2. April 1998

Regierungserklärungzur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion

 

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, 

die Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist in ihren praktischen Konsequenzen die bedeutendste Entscheidung seit der deutschen Wiedervereinigung. 

Sie ist die tiefgreifendste Veränderung auf unserem Kontinent seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums. 

Sie ist zugleich der wichtigste Meilenstein im europäischen Einigungsprozeß seit Gründung der Montanunion 1951 und seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahr 1957.

Es ist richtig und entspricht einer großen demokratischen Tradition, daß diese für die Zukunft unserer Nation so wesentliche Frage im Deutschen Bundestag, dem frei gewählten Parlament aller Deutschen, diskutiert wird. 

Der Deutsche Bundestag hat am 2. Dezember 1992 dem Vertrag von Maastricht mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Ein Kernelement dieses Vertrages ist die Schaffung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. 

Wir stehen jetzt kurz vor der Verwirklichung dieses Ziels. In diesem Augenblick spüren wir alle in ganz besonderer Weise, was dieser Schritt bedeutet. 

Das 20. Jahrhundert, das jetzt bald zu Ende geht, hat zwei Gesichter gezeigt - zwei Gesichter, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. 

In der ersten Hälfte war es von den schlimmsten Kriegen gezeichnet, die die Menschheit je erlebt hat, von Terrorherrschaft und totalitären Ideologien. 

In der zweiten Hälfte aber - zunächst nur in einem Teil unseres Kontinents - stand es im Zeichen von Frieden und Freiheit, von Verständigung und Versöhnung. 

Diese tiefgreifende Veränderung vom Schlimmen zum Guten hat viele Gründe – vor allem die Einigung Europas. 

Die europäische Einigung ist ein Glücksfall – gerade für uns Deutsche. Ohne diese Politik wäre es nicht möglich gewesen, aus dem freien Teil unseres Kontinents dauerhaft den Krieg zu verbannen. 

Ohne die Einigung Europas wäre auch die Deutsche Einheit nicht möglich gewesen. 

Gerade wir Deutschen haben das größte Interesse daran, daß die Einigung Europas weiter vorankommt. Dafür bietet sich uns heute eine historische Chance, die es zu nutzen gilt. 

Vor acht Jahren hatten wir die einmalige Chance zur Wiedervereinigung. Wir haben sie genutzt. Damals waren Bedenkenträger und Miesmacher unterwegs, die uns daran hindern wollten. 

Es sind zum großen Teil die gleichen, die heute Stimmung gegen die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion machen. Genauso wenig wie bei der Deutschen Einheit werden wir uns heute von solchen Bedenkenträgern beirren lassen. 

Wir sind auf gutem Weg, das gemeinsame Haus Europa zu errichten, aber wir wissen auch: Ein Haus, das nur halb vollendet ist, zerfällt wieder. Es wird dem Wind und den Stürmen eines neuen Jahrhunderts - von dem wir gar nicht wissen können, was es alles bringt - auf Dauer nicht standhalten können. 

Deshalb müssen wir den Bau des Hauses Europa jetzt und nicht später fortführen und vollenden. 

Mehr denn je gilt, was Konrad Adenauer am 15. Dezember 1954 vor dem Deutschen Bundestag erklärte: "Die Einheit Europas war ein Traum von Wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für Viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle."

Wir stehen vor zwei epochalen Aufgaben, die das Gesicht Europas im nächsten Jahrhundert prägen werden. 

Es geht zum einen darum, durch die Erweiterung der Europäischen Union und des Nordatlantischen Bündnisses endgültig die Gräben des Kalten Krieges auf unserem Kontinent zu überwinden. Dabei haben wir bereits großartige Fortschritte erzielt. 

Vor zwei Tagen hat die Europäische Union offiziell die Verhandlungen zum Beitritt von Polen, der Tschechischen Republik, Ungarn, Slowenien, Estland und Zypern aufgenommen. 

In der vergangenen Woche haben Bundestag und Bundesrat dem Beitritt von Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn zur NATO zugestimmt. 

Das zweite große Ziel, vor dessen Verwirklichung wir stehen, ist die gemeinsame europäische Währung. Sie wird der europäischen Einigung eine neue Qualität verleihen. 

Beides - die Erweiterung der Union und die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion - steht in der Kontinuität der Politik der europäischen Einigung von Konrad Adenauer.

