19. September 1991

Vom Rhein über den Kaukasus und Dresden zur Einheit

 

Erinnerungen im Gespräch mit Ulrich Wildermuth, veröffentlicht im Extrablatt der Tageszeitung "Südwest-Presse"

Als erstes kommt mir in Erinnerung ein langes Gespräch mit Michail Gorbatschow hier im Park des Bundeskanzleramtes. Es fand statt im Juni 1989, bei seinem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland. Es war später Abend, wir waren unter uns - nur der Dolmetscher war dabei - und hatten uns auf die Mauer gesetzt, von der aus man diesen schönen Blick auf den vorbeiströmenden Rhein und das gegenüberliegende Ufer hat.

Bei diesem Gespräch wurden wir uns einig, dass wir die deutschsowjetischen Beziehungen auf eine neue Grundlage stellen müssen, wenn sich die Lage in Europa zum Besseren wenden soll. Wir kamen auf das Thema deutsche Einheit zu sprechen. Ich erklärte, dass die Teilung Deutschlands die entscheidende Belastung zwischen unseren Völkern sei. Er hat dem damals noch vehement widersprochen, und zwar ganz im Sinne der sowjetischen Theorie, wonach die Teilung eben die logische Folge der geschichtlichen Entwicklung sei.

Ich habe ihm entgegnet: „Schauen Sie sich den Rhein an, der an uns vorbeiströmt. Er symbolisiert die Geschichte; sie ist nichts Statisches. Sie können diesen Fluss stauen, technisch ist das möglich.

Doch dann wird er über die Ufer treten und sich auf andere Weise den Weg zum Meer bahnen. Und so ist es mit der deutschen Einheit. Sie können ihr Zustandekommen zu verhindern suchen, und dann erleben wir beide sie vielleicht nicht mehr. Aber so sicher wie der Rhein zum Meer fließt, so sicher wird die deutsche Einheit kommen -und auch die europäische Einheit." Über diesen Gedankengang haben wir uns später noch oft unterhalten. Michail Gorbatschow hat sich meine Überlegungen angehört und nicht mehr widersprochen.

Kurze Zeit später, im August 1989, erhielt ich einen Anruf des damaligen ungarischen Ministerpräsidenten Nemeth. Wir hatten Ungarn bei seinem Reformkurs tatkräftig unterstützt. Bei diesem Telefongespräch teilte Nemeth mir mit, die ungarische Regierung werde die Tausende von Flüchtlingen aus der DDR nicht zurückschicken, sondern die Grenze nach Österreich für sie öffnen. Er hat Wort gehalten und vier Wochen später, auf den angekündigten Tag genau, die Grenze geöffnet. Es war mir klar, dass dieses Ereignis die Entwicklung vor allem auch in der DDR stark beschleunigen würde.

Im November reiste ich nach Polen, um dort Gespräche über einen Vertrag zu führen, in dem wir gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vereinbaren wollten. Während ich dort war, wurden die Berliner Mauer und die innerdeutsche Grenze geöffnet. Selbstverständlich habe ich meinen Besuch deswegen kurz unterbrochen.

Was sich dann am 10. November 1989 vor dem Schöneberger Rathaus abspielte, war schon - vorsichtig gesagt - merkwürdig. Der rotgrüne Berliner Senat hatte zu einer Kundgebung aufgerufen und mich als Redner angekündigt, ohne dass ich gefragt worden war. Nach meiner Landung in Berlin führ ich mit Blaulicht zum Schöneberger Rathaus. Dort war die ganze linke Gefolgschaft aufmarschiert und begrüßte mich mit großem Gebrüll.

