2. September 1998

Rede anlässlich der Eröffnung der 57. Internationalen Automobil-Ausstellung Nutzfahrzeuge in Hannover

 

Herr Ministerpräsident,
Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Gottschalk,
Exzellenzen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

I.

 

zunächst darf ich Ihnen die herzlichen Grüße der Bundesregierung überbringen. Mein besonders herzlicher Gruß gilt auch unseren vielen ausländischen Gästen. Ich wünsche mir, daß Sie nach - wie ich hoffe - für Sie erfolgreichen Messetagen mit der festen Absicht aus Hannover scheiden, spätestens zur EXPO 2000 wiederzukommen.

 

Meine Damen und Herren, ich bin heute gerne gekommen, um mit Ihnen die 57. Internationale Automobil-Ausstellung Nutzfahrzeuge zu eröffnen. Zunächst möchte ich eine kurze Bemerkung zu einer kritischer gewordenen internationalen Lage machen. Dies ist angemessen, zumal wir uns hier im Kreis international operierender Unternehmen befinden. Ich schicke voraus - Wahlkampf hin, Wahlkampf her -, daß ich nichts davon halte, derartige internationale Entwicklungen, deren Ende niemand absehen kann, unter Wahlkampfgesichtspunkten zu betrachten. Ich hoffe, daß die Demokraten in Deutschland in der Lage sind zu unterscheiden, was sie untereinander im Streit austragen - der muß sein - und was wir tun müssen, um gemeinsam die Zukunft unseres Landes zu sichern.

 

Die Entwicklungen in Asien und Rußland sowie im früheren Jugoslawien und im Kosovo verdienen unsere höchste Aufmerksamkeit. Die Ereignisse unterstreichen einmal mehr, daß es ein Irrtum ist zu glauben, daß wir Urlaub von der Geschichte hätten. Ich sage dies gerade auch für Deutschland. Als eines der großen Industrieländer der Welt und als - gemessen an Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft - Nummer eins in Europa haben wir auch internationale Verpflichtungen.

 

Unsere Besorgnis gilt in diesen Tagen insbesondere der Entwicklung in Rußland. Ich kann noch kein abschließendes Urteil darüber abgeben, was US-Präsident Clinton bei seinem Besuch in diesen Tagen in Moskau mit Boris Jelzin und Viktor Tschernomyrdin besprechen konnte. Aus unseren regelmäßigen und intensiven Kontakten - auch mit meinen europäischen Kollegen - weiß ich, daß wir alle uns einig sind.

 

Wir hoffen, daß das russische Parlament, die Duma, den Ministerpräsidenten in dieser Woche bestätigen wird, damit das Land eine national wie international handlungsfähige Regierung erhält. Wir hoffen zugleich, daß diese Regierung - auch mit Unterstützung des Präsidenten - alles tut, damit der Prozeß der Reformen in Rußland nicht zurückgenommen, sondern fortgesetzt wird. Es ist für uns alle existentiell, daß in Rußland eine freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie, eine offene marktwirtschaftliche Ordnung und der Weg zu sozialer Stabilität - was immer auch gleichbedeutend ist mit demokratischer Stabilität - vorangebracht werden.

 

Zu den von manchen mit Blick auf Rußland jetzt erhobenen Forderungen nach internationalen Konferenzen habe ich eine klare Meinung. Ich bin natürlich bereit, gegebenenfalls daran teilzunehmen. Allerdings muß man dabei sehen, daß im Zusammenhang mit solchen internationalen Treffen regelmäßig die Forderung nach neuem Geld aufkommt. Klar ist auch: In der jetzigen Situation würde es Rußland und uns allen schaden, Versprechungen zu machen, die am Ende dazu führen, daß jene Kräfte geschwächt werden, die den Weg der Vernunft weiter vorangehen. Es liegt an Rußland selbst, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Land dauerhaft aus der Krise zu führen - man muß das unter Freunden aussprechen, ich sage dies bewußt auch aufgrund meiner sehr persönlichen und freundschaftlichen Beziehung zu diesem Land.

 

Wir werden Rußlands Reformkurs weiter unterstützen. Wir wollen dies um der Menschen willen tun. Die Menschen in der früheren Sowjetunion und dem heutigen Rußland haben nach einem dreiviertel Jahrhundert, nach Jahrzehnten unter dem Joch des Kommunismus, heute zum ersten Mal - wenn auch unter unendlichen Schwierigkeiten - die Chance, eine neue Zeitrechnung zu beginnen. Gerade wir Deutschen haben aus den negativen wie positiven Erfahrungen unserer Geschichte in diesem Jahrhundert heraus hier eine besondere Verpflichtung. Dies wollen wir auch über fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht vergessen.