In der deutschen Nachkriegsgeschichte ist das europäische Einigungswerk von führenden Persönlichkeiten aus allen demokratischen Parteien nachdrücklich unterstützt und gefördert worden. Ich nenne hier neben Konrad Adenauer stellvertretend Carlo Schmid, Kurt Georg Kiesinger, Franz-Josef Strauß und Willy Brandt. 

Mit besonderer Dankbarkeit möchte ich auch an die großen europapolitischen Debatten der vergangenen Jahre und Jahrzehnte im Deutschen Bundestag erinnern. Es waren Sternstunden des Parlaments. 

Heute ist es Helmut Schmidt, der mit Leidenschaft und strategischen Argumenten für die Europäische Währungsunion eintritt. Auch dies will ich dankbar erwähnen. 

Die gemeinsame europäische Währung ist ein tragendes Element beim Bau eines stabilen und wetterfesten Hauses Europa. Sie wird das Zusammengehörigkeitsgefühl der Europäer stärken. 

Der Euro wird das Bewußtsein dafür fördern, daß die Völker Europas die großen Aufgaben der Zukunft nur gemeinsam lösen können. 

An den Anfängen der Geschichte der europäischen Einigung stand die berühmte Erklärung des damaligen französischen Außenministers Robert Schuman vom 9. Mai 1950, die schließlich zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl führte. 

Schuman sagte - ich zitiere - : "Europa läßt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung: Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen". 

Über 40 Jahre europäischer Erfolgsgeschichte haben bewiesen, daß die europäische Integration kein "Glasperlenspiel" für verträumte Weltverbesserer ist - sie ist handfeste und harte Alltagsarbeit, sie vollzieht sich Schritt für Schritt. 

Es hat sich einmal mehr erwiesen, daß die Visionäre die wahren Realisten der Geschichte sind. 

Zukunft für unser Land läßt sich nur mit Mut, Grundsatztreue und Weitsicht gewinnen! Mit Ängstlichkeit und Opportunismus läßt sich keine Zukunft gewinnen. 

In der jüngsten Zeit sind aus den Reihen der Opposition Stimmen zu hören, die deutlich machen, daß man die existentielle Bedeutung dieser großen Zukunftsziele für Deutschland und Europa entweder nicht begreift oder nicht begreifen will. Ich empfinde dies als bedrückend. 

Vor einigen Tagen hat Ministerpräsident Schröder über die Einführung des Euro folgendes gesagt - ich zitiere - : "Die überhastete Währungsunion hat zu einer kränkelnden Frühgeburt geführt."

Für diese Äußerung fehlt mir jegliches Verständnis. 

Wer sich um das Amt des deutschen Bundeskanzlers bewirbt und sich aus populistischen Gründen zu einer solchen Formulierung versteigt, der disqualifiziert sich selbst. Denn damit isoliert er sich im Kreise unserer europäischen Partner und Freunde. 

Zu den Vätern dieser angeblichen "kränkelnden Frühgeburt", wie Herr Schröder sie nennt, gehören unter anderem: 

Ministerpräsident Wim Kok, Spitzenkandidat der niederländischen Partei der Arbeit für die bevorstehenden Parlamentswahlen, Vizepräsident der Sozialistischen Internationale, Premierminister Antonio Guterres, Generalsekretär der Sozialistischen Partei Portugals, Vizepräsident der Sozialistischen Internationale, Ministerpräsident Paavo Lipponen, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Finnlands, Vizepräsident der Sozialistischen Internationale, Premierminister Lionel Jospin, Vizepräsident der Sozialistischen Internationale, Bundeskanzler Viktor Klima, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Österreichs sowie mein alter Freund Felipe Gonzalez, ebenfalls Vizepräsident der Sozialistischen Internationale. 

Ich fühle mich wohl in der Reihe dieser Kollegen - und Sie, meine Damen und Herren von der SPD, müssen mit sich ausmachen, daß Sie immer mehr zu Außenseitern in Europa werden. Wie wollen Sie auf diese Weise eigentlich deutsche Interessen in Europa vertreten und durchsetzen? 

Die SPD entfernt sich mit solchen Äußerungen auch vom Votum der deutschen Gewerkschaften. Der DGB hat am vergangenen Wochenende klar und deutlich festgestellt, die Einführung des Euro am 1. Januar 1999 sei geradezu ideal. Und er hat hinzugefügt, die Einführung des Euro eigne sich nicht für einen populistischen Wahlkampf. Dies ist eine begrüßenswerte Klarstellung. 

