe ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Die Anwendung der in den Verträgen von Paris und Rom vorgesehenen Verfahren für die Beschlußfassung ist von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaften. Im Rat wird jede Möglichkeit zur Erleichterung der Beschlußfassung genutzt; hierzu gehört auch die Möglichkeit der Stimmenthaltung in den Fällen, in denen Einstimmigkeit erforderlich ist.

2.2.3. Um ein Europa, das im Bereich der Außenpolitik mit einer Stimme spricht und gemeinsam handelt, zielstrebig voranzubringen, werden sich die Regierungen der Mitgliedstaaten ständig um eine größere Wirksamkeit der Politischen Zusammenarbeit bemühen und insbesondere bestrebt sein, den Entscheidungsprozeß zu erleichtern, um rascher zu gemeinsamen Positionen zu gelangen.
Sie haben vor kurzem mit dem Londoner Bericht vom 13. Oktober 1981 neue Vereinbarungen getroffen. Diesen Weg werden sie im Lichte der bisherigen Erfahrungen weiterverfolgen, und zwar insbesondere durch
- die Stärkung der Befugnisse der Präsidentschaft hinsichtlich Initiative, Koordination und Vertretung gegenüber Drittländern;
- eine angemessene stärkere operationelle Unterstützung der aufeinanderfolgenden Präsidentschaften entsprechend den wachsenden Aufgaben, die sie zu erfüllen haben.

2.3. Das Parlament

2.3.1. Der Versammlung der Europäischen Gemeinschaften kommt bei der Entwicklung der Europäischen Union eine wesentliche Rolle zu.

2.3.2. Das Europäische Parlament erörtert alle Fragen der Europäischen Union einschließlich der Europäischen Politischen Zusammenarbeit. Bei Angelegenheiten aus dem Bereich der Europäischen Gemeinschaften berät es gemäß den Bestimmungen und Verfahren der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und der sie ergänzenden Übereinkünfte.

2.3.3. Zusätzlich zu den in den Verträgen vorgesehenen Konsultationsverfahren beantworten der Rat, seine Mitglieder und die Kommission entsprechend ihrer Zuständigkeit
- mündliche oder schriftliche Anfragen des Parlaments,
- Entschließungen zu Fragen von großer Bedeutung und allgemeiner Tragweite, zu denen das Parlament sie um Erläuterungen bittet.
Die Präsidentschaft wendet sich am Beginn ihrer Amtszeit in einer Ansprache an das Europäische Parlament und legt ihr Programm dar. Sie berichtet dem Europäischen Parlament am Ende ihrer Amtszeit über die erzielten Fortschritte.

2.3.4. Die Präsidentschaft unterrichtet das Europäische Parlament über dessen Politischen Ausschuß regelmäßig über die im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit behandelten außenpolitischen Themen. Die Präsidentschaft erstattet dem Europäischen Parlament einmal jährlich auf einer Plenarsitzung Bericht über die Fortschritte im Bereich der Politischen Zusammenarbeit.

2.3.5. Vor der Ernennung des Präsidenten der Kommission holt der Präsident der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten die Stellungnahme des Erweiterten Präsidiums des Europäischen Parlaments ein. Nach der Ernennung der Mitglieder der Kommission durch die Regierungen der Mitgliedstaaten legt die Kommission dem Europäischen Parlament ihr Programm zur Debatte und Abstimmung über dieses Programm vor.

2.3.6. Der Rat wird mit dem Europäischen Parlament und der Kommission Gespräche mit dem Ziel aufnehmen, das in der gemeinsamen Erklärung vom 4. März 1975 vorgesehene Konzertierungsverfahren im Rahmen einer neuen Vereinbarung zu verbessern und den Anwendungsbereich zu erweitern.

2.3.7. Zusätzlich zu den in den Verträgen vorgesehenen Konsultationen hinsichtlich bestimmter internationaler Übereinkünfte wird die Stellungnahme des Europäischen Parlaments vor
- dem Abschluß anderer bedeutender internationaler Übereinkünfte durch die Gemeinschaft,
- dem Beitritt eines Staates zur Europäischen Gemeinschaft eingeholt.

2.3.8. Die bestehenden Verfahren zur vertraulichen und inoffiziellen Unterrichtung des Europäischen Parlaments über den Stand der Verhandlungen werden unter Berücksichtigung der Dringlichkeitserfordernisse auf alle von den Gemeinschaften geschlossenen internationalen Übereinkünfte von Bedeutung ausgedehnt.