In seiner Rede sprach dann Herr Momper jenen skandalösen Satz, an den er sich heute nicht mehr gern erinnern lässt: Es gehe nicht um Wiedervereinigung, sondern um Wiedersehen. Das war natürlich gegen mich gerichtet, denn alle wussten, dass ich das Ziel der deutschen Einheit niemals aufgegeben hatte. Und während die linke Gefolgschaft mich auspfiff, erhielt ich die Nachricht, Gorbatschow habe in Bonn angerufen mit der Frage, ob Berichte zuträfen, wonach die Lage in Berlin völlig aus dem Ruder laufe. Ich stand eingezwängt auf dem Balkon des Schöneberger Rathauses und hatte keine Möglichkeit, selbst ans Telefon zu gehen.

Der KGB und die Stasi wollten eine militärische Intervention der in der DDR stationierten sowjetischen Truppen herbeiführen; daran besteht für mich gar kein Zweifel. Und das ausgerechnet in dem Augenblick, in dem Tausende von jungen Menschen auf der Mauer tanzten. Ich habe dann Gorbatschow antworten lassen - ich selbst konnte es ja nicht, weil ich nicht vom Balkon wegkam -, er habe mein Wort, dass diese Befürchtungen nicht zuträfen. Die Stimmung sei wie bei einem Familienfest.

Knapp drei Wochen später, am 28. November 1989, habe ich dann im Bundestag mein Zehn-Punkte-Programm für die deutsche Einheit vorgestellt. Der Kerngedanke war, über die Zwischenstation „konföderative Strukturen" zu einem deutschen Bundesstaat, zu einem vereinten Deutschland zu gelangen. Hierauf gab es viele unfreundliche Reaktionen, auch im Westen. Mir wurde vorgeworfen, ich hätte mich mit den Verbündeten, mit unseren Freunden nicht abgestimmt. Aber das Zehn-Punkte-Programm enthielt in Wahrheit nichts, was nicht der Politik des Westens seit Jahrzehnten entsprochen hätte.

Wie es weitergehen würde, das wurde mir wenig später schlagartig klar, als mein Flugzeug am 19. Dezember in Dresden landete. Dort traf ich den damaligen DDR-Ministerpräsidenten Modrow. Auf den Dächern vor dem Flughafengebäude standen viele Menschen, und als ich aus dem Flugzeug stieg, drehte ich mich zu Rudolf Seiters um und sagte ihm: „Die Sache ist gelaufen." Als wir dann in die Stadt hinein fuhren, waren die Straßen rechts und links von Schulklassen gesäumt, von Arbeitern, die ihrem Betrieb ferngeblieben waren, und vor dem Hotel standen die Menschen gleich zu Zehntausenden.

Nach alledem stand fest: Ich musste zu den Menschen reden, aber wir wussten nicht, wo und wie wir das organisieren sollten. Der damalige Dresdner Oberbürgermeister Berghofer hat uns dann aus der Verlegenheit herausgeholfen. Und bei der Kundgebung waren über hunderttausend Menschen anwesend. Für mich war es eine der schwierigsten Reden, die ich je gehalten habe, weil ich unter allen Umständen vermeiden musste, die Emotionen aufzupeitschen.

Die Botschaft meiner Rede war: „Wir gehören zusammen. Wir wollen gemeinsam in Freiheit leben. Deutschland, einig Vaterland!" Diese Botschaft fand ein überwältigendes Echo. Auch am nächsten Tag, als wir Dresden verließen, kamen die Menschen wieder zu Zehntausenden. Aus alledem gab es nur eine Schlussfolgerung: Das SED-Regime war am Ende.

Anfang 1990 kam dann der Wahlkampf zur ersten demokratischen Volkskammer-Wahl. Zu Anfang gab es viel Hohn und Spott für die CDU. Ich wurde hämisch gefragt, wo in der DDR eigentlich unsere Verbündeten seien. Das seien doch alte sozialdemokratische Kernlande. Doch es gelang uns, in ein paar Nächten die „Allianz für Deutschland" zu schmieden, bestehend aus dem Demokratischen Aufbruch, der CDU und der DSU. Bei diesen Gesprächen griff ausgerechnet Wolfgang Schnur, der kurz darauf als Stasi-Mitarbeiter enttarnt wurde, die Ost-CDU am schärfsten an: Mit diesen Leuten könne man sich überhaupt nicht zeigen.