Ebenso deutlich haben sich die Repräsentanten der deutschen Wirtschaft - und auch der Landwirtschaft - für eine gemeinsame europäische Währung ausgesprochen. 

Meine Damen und Herren, 

der Euro ist eine der wichtigsten Antworten auf die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. 

Damit verbindet sich zugleich die zentrale Frage, ob Europa - und damit auch Deutschland - den Aufbruch in die Zukunft schafft. 

Von dieser Entscheidung hängt ganz wesentlich ab, ob künftige Generationen in Deutschland und Europa dauerhaft in Frieden und Freiheit, in Wohlstand und sozialer Stabilität leben können. 

Die Bedeutung der Europäischen Währungsunion geht weit über das Ökonomische hinaus. Eine Währung ist mehr als nur ein Zahlungsmittel. Sie ist immer auch ein Stück nationale Tradition, ein Stück kultureller Identität. 

Gerade für uns Deutsche ist sie von enormer emotionaler Bedeutung und politischer Symbolik. 

Für die meisten Deutschen ist die D-Mark, die im Juni 50 Jahre alt wird, Symbol für 50 Jahre Frieden, 50 Jahre Freiheit und 50 Jahre Stabilität in Wohlstand. Die Einführung der D-Mark verbinden wir mit dem Beginn des Wiederaufbaus unseres Landes aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges. 

Für die Menschen in den neuen Bundesländern steht die D-Mark für den demokratischen Neubeginn nach dem Ende von über 40 Jahren SED-Diktatur und für den Weg zur Deutschen Einheit. 

Vor diesem Hintergrund habe ich großes Verständnis dafür, daß sich viele Bürgerinnen und Bürger mit dem Abschied von der bewährten D-Mark schwertun. 

Ich bin mir der großen Verantwortung bewußt, die mit der Entscheidung für den Euro nicht nur für die heutige, sondern auch für künftige Generationen verbunden ist. 

In diesem Jahr begehen wir den 50. Geburtstag der D-Mark. Ich hoffe und bin sicher, die Menschen werden in 50 Jahren zu dem Urteil kommen, daß wir heute die Zeichen der Zeit erkannt und richtig gehandelt haben. 

Meine Damen und Herren, 

wir haben alle Vorkehrungen dafür getroffen, daß der Euro eine dauerhaft stabile Währung wird. 

Die Bundesregierung - und ich ganz persönlich - hat sich bei unseren Partnern in der Europäischen Union immer wieder nachdrücklich dafür eingesetzt, daß die Stabilitätskriterien des Vertrages von Maastricht nicht zur Disposition gestellt werden. 

Die Bundesregierung hat im Vertrag von Maastricht durchgesetzt, daß die zukünftige Europäische Zentralbank so unabhängig wie die Deutsche Bundesbank und zuallererst der Stabilität der Währung verpflichtet ist. 

Und wir haben erreicht, daß der Sitz der Europäischen Zentralbank nach Frankfurt gekommen ist. Der Name Frankfurt steht dank der Arbeit der Bundesbank weit über die Grenzen unseres Landes hinaus für Stabilität und Solidität. Ich bin sicher, daß dies auch für die Zukunft gelten wird. 

Mein besonderer Dank gilt in dieser Stunde Bundesfinanzminister Theo Waigel. Auf seinen Vorschlag hin haben wir gemeinsam durchgesetzt, daß die strengen Kriterien des Maastricht-Vertrages durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt dauerhaft eingehalten werden. 

Die Erfolgsgeschichte der D-Mark geht daher mit dem Wechsel zum Euro auf europäischer Ebene weiter. Mit dem Euro sichern wir die Werte, die die D-Mark zum Inbegriff von Stabilität und Vertrauen gemacht haben. 

Meine Damen und Herren, 

Europa ist bereits im Vorfeld der Währungsunion zu einer Stabilitätsgemeinschaft zusammengewachsen. 

Dies ist die übereinstimmende Botschaft der Konvergenzberichte, die die Europäische Kommission und das Europäische Währungsinstitut in der vergangenen Woche vorgelegt haben. 