2.4. Die Kommission
Die Staats- und Regierungschefs unterstreichen die besondere Bedeutung, welche der Kommission als Hüterin der Verträge von Paris und Rom sowie als impulsgebender Kraft im europäischen Integrationsprozeß zukommt. Sie bestätigen, daß von der Übertragung von Befugnissen auf die Kommission im Rahmen der Verträge häufiger Gebrauch gemacht werden sollte. Zusätzlich zu ihren Aufgaben und Befugnissen nach diesen Verträgen wird die Kommission in vollem Umfang an der Europäischen Politischen Zusammenarbeit und gegebenenfalls anderen Tätigkeiten im Rahmen der Europäischen Union beteiligt.

2.5. Der Gerichtshof
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften als Garant der Wahrung und Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts kommt beim Aufbau der Europäischen Union eine wesentliche Aufgabe zu. Die Staats- und Regierungschefs kommen überein, unter Berücksichtigung der jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen ihrer Staaten bei den internationalen Übereinkommen zwischen Mitgliedstaaten von Fall zu Fall soweit zweck- dienlich die Aufnahme einer Klausel in Betracht zu ziehen, die dem Gerichtshof eine entsprechende Auslegungskompetenz zuerkennt.

3. Wirkungsbereich

3.1. Europäische Gemeinschaften
Die Staats- und Regierungschefs, die der Entwicklung der Gemeinschaftspolitik auf breiter Front neuen Antrieb verleihen wollen, heben die Bedeutung der folgenden politischen Zielsetzungen hervor:

3.1.1. Eine wirtschaftliche Gesamtstrategie in der Gemeinschaft zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Inflation und Förderung der Konvergenz des wirtschaftlichen Entwicklungsstandes der Mitgliedstaaten. Der Unterstützung produktiver Investitionen und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, die eine Grundlage für die Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze, die Erzielung nachhaltigen Wirtschaftswachstums und die Senkung der Arbeitslosigkeit sind, muß Vorrang gegeben werden. In diesem Zusammenhang müssen wirksame Maßnahmen im sozialen Bereich zur Verringerung der Arbeitslosigkeit auf Gemeinschaftsebene wie auch auf einzelstaatlicher Ebene getroffen werden, insbesondere durch eine gezielte Aktion zugunsten der Jugendlichen und durch eine bessere Harmonisierung der Sozialversicherungssysteme.

3.1.2. Eine wirksamere Koordinierung der einzelstaatlichen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die zur Verwirklichung der Gesamtziele der Gemeinschaft erforderlich ist, um sicherzustellen, daß die wichtigsten wirtschaftlichen und sektoralen Ziele der Mitgliedstaaten mit der Erhaltung und Stärkung der Gemeinschaft und mit dem Ziel der Konsolidierung des Europäischen Währungssystems im Einklang stehen.

3.1.3. Stärkung des Europäischen Währungssystems, das ein entscheidender Faktor für Fortschritte auf dem Wege zur Wirtschafts- und Währungsunion und der Schaffung eines Europäischen Währungsfonds ist und damit zur Konsolidierung einer Zone währungspolitischer Stabilität in Europa und zur Schaffung eines stabileren internationalen wirtschaftlichen Umfelds beiträgt.

3.1.4. Bestimmung von Gemeinschaftsinstrumenten und -mechanismen, die ein Vorgehen ermöglichen, das der Lage und den besonderen Bedürfnissen der weniger wohlhabenden Mitgliedstaaten angepaßt ist und eine Lösung ihrer Strukturprobleme anstrebt, mit der die harmonische Entwicklung der Gemeinschaft sichergestellt ist.

3.1.5. Angesichts der Bedeutung der Außenbeziehungen der Gemeinschaft die Stärkung der gemeinsamen Handelspolitik und die Entwicklung ihrer Außenwirtschaftspolitik auf der Grundlage gemeinsamer Positionen; die Gemeinschaft wird damit ihrer besonderen Verantwortung als wichtigster Partner im Welthandel und ihrem Eintreten für ein freies und offenes Handelssystem konkreten Ausdruck verleihen. In diesem Zusammenhang ist eine Verbesserung und Koordinierung der Entwicklungspolitik auf einzelstaatlicher und Gemeinschaftsebene erforderlich, um den Bedürfnissen der Entwicklungsländer und der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Europa und diesen Ländern besser gerecht zu werden und die impulsgebende Rolle Europas in den Beziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zu stärken.