Mein erster Wahlkampfauftritt war in Erfurt. Ich fuhr dorthin mit dem Auto, und überall an den Autobahnbrücken hingen schon Transparente, die mich begrüßten. Als wir dann nach Erfurt hinein fuhren, fiel uns als erstes auf, dass selbst überall auf den Straßenbahnen Plakate klebten, und als wir schließlich den Platz der Kundgebung erreichten, standen dort mehr als hunderttausend Menschen. Es war unfassbar. Hier zeichnete sich zum ersten Mal ab, dass die Chancen der „Allianz für Deutschland" besser waren, als alle Skeptiker vorausgesagt hatten. Ein paar Tage später bin ich dann zum Wahlkampf nach Chemnitz gefahren. Dort waren es schon 200000 Menschen. Und so ging es weiter.

Daneben galt es, die äußeren Aspekte der deutschen Einheit im Rahmen der „Zwei-plus-Vier"-Gespräche zu regeln. Michail Gorbatschow war dabei die Schlüsselfigur. Schon im Februar 1990 hatte er im Prinzip das Recht der Deutschen anerkannt, in einem gemeinsamen Staat zu leben, wenn sie dies wollen. Ungeklärt war aber noch die Frage geblieben, ob er mit der vollen Souveränität Deutschlands einverstanden sein würde, und dazu gehörte natürlich auch das Recht der Deutschen, über ihre Bündniszugehörigkeit selbst zu bestimmen.

Im Juli 1990 flog ich deshalb nach Moskau und anschließend in den Kaukasus. Es war Gorbatschows Vorschlag gewesen, dass ich in seine Heimat kommen sollte - ein Zeichen dafür, wie ausgesprochen freundschaftlich unsere Beziehung inzwischen geworden war. Bei unseren Gesprächen ging es, wie gesagt, um die Frage, ob das vereinte Deutschland in der NATO bleiben könne oder nicht. Alle möglichen Leute hatten die Befürchtung, jetzt würden die Deutschen aus der Atlantischen Allianz herausgelockt.

Noch in Moskau sagte ich Gorbatschow, wir müssten diese Frage an Ort und Stelle regeln, weil es sonst gar keinen Sinn hätte, in den Kaukasus zu fahren. Ich machte ihm klar: Sollte er mich vor die Alternative stellen, zwischen der deutschen Einheit und dem Ausscheiden Deutschlands aus der NATO wählen zu müssen, dann brauchten wir nicht weiterzureden. Darauf würde ich mich nicht einlassen. Wenn eine Einigung darüber ausgeschlossen sei, wäre es für mich besser, wieder heimzufahren, als für die Medien eine Show ohne Ergebnis aufzuführen. Hierauf entgegnete Gorbatschow nur, ich brauchte die Reise in den Kaukasus nicht abzusagen. Das Ergebnis unserer Gespräche ist ja bekannt.

Wahrend des Fluges von Moskau in den Kaukasus sprachen wir sehr lange miteinander - er, seine Frau und ich. Wir haben über seinen Vater und seinen Großvater gesprochen, der - ein überzeugter Kommunist - in der Stalin-Ära viel zu leiden hatte. Gorbatschow hielt ein kleines Kolleg über die Geschichte der KPdSU. Es war hochinteressant. Über das eigentliche Thema meiner Reise redeten wir nicht, aber es war deutlich zu spüren, dass die Frage entschieden war - in dem von mir gewünschten Sinne. Daran gab es für mich keinen Zweifel mehr.

Schon bei unserem Abflug aus Moskau hatte ich zu den Mitgliedern der Delegation gesagt: „Für morgen könnt Ihr Euch auf eine große Überraschung gefasst machen." Am Abend haben wir dann die entscheidenden Verhandlungen geführt - mit dem bekannten Ergebnis, dass die Sowjetunion dem vereinten Deutschland das Recht zugestand, über seine Bündniszugehörigkeit selbst zu bestimmen, das heißt in der NATO zu bleiben.