Zu diesem Ergebnis kommt auch die Deutsche Bundesbank in ihrer Stellungnahme zur Konvergenzlage in der Europäischen Union, um die ich gebeten hatte. 

Die Preissteigerungsraten und die Zinsen in den Mitgliedsländern der Europäischen Union haben mittlerweile historische Tiefstände erreicht. Der durchschnittliche Preisanstieg in der EU liegt heute bei 1,6 Prozent, und die langfristigen Zinsen liegen mittlerweile unter 5 Prozent. 

Dies ist das Ergebnis einer auf Preisstabilität ausgerichteten Politik in allen Ländern, die sich auf den Euro vorbereiten.

Wir haben eine nie zuvor gekannte Stabilitätskultur! 

Eine harte Währung ist zugleich die beste Sozialpolitik. Gerade Rentner, Sparer und Menschen mit niedrigem Einkommen sind besonders darauf angewiesen, daß ihr Geld seinen Wert behält. 

Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte hat in den vergangenen Jahren substantielle Fortschritte gemacht. In 14 EU-Mitgliedstaaten lag das Haushaltsdefizit 1997 unter oder bei 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. 

Noch vor vier Jahren lagen die Defizitzahlen im Durchschnitt in der EU weit mehr als doppelt so hoch. 1993 waren es 6,1 Prozent - heute sind es 2,4 Prozent. 

Deutschland hat das schwierige Defizitziel von 3 Prozent mit 2,7 Prozent deutlich unterschritten - auch und dank der konsequenten Reformpolitik und strikten Haushaltsdisziplin der Bundesregierung. 

Beim Schuldenstand-Kriterium lagen wir 1997 mit 61,3 Prozent leicht über dem im Maastricht-Vertrag vorgesehenen Referenzwert von 60 Prozent. 

Aber die Europäische Kommission und das Europäische Währungsinstitut heben zu Recht hervor: In den Deutschlands schlägt sich vor allem die Erblast von über 40 Jahren sozialistischer Zwangswirtschaft unter der SED-Diktatur nieder.

Deutschland hatte im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung außergewöhnliche Lasten zu tragen. Es ist begrüßenswert, daß dies erneut ausdrücklich auch in den Berichten von Europäischer Kommission und Europäischem Währungsinstitut anerkannt wird. 

Ohne diese zusätzlichen Belastungen lägen die Staatsschulden heute weit unter dem geforderten Referenzwert - und zwar bei nur rund 45 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts. 

Für mich ist weitaus wichtiger als alles andere, daß unser Schuldenstand nicht Ergebnis einer unsoliden Haushaltspolitik ist, sondern die unvermeidliche Konsequenz der großen Leistungen, die wir für die innere Einheit unseres Landes erbringen. 

Könnten wir stolz sein auf einen Schuldenstand von 45 Prozent, wenn dafür Deutschland weiter geteilt wäre und 17 Millionen Deutschen weiterhin Freiheit, Recht und Menschenwürde verweigert würde? 

Niemand sollte vergessen, daß auf der Habenseite das Geschenk der Deutschen Einheit in Frieden und Freiheit steht. 

Dies ist und bleibt ein Grund zu Freude und Dankbarkeit. Die Wiedervereinigung unseres Vaterlands war und ist jede Anstrengung wert! 

Meine Damen und Herren, 

trotz des unbestreitbar zu hohen Schuldenstandes in einigen EU-Mitgliedstaaten urteilt die Europäische Kommission insgesamt - Zitat: "Die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Rückgang der Schuldenquoten in den nächsten Jahren sind gegeben." (Zitat Ende) 

All diese Entwicklungen zeigen klar und deutlich: Die Voraussetzungen für eine stabile europäische Währung waren noch nie so gut wie heute. 

Dies ist das Ergebnis gewaltiger Konvergenz-Anstrengungen in den Mitgliedsländern der Europäischen Union. 

Für die meisten war vor wenigen Jahren noch undenkbar, daß heute fast alle EU-Staaten die strikten Kriterien des Maastricht-Vertrages erfüllen würden. 

Die Daten und Fakten der Berichte der Europäischen Kommission und des Europäischen Währungsinstituts ebenso wie der Stellungnahme der Bundesbank sprechen eine eindeutige Sprache. 

Sie widerlegen all jene Pessimisten, die den im Maastricht-Vertrag festgelegten Zeitplan für den Euro bis zum Schluß immer wieder in Zweifel gezogen haben. 