3.1.6. Vollständige Verwirklichung des Binnenmarkts im Einklang mit den Verträgen, insbesondere die Beseitigung der noch bestehenden Hindernisse für den freien Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr sowie der weitere Ausbau einer gemeinsamen Verkehrspolitik.

3.1.7. Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik im Einklang mit der Politik in anderen Bereichen unter Wahrung ihrer im Vertrag festgelegten Ziele und der Grundsätze des einheitlichen Marktes, der Gemeinschafts- präferenz und der finanziellen Solidarität sowie unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Sicherung eines angemessenen Lebensstandards für die Landwirte und der Erzielung eines besseren Marktgleichgewichts in bestimmten Sektoren. Die Probleme weniger begünstigter landwirtschaftlicher Regionen, einschließlich bestimmter Mittelmeerregionen, deren Entwicklung weitgehend von der Landwirtschaft abhängt, verdienen besondere Aufmerksamkeit.

3.1.8. Entwicklung einer Industriestrategie auf Gemeinschaftsebene, um die Industrie zu stärken, sie wettbewerbsfähig zu machen und produktive Arbeitsplätze in Europa zu schaffen, insbesondere durch Investitions- und Innovationsförderung. Um der Gemeinschaft die Mittel für eine langfristige kräftige Entwicklung zu geben, wird die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen in den Spitzentechnologien durch die Schaffung von Projekten gemeinsamen Interesses verstärkt. Die Bemühungen von Industrie und Regierungen in den Bereichen Energie und Forschung werden durch Koordinierung und geeignete Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene ergänzt. Entwicklung der Regional- und der Sozialpolitik der Gemeinschaften, die insbesondere den Transfer von Ressourcen in weniger wohlhabende Regionen einschließt, so daß die Politik der Gemeinschaft und ihr Instrumentarium insgesamt voll zum Tragen kommen und Konvergenz und eine ausgewogene Entwicklung fördern können. Außenpolitik Zur Bewältigung der wachsenden Probleme der internationalen Politik ist die notwendige Stärkung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit insbesondere durch folgende Maßnahmen sicherzustellen:

- eine Vertiefung der Konsultationen, um rechtzeitig ein gemeinsames Handeln in allen wichtigen außenpolitischen Fragen, die für die Zehn als Ganzes von Interesse sind, zu ermöglichen;
- die vorherige Konsultation der anderen Mitgliedstaaten vor der Festlegung endgültiger Positionen in diesen Fragen. Die Staats- und Regierungschefs unterstreichen ihre Verpflichtung, daß jeder Mitgliedstaat die Positionen seiner Partner voll berücksichtigen und der Annahme gemeinsamer europäischer Positionen und ihrer Verwirklichung gebührende Bedeutung beimessen wird, wenn er nationale Positionen ausarbeitet und auf nationaler Ebene vorgeht;
- die Entwicklung und Erweiterung der Praxis der Definition und Konsolidierung der Auffassungen der Zehn in der Form gemeinsamer Positionen, die dann ein zentraler Bezugspunkt für die Politik der Mitgliedstaaten sind;
- die schrittweise Entwicklung und Definition gemeinsamer Grundsätze und Ziele sowie die Feststellung gemeinsamer Interessen, um die Möglichkeiten für ein gemeinsames Vorgehen im Bereich der Außenpolitik zu erweitern;
- die Koordinierung der Positionen der Mitgliedstaaten zu den politischen und wirtschaftlichen Aspekten der Sicherheit;
- vermehrte Kontakte mit Drittländern, um das Gewicht der Zehn als Gesprächspartner im Bereich der Außenpolitik zu stärken;
- eine engere Zusammenarbeit der Vertretungen der Zehn in Drittländern auf diplomatischer und administrativer Ebene;
- das Bemühen um gemeinsame Positionen bei wichtigen internationalen Konferenzen, an denen einer oder mehrere der Zehn teilnehmen und deren Tagesordnung Fragen enthält, die im Rahmen der Politischen Zusammenarbeit behandelt werden;
- eine stärkere Berücksichtigung des Beitrags, den das Europäische Parlament zur Erarbeitung einer koordinierten Außenpolitik der Zehn leistet.