Wenn ich heute Rückschau auf diese Zeit halte, dann bin ich sicher, dass wir Deutschen im Jahre 1990 die Chance zur Einheit nur während einer Zeitspanne von vielleicht vier bis fünf Monaten hatten. Danach wäre sie vertan gewesen. Deshalb habe ich die Gelegenheit ohne zu zögern genutzt. Alle Vorwürfe, ich hätte überstürzt gehandelt, wir drückten auf das Tempo, haben sich ja im nachhinein als äußerst töricht erwiesen.

Im Jahre 1990 gab es ein weiteres Thema, dem ich mich intensiv gewidmet habe - der europäischen Einigung. Meine These ist, dass die deutsche Einheit nur eine halbe Sache wäre, wenn nicht auch noch die europäische Einigung hinzukäme. Ein vereintes Deutschland und ein vereintes Europa - das sind für mich zwei Seiten derselben Medaille.

Bei unseren Partnern hat sich auch in der zweiten Hälfte des Jahres 1990 die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Bundesrepublik eben nicht nach Osten abdriftet, sondern eine treibende Kraft im Prozess der europäischen Einigung bleibt. Viele hatten ja Angst, die Deutschen würden abdriften -jedenfalls dachten sie so. Margaret Thatcher war da ganz ehrlich, sie hat es offen ausgesprochen.

Von ganz großer Bedeutung waren deshalb die beiden EG-Gipfel im Oktober und im Dezember 1990, auf denen der gemeinsame Vorschlag von Francois Mitterrand und mir aufgegriffen wurde, zusätzlich zur geplanten Wirtschafts- und Währungsunion auch die Politische Union zu schaffen. Das war für viele in der EG der endgültige Beweis, dass die Deutschen auch nach der Wiedervereinigung gute Europäer sind und bleiben.

Am Rande bemerkt: Ich finde es immer noch erstaunlich, wie wenig die SPD 1990 begriff, was sich da entwickelte. Es ist für mich schwer begreiflich, dass eine Partei mit so großer Tradition die einmalige historische Chance der Deutschen nicht erkannte. Bei führenden Sozialdemokraten musste ich einen Mangel an historischem Verständnis feststellen. Sie reduzierten die Frage der deutschen Einheit auf ein materielles, auf ein ökonomisch-soziales Problem und verkannten auf diese Weise die geschichtlichen, die geistig-kulturellen Kräfte, die sich in Bewegung gesetzt hatten. Ihnen ging das Gespür für Geschichte ab.

Wenn Sie mich fragen, wo die entscheidenden Weichen im Wiedervereinigungsprozess seit 1989 gestellt wurden, dann antworte ich Ihnen: Es war mein nächtliches Gespräch mit Gorbatschow, als er im Juni 1989 in Bonn war. Ich meine das nicht in dem Sinne, dass wir damals bereits konkrete Abmachungen getroffen hätten. Aber es war ein Durchbruch zu gegenseitigem Verständnis.

Gorbatschow hat ja sehr früh erkannt, dass die Tage des Kommunismus gezählt sind. Es gab für ihn nur zwei Alternativen: Entweder versucht die Sowjetunion, die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen aus eigener Kraft zu schaffen. Die andere Möglichkeit war, westliche Hilfe anzunehmen. Dabei können die Deutschen eine entscheidende Rolle spielen, weil sie - und vor allem der Bundeskanzler - mit zu den verlässlichsten Partnern und Freunden der USA gehören; ihr Wort hat Gewicht.

Im Rückblick auf alles, was 1989 und 1990 geschehen ist, empfinde ich zunächst einmal große Dankbarkeit. Ich empfinde Dankbarkeit nicht zuletzt darüber, dass ich die Chance hatte, in einer entscheidenden geschichtlichen Stunde der Deutschen unser Vaterland zur Einheit in Freiheit zu fuhren. Solange ich politisch aktiv war, ist mein Ziel gewesen, einen Beitrag zur deutschen Einheit - wie auch zur europäischen Einigung - zu leisten. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen.