Heute steht fest: Zeitplan und Konvergenz werden erfüllt! Die Europäische Währungsunion wird pünktlich am 1. Januar 1999 beginnen. Dies liegt im europäischen Interesse - und es liegt in unserem deutschen Interesse. 

Die Europäische Kommission schlägt dem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs folgende 11 Mitgliedstaaten für die Teilnahme am Euro ab diesem Datum vor: Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal und Finnland. 

Das Europäische Währungsinstitut und die Deutsche Bundesbank haben in ihren Stellungnahmen bestätigt, daß dies ein stabilitätspolitisch vertretbarer Vorschlag sei. 

Die Bundesregierung teilt diese Bewertung. Sie beabsichtigt daher, beim Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs am 2. Mai 1998 in Brüssel für den Vorschlag der Europäischen Kommission zu stimmen. 

Die Bundesregierung hat am 27. März 1998 außerdem ausdrücklich beschlossen - ich zitiere -, "auch weiterhin die vom Maastricht-Vertrag geforderte Nachhaltigkeit der erreichten Konvergenz nachdrücklich zu vertreten und ihr besondere Aufmerksamkeit zu widmen." (Zitat-Ende). 

Insbesondere geht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang davon aus, daß diejenigen Staaten, die noch eine besonders hohe Gesamtverschuldung aufweisen, ihre Strategie einer weiteren Konsolidierung der Staatsfinanzen energisch fortführen. 

Wir wünschen uns, daß jene Länder in der EU, die jetzt noch nicht in der Euro-Zone dabei sein wollen oder noch nicht dabei sein können, bald zu dem Kreis der Länder mit einer gemeinsamen Währung hinzukommen. 

Meine Damen und Herren, 

die großen wirtschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit sind nicht im nationalen Alleingang zu lösen. 

Die zunehmende Globalisierung der Märkte und ein immer schärferer weltweiter Standortwettbewerb zwischen Ländern und Regionen um Investoren und Arbeitsplätze erfordern ein gemeinsames Handeln der Europäer.

Die Einführung des Euro ist eine zwingende Notwendigkeit, und sie liegt in unserem ureigenen Interesse. 

Die neue gemeinsame Währung wird Europa als einen Raum wirtschaftlichen Wohlstandes und monetärer wie sozialer Stabilität weiter festigen. 

Und sie wird unseren Kontinent im Wettbewerb mit anderen dynamischen Wirtschaftsräumen wie der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA, der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur und der südost-asiatischen Vereinigung ASEAN stärken. Wir haben keine Alternative - nur gemeinsam werden wir auch im 21. Jahrhundert erfolgreich sein! 

Der Euro trägt nicht zuletzt zur Stabilisierung des internationalen Währungs- und Finanzsystems bei. Dies ist gerade mit Blick auf die Finanzkrise in Südostasien von besonderer Bedeutung. 

Der europäische Binnenmarkt ohne Grenzen für Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital wird durch die gemeinsame europäische Währung vollendet. 

Mit der Euro-Zone wird ein einheitlicher Markt mit fast 300 Millionen Menschen und einem Anteil von rund 20 Prozent am Welteinkommen - vergleichbar dem Anteil der USA - entstehen. 

Die Verbraucher werden durch die bessere Vergleichbarkeit der Preise ganz unmittelbar profitieren. 

Ich führe ein weiteres Beispiel an, das häufig genannt wird: Millionen Deutsche, die in jedem Jahr ihren Urlaub bei unseren europäischen Nachbarn verbringen, sparen Kosten, weil sie künftig kein Geld mehr umzutauschen brauchen. 

Aus der wissenschaftlichen Diskussion wissen wir, daß der Wegfall des Wechselkursrisikos für die Unternehmen in den Euro-Ländern Einsparungen in einer zweistelligen Milliarden-Höhe ermöglicht. Denn mit Einführung des Euro entfällt die teure Absicherung gegen Wechselkursschwankungen. 

Die gemeinsame europäische Währung wird das Klima für Investitionen und Beschäftigung in Deutschland und Europa nachhaltig verbessern. 

Natürlich weiß ich, daß der Euro kein Patentrezept ist, mit dem sich unsere Arbeitsmarkt-Probleme auf einen Schlag lösen lassen. 