 

Wir wollen auch nicht vergessen, daß ohne die Zustimmung der Verantwortlichen in Moskau die Situation im wiedervereinten Deutschland, insbesondere in den neuen Ländern, heute eine andere wäre. Ich denke vor allem an die Abmachung aus dem Jahre 1990 über den Abzug der russischen Truppen im Jahr 1994. 1993 gab es eine Situation, in der diese Abmachung noch einmal in Frage gestellt wurde. Es ging darum, ob die russischen Truppen 1994 oder erst später abziehen würden. Dies unterstreicht, daß wir den Verantwortlichen in Moskau auch dafür zu danken haben, daß die ursprüngliche Abmachung eingehalten wurde und mit dem Abzug der Truppen im Jahr 1994 eine entscheidende Phase deutscher Nachkriegspolitik abgeschlossen werden konnte.

 

Meine Damen und Herren, wir müssen bei der gegenwärtigen Situation auch an die Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion denken. Wenn die Ereignisse in Rußland und in Moskau nicht zu dem - von uns gemeinsam gewünschten - guten Ende kommen, dann hat dies ganz unmittelbare Auswirkung auf sie - allen voran auf die Ukraine. Die Fortsetzung des Reformprozesses in Rußland ist auch deshalb von allergrößter Bedeutung. Ich sage dies um so deutlicher in einem Augenblick, in dem Polen, Tschechien und Ungarn der NATO beitreten konnten - zwar nicht mit freudiger, aber immerhin mit geduldeter Zustimmung von Moskau - und in dem wir mit großer Sympathie ins Baltikum hinüberschauen. Meine Damen und Herren, wir werden alles tun - ich sage das für die Bundesregierung, aber auch für mich persönlich -, um Rußland auf dem Weg der Reformen hilfreich zu sein.

 

Ich möchte ebenfalls ein kurzes Wort zu den Entwicklungen in Asien und dem drastischen Kursverlust an den Börsen, vor allem in Japan, sagen. Auch hier gilt, daß die Probleme von innen gelöst werden müssen. Bei meinen Gesprächen in den vergangenen Tagen und Wochen mit dem japanischen Ministerpräsidenten habe ich nicht zuletzt immer darauf hingewiesen, daß auch die Japaner als ein Teil der G7/G8-Vereinbarungen ihre Gesamtverantwortung für die Weltwirtschaft wahrnehmen müssen.

 

Die weltweiten Turbulenzen an den Finanzmärkten zeigen insgesamt, daß die Weltwirtschaft in schwierigeres Fahrwasser gerät. Um so wichtiger ist es, daß Europa - sprich die Europäische Union - und die USA jetzt alles tun, um zur Stabilisierung der Weltwirtschaft beizutragen. Dies ist für uns alle wichtig. Es ist für uns Deutsche noch wichtiger als für viele andere. Als Land in der Mitte unseres Kontinents, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Reformstaaten in Mittel- und Osteuropa und als Exportland Nummer zwei in der Welt sind wir in besonderer Weise auf ein stabiles, internationales Umfeld angewiesen.

 

Von großem Vorteil ist, daß wir heute gleichzeitig ausgezeichnete Beziehungen zu Washington, Paris, London und Moskau, aber auch zu Tokio und Peking haben. Von unserem Land wird erwartet, daß wir unseren verläßlichen, geradlinigen Kurs fortsetzen und auch in kritischen Zeiten zu unseren Freunden und Partnern stehen. Es muß der Satz gelten: Wir kommen zu Freunden und Partnern auch dann, wenn sie sich in Schwierigkeiten befinden, und nicht nur, wenn gefeiert wird. Dies muß auch in Zukunft ein Signum deutscher Politik sein.

 

II.

 

Meine Damen und Herren, ich freue mich heute ganz besonders darüber, einen solchen Erfolgsbericht zu hören, wie Sie, Herr Gottschalk, ihn soeben für Ihre Branche dargestellt haben. Die Zahlen sind sehr eindrucksvoll. Sie stehen dafür, daß die Branche im Vorfeld der Messe in einer glänzenden Situation ist und optimistisch in die Zukunft schaut. Ganz prima finde ich außerdem, daß Sie selbst dies kundtun. Normalerweise gehört es in Deutschland ja zum guten Stil, nicht zuzugeben, wenn es einem gut geht!

 

Die deutschen Nutzfahrzeughersteller erleben pünktlich zur 57. IAA Nutzfahrzeuge einen Absatzboom. Ich nenne nur einige aktuelle Zahlen für den Monat Juli: Die Inlandsbestellungen für schwere Lkws sind um 30 Prozent gegenüber Juli vergangenen Jahres gestiegen, Produktion und Neuzulassungen bei Nutzfahrzeugen um 17 Prozent beziehungsweise 23 Prozent. Dies ist eine ausgezeichnete Ausgangsbasis für den Messeverlauf.

 

Über 1200 Aussteller aus 39 Ländern werden in den nächsten Tagen ihr vielfältiges Angebot rund um Nutzfahrzeuge präsentieren. Die große Zahl der Aussteller zeigt erneut die hohe Attraktivität dieser in der Branche weltweit bedeutendsten Fachmesse. Die IAA Nutzfahrzeuge ist zugleich eine eindrucksvolle Leistungsschau und Ausweis der hohen Innovationsfähigkeit und technischen Leistungsfähigkeit der Branche. Dies unterstreichen auch die zahlreichen technologischen Innovationen und