Was die Frage der deutschen Einheit anbetrifft, so hat es zwischen Franz Josef Strauß und mir niemals einen Meinungsunterschied gegeben. Er war ein deutscher Patriot. Jedermann weiß, dass wir uns oft miteinander gestritten haben. Aber angesichts der törichten Diskussion, die gegenwärtig über seine deutschlandpolitischen Aktivitäten geführt wird, will ich hier wiederholen, was ich schon vor dem Deutschen Bundestag gesagt habe: Franz Josef Strauß hat sich um die Einheit unseres Vaterlandes große Verdienste erworben.

Wir haben oft darüber gesprochen, wie lange das SED-Regime noch überleben könne. Wir wussten, dass es auf tönernen Füßen stand - aber wie brüchig das Fundament war, habe ich nicht gewusst. Als der Gedanke eines Milliarden-Kredits für die DDR aufkam, als es darum ging, ob wir Honecker ökonomisch helfen sollten, da war mir klar, dass wir bei einer positiven Entscheidung auf großes Unverständnis bei der Anhängerschaft der Union stoßen würden. Deshalb war es wichtig, dass beide Parteivorsitzende eine gemeinsame Haltung eingenommen haben. Dass Franz Josef Strauß dieses Vorhaben unterstützte, erleichterte die Sache ungemein.

Entscheidend war, dass wir gegenüber Honecker auf einer Gegenleistung bestanden haben: Die Gegenleistung bestand darin, dass er Millionen von Landsleuten aus der damaligen DDR - darunter vielen Menschen unterhalb des Rentenalters - Besuche in der Bundesrepublik ermöglichen musste. Über die Folgen dieses Schritts war er sich offenbar gar nicht im klaren: Diese Besuche haben das Bewusstsein für die Zusammengehörigkeit der Nation geschärft und die Feindbilder der SED-Propaganda zerstört. Auf diese Weise hat das SED-Regime sich selbst das Wasser abgegraben. Im Jahre 1989 war schon jeder fünfte Bewohner der DDR mindestens einmal in der Bundesrepublik zu Besuch gewesen.

Das entscheidende Problem ist jetzt, wie wir Deutsche miteinander umgehen: Ob wir genügend Geduld füreinander aufbringen; ob die Menschen in den neuen Bundesländern erkennen, dass der Wohlstand im Westen nicht vom Himmel gefallen ist, sondern hart erarbeitet wurde. Andererseits beobachte ich im Westen immer wieder eine gewisse Überheblichkeit.

Ich wende mich entschieden gegen jede Form von Arroganz und Überheblichkeit gegenüber den Deutschen in den neuen Bundesländern seitens mancher Deutschen im Westen. Ich will es an einem Beispiel erläutern: Was wäre aus mir geworden, wenn ich 1930 in Leipzig und nicht in Ludwigshafen geboren worden wäre? Ich wäre mit größter Wahrscheinlichkeit auch in der DDR zur CDU gegangen -das war 1947 die CDU eines Jakob Kaiser. Wenn ich in der DDR geblieben wäre, hätte ich den Bau der Mauer im Alter von 31 Jahren erlebt. Ich kann nicht sagen, ob ich dann nicht versucht hätte, mich mit den Verhältnissen in der DDR irgendwie zu arrangieren. Ich habe größten Respekt vor denen, die sich nicht arrangiert haben - bis hin zur Konsequenz, dass sie ins Gefängnis kamen. Wenn man sich das klarmacht, dann wird man bescheidener und zurückhaltender.

Deshalb werde ich immer wieder mahnen, dass jene Deutschen, die das Glück hatten, jahrzehntelang in Freiheit zu leben, bei der Beurteilung ihrer Landsleute in den neuen Bundesländern, die jahrzehntelang auf der Schattenseite deutscher Geschichte leben mussten, Fairness und Verständnis zeigen.

Quelle: Extrablatt der Südwest Presse, 2. Oktober 1991.