Aber ich erinnere daran, daß wir das Exportland Nummer 2 in der Welt sind. 

Jeder fünfte Arbeitplatz bei uns hängt vom Export ab. Mehr als 40 Prozent unserer Ausfuhren gehen in die Länder, die jetzt gute Chancen haben, beim Start der Währungsunion dabei zu sein. Und weil gegenüber diesen Ländern künftig keine Wechselkursrisiken mehr bestehen, gibt es auch weniger Risiken für die exportabhängigen Arbeitsplätze in Deutschland. 

Die Europa-Währung eröffnet die große Chance für eine neue nachhaltige wirtschaftliche Dynamik, für dauerhaftes Wachstum und zukunftssichere Arbeitsplätze im 21. Jahrhundert. 

Die Deutsche Bundesbank stellt in ihrer Stellungnahme fest - ich zitiere: "Letzlich wird die Währungsunion um so besser gelingen, je flexibler die Güter-, Finanz- und Arbeitsmärkte sind." (Zitat Ende) 

Die klare Botschaft der Bundesbank lautet: Wir werden die Chancen des Euro für mehr Beschäftigung nutzen, wenn wir in Deutschland unseren Reformkurs beharrlich fortsetzen und wenn alle Beteiligten weiter ihren Beitrag leisten - insbesondere Unternehmen und Tarifpartner.

Wer jetzt aus populistischen Gründen die notwendigen Reformen verweigert oder zukunftssichernde Reformen zurücknehmen will, treibt Kosten in die Höhe und verweigert arbeitsuchenden Menschen die Chance auf eine Beschäftigung. 

Wer jetzt nicht die notwendigen Reformen vorantreibt, sondern zuerst in eine europaweite Harmonisierung der Standards in der Steuer-, Sozial- und Umweltpolitik flüchtet, wird keinen Fortschritt in Europa bewirken und das Ziel nicht erreichen. 

Eine solche Politik ist unrealistisch, weil niemand in Europa bereit wäre, sich beispielsweise auf unsere hohen Sozial- und Umweltstandards jetzt einzulassen. Denn dies würde für unsere Partner bedeuten, zu unseren Gunsten auf eigene Wettbewerbsvorteile zu verzichten. 

Sie ist gefährlich, weil nur eine Harmonisierung auf einem niedrigeren Niveau zustande käme. Damit würde verspielt, was wir in Deutschland zum Beispiel in der Sozialpolitik erreicht haben. 

Wir bleiben dabei: Die notwendigen Reformen müssen jetzt durchgesetzt werden. 

Das Erledigen unserer Hausaufgaben nimmt uns niemand ab. Unabhängig davon ist es natürlich hilfreich, die nationalen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitiken in der EU besser untereinander zu koordinieren. 

Der EU-Beschäftigungsgipfel in Luxemburg im vergangenen November war ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Nach Abschluß der Gespräche mit den Sozialpartnern wird die Bundesregierung den deutschen Aktionsplan noch in diesem Monat vorstellen. 

Meine Damen und Herren, 

die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion leitet einen neuen Abschnitt der europäischen Einigung ein. 

Zugleich haben wir mit dem Vertrag von Amsterdam die Grundlage für die Erweiterung, aber auch für die innere Fortentwicklung der Europäischen Union geschaffen. 

Ich freue mich, daß Deutschland dank der überwältigenden Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zu diesem Vertragswerk der erste Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, der das Ratifizierungsverfahren abgeschlossen hat. 

Es kommt jetzt zum einen darauf an, die Neuerungen von Amsterdam entschlossen in die Tat umzusetzen und so die Handlungsfähigkeit und Effizienz der Europäischen Union ganz konkret zu verbessern. 

Ich denke dabei etwa an den Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik und vor allem auch an die gemeinsame Bekämpfung des international organisierten Verbrechens. 

Zum anderen haben wir in Amsterdam auch Fortschritte bei der Reform der europäischen Institutionen erreicht, auf denen wir aufbauen können. Ich nenne als Beispiel nur die neuen Rechte und Möglichkeiten des Europäischen Parlaments. 

Allerdings reichen alle diese institutionellen Fortschritte - gerade mit Blick auf Erweiterung und Akzeptanz - noch nicht aus. 

Wir stehen heute vor der Frage: Wie kann eine erweiterte Europäische Union ihre Handlungsfähigkeit nach innen und außen verbessern und zugleich ihre demokratische Verankerung sowie ihre Bürgernähe weiter stärken und ausbauen? 