3.3. Die kulturelle Zusammenarbeit

In Ergänzung der Maßnahmen der Gemeinschaft und unter Hinweis darauf, daß sie angesichts der Mitgliedschaft ihrer Staaten im Europarat dessen kulturelle Tätigkeiten auch künftig entschlossen unterstützen und an ihnen teilnehmen werden, kommen die Staats- und Regierungschefs überein, unter Berücksichtigung der jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen folgendes zu fördern, anzuregen oder zu erleichtern:

- die Entwicklung der Tätigkeiten der Europäischen Stiftung und des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz;
- eine engere Zusammenarbeit zwischen den Hochschuleinrichtungen, einschließlich des Austauschs von Lehr- kräften und Studierenden;
- die Intensivierung des Erfahrungsaustauschs. insbesondere unter der Jugend, und den Ausbau des Unterrichts in den Sprachen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft;
- eine Verbesserung der Kenntnisse über die anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und eine bessere Unterrichtung überdie Geschichte und Kultur Europas im Hinblick auf die Förderung eines europäischen Bewußtseins;
- die Prüfung der Zweckmäßigkeit einer gemeinsamen Aktion, um das kulturelle Erbe zu schützen, zur Geltung zu bringen und zu wahren;
- die Prüfung der Möglichkeit einer Förderung gemeinsamer Tätigkeiten bei der Verbreitung der Kultur, insbesondere hinsichtlich der audiovisuellen Mittel;
- vermehrte Kontakte zwischen Schriftstellern und Künstlern der Mitgliedstaaten und stärkere Verbreitung ihrer Werke sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinschaft;
- eine engere Koordinierung kultureller Tätigkeiten in Drittländern im Rahmen der Politischen Zusammenarbeit.

3.4. Die Angleichung der Rechtsvorschriften

3.4.1. Die Angleichung der Rechtsvorschriften im Rahmen der Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaften wird durch die wirksame Anwendung der in den Verträgen vorgesehenen Maßnahmen weitergeführt und intensi- viert. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei einer weiteren Angleichung in den Bereichen des Gewerblichen Rechtsschutzes, des Verbraucherschutzes und, soweit erforderlich, des Gesellschaftsrechts gelten.

3.4.2. In Ergänzung der Angleichung der Rechtsvorschriften im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften und unter voller Berücksichtigung insbesondere der Tätigkeit des Europarats werden die Mitgliedstaaten bemüht sein, ihre Rechtsvorschriften in weiteren Bereichen durch geeignete Rechtsinstrumente, einschließlich internationaler Übereinkommen, anzugleichen. Besondere Anstrengungen werden unternommen, um die zwischen Mitgliedstaaten im Gemeinschaftsrahmen bereits ausgehandelten internationalen Übereinkommen, insbesondere die in den Verträgen vorgesehenen, so bald wie möglich zu verwirklichen oder zu ergänzen.

3.4.3. Zu den neuen Aufgaben, die der Verwirklichung der Europäischen Union dienen können, gehören insbeson- dere die folgenden:

- die Erarbeitung von Rechtsinstrumenten, die geeignet sind, die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden der Mitgliedstaaten insbesondere im Bereich des Zivil- und Handelsrechts zu stärken und damit die Rechtspflege wirksamer und weniger schwerfällig zu machen;
- die Zusammenarbeit im Bereich der Ahndung von Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht;
- die Identifizierung von Bereichen des Straf- und Verfahrensrechts, in denen eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten erwünscht sein könnte.

4. Schlußbestimmungen

4.1. Die Staats- und Regierungschefs heben hervor, daß zwischen der Zugehörigkeit zu den Europäischen Gemeinschaften und der Teilnahme an den oben beschriebenen Tätigkeiten ein Zusammenhang besteht.

4.2. Die Verwirklichung der Europäischen Union vollzieht sich durch die Vertiefung und Erweiterung des Bereichs europäischer Tätigkeiten, so daß diese sich zusammenhängend, wenn auch auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, auf einen immer größeren Teil der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und ihrer Außenbeziehungen erstrecken.

4.3. Die Staats- und Regierungschefs werden diese Deklaration einer allgemeinen Überprüfung unterziehen, sobald die erreichten Fortschritte auf dem Wege zur europäischen Einigung dies rechtfertigen, spätestens jedoch fünf Jahre nach Unterzeichnung der Deklaration. Im Lichte der Ergebnisse dieser Überprüfung werden sie entscheiden, ob die erzielten Fortschritte in einen Vertrag über die Europäische Union eingebracht werden sollen. Hierzu wird das Europäische Parlament um Stellungnahme ersucht.

Die “Feierliche Deklaration zur Europäischen Union”, die von den EG-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel vom 17. bis 19. Juni 1983 in Stuttgart unterzeichnet wird, ist eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Europäischen Union.

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Nr. 65. 21. Juni 1983, S. 601-606