Nach der Entscheidung über den Euro halte ich jetzt den Zeitpunkt für gekommen, eine Bestandsaufnahme in dieser sensiblen Frage vorzunehmen. 

Viele Kollegen im Kreis der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union stimmen mir darin zu, beim Europäischen Rat in Cardiff Mitte Juni hierüber eine Diskussion einzuleiten. 

Eine der zentralen Fragen wird dabei für mich die weitere Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips sein. 

Wir sind uns im Grundsatz darüber einig, daß auf europäischer Ebene nur das geregelt werden soll, was nicht in ausreichendem Maße auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene entschieden werden kann und zugleich besser auf europäischer Ebene zu regeln ist. 

Eine zentralistische europäische Gemeinschaft mit einer allzuständigen Hauptstadt Brüssel war und kann niemals unser Ziel sein. Europa muß auch künftig von seiner kulturellen Vielfalt, seinen regionalen Besonderheiten und seinen unterschiedlichen Traditionen geprägt sein. 

Nationalstaaten und Europäische Union werden auch künftig unterschiedliche, sich zum Teil gegenseitig ergänzende Aufgaben erfüllen. 

Im einzelnen gibt es hierüber in Brüssel und in den einzelnen Mitgliedstaaten allerdings doch noch sehr unterschiedliche Vorstellungen. 

Wir müssen daher die Abgrenzung der jeweiligen Kompetenzen präzisieren; auch die Rückgabe mancher Zuständigkeiten von Brüssel in die nationale oder regionale Verantwortung kann kein Tabu sein. Dies hat mit "Renationalisierung" - wie manchmal behauptet wird - nichts zu tun. Wir wollen eine bürgernahe Union. 

Meine Damen und Herren, 

die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode nahezu alle notwendigen Zukunftsreformen bei uns durchgesetzt - meist gegen erbitterten Widerstand. 

Ich nenne zum Beispiel 

die Bahn- und Postreform, 
die Privatisierung der Telekom und der Lufthansa, 
die Abschaffung der arbeitsplatzvernichtenden Substanzsteuern -
Vermögensteuer und Gewerbekapitalsteuer,
die Senkung des Solidaritätszuschlages, 
die Gesundheitsreform und 
die Rentenreform. 

Die volle Wirkung unserer Reformen für Wachstum und Arbeitsplätze in Deutschland wird sich erst nach und nach entfalten - doch erste Erfolge sind bereits jetzt sichtbar.

Deutschland hat seine Position als starker Innovations-Standort in der Welt erfolgreich ausgebaut. 

Zum Beispiel nimmt unser Land inzwischen wieder Rang 1 in der Welt bei den gerade im Zusammenhang mit der Globalisierung besonders wichtigen Weltmarkt-Patenten ein. 

Die deutsche Exportwirtschaft boomt. Gegenüber dem Vorjahr sind unsere Ausfuhren 1997 um über 10 Prozent gestiegen. Erstmals haben wir wieder Weltmarktanteile zurückgewonnen. 

Von der Computermesse CeBIT 98, die am 25. März 1998 endete, geht ein Signal der Zuversicht aus. Der Messeverlauf hat nach Einschätzung der Aussteller alle Erwartungen übertroffen, es wird mit einem lebhaften Nachmessegeschäft gerechnet. 

Dies zeigt deutlich, daß sich der Modernisierungskurs in Wirtschaft und Gesellschaft auszahlt. Der Standort Deutschland ist international inzwischen spürbar wettbewerbsfähiger geworden. 

All dies wirkt sich positiv auf das Wachstum in unserem Land aus. Das Aufschwungtempo beschleunigt sich. 

In diesem Jahr wird ein Wachstum in der Größenordnung von 2 1/2 bis 3 Prozent erwartet. Für 1999 zeichnet sich ein noch besseres Ergebnis ab. 

Die wichtigste innenpolitische Aufgabe ist nach wie vor die Bekämpfung der viel zu hohen Arbeitslosigkeit. 

Gegenwärtig beobachten wir am Arbeitsmarkt in den alten und neuen Bundesländern eine unterschiedliche Entwicklung. 

In Westdeutschland setzt die Trendwende am Arbeitsmarkt langsam aber sicher ein. Besonders in exportstarken Branchen wie dem Maschinenbau, der Elektrotechnik und dem Automobilbau wird wieder eingestellt. 

In Ostdeutschland belastet derzeit vor allem noch der Arbeitsplatzabbau in der Bauwirtschaft den Arbeitsmarkt. Dagegen wächst die ostdeutsche Industrie kräftig - doch schlägt sich dies noch nicht ausreichend in zusätzlichen Arbeitsplätzen nieder.

Der Aufbau Ost hat für die Bundesregierung unverändert Priorität. Wir werden unsere Unterstützung für den Aufbau Ost auch in Zukunft auf hohem Niveau weiterführen - ungeachtet aller Konsolidierungs-Anstrengungen, die wir in den nächsten Jahren fortsetzen werden. 

Meine Damen und Herren, 

vor allem muß Deutschland für inländische und ausländische Investoren wieder attraktiver werden. Im Zeitraum von 1985 bis 1996 haben ausländische Investoren in Großbritannien achtmal so viel investiert wie in Deutschland. 

Deshalb brauchen wir ein international wettbewerbsfähiges Steuersystem. Wir brauchen eine durchgreifende Steuerreform, die den Weg freimacht für Innovationen und Investitionen. 

Gerade jetzt erlebt der Standort Europa eine Renaissance. Das Interesse der Anleger aus dem Dollar-Bereich richtet sich besonders auf Deutschland. 

Gerade jetzt wäre eine durchgreifende Steuerreform eine große Chance gewesen, mehr Investoren für Deutschland zu gewinnen. Mit der Ablehnung der Steuerreform ist diese Chance vertan worden. 

Die Bundesregierung tritt dennoch weiter mit aller Entschiedenheit für eine große Steuerreform ein, die diesen Namen wirklich verdient. Wir kämpfen darum, daß mehr Investitionen und Arbeitsplätze nach Deutschland kommen. 

Unser vom Bundestag verabschiedetes, aber von der Bundesrats-Mehrheit verhindertes Petersberger Konzept bleibt richtig! 

Die Bundestagswahl im kommenden September wird auch ein Plebiszit über die Steuerreform sein. Ich bin sicher, daß wir diese Entscheidung gewinnen werden. 

Meine Damen und Herren, 

knapp zwei Jahre vor der Jahrtausendwende eröffnen sich unserem Kontinent neue Horizonte. Ein neues Europa entsteht. 

Es ist ein Europa, in dem wir Deutschen von Partnern und Freunden umgeben sind, die mit uns gemeinsam das Haus Europa bauen. 

Zu dieser Entwicklung hat die deutsche Außenpolitik einen wichtigen Beitrag geleistet, der auch weltweit Anerkennung findet. Erstmals in unserer Geschichte haben wir gute, ja exzellente Beziehungen zu Washington, Paris, London und Moskau. 

Dies ist für uns Deutsche ein Geschenk der Geschichte am Ende des 20. Jahrhunderts. 

Zu Beginn dieses Jahrhunderts war die Staatenwelt von nationaler Machtpolitik und dem Streben nach Einflußsphären geprägt. 

Für Generationen bewahrheitete sich auf grausame Weise der Satz, den der britische Außenminister Lord Edward Grey beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 sagte - ich zitiere -: "In diesem Augenblick gehen in ganz Europa die Lichter aus; wir alle werden sie in unserem Leben nie wieder leuchten sehen."

Unter uns leben noch viele Menschen mit persönlichen Erinnerungen an die dunklen Jahrzehnte, die damals für Millionen Europäer begannen. Es war die Zeit der Weltkriege und des Totalitarismus, des Faschismus und Nationalsozialismus, des Kommunismus. 

Diese Zeit endete erst vor wenigen Jahren mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums. 

Am Ende dieses blutigen 20. Jahrhunderts haben wir die Chance, gemeinsam mit den Freunden und Partnern in Europa an einer besseren und gerechteren Welt zu bauen, in der das Licht der Freiheit und des Friedens hell leuchtet. 

Dieses Europa ist unser Auftrag. Es ist unsere Verpflichtung gegenüber der jungen Generation, gegenüber unseren Kindern und Enkeln. 

Meine Damen und Herren, 

ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zur Vorlage der Bundesregierung zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion!

 

Quelle: CDU/CSU-Bundestagsfraktion 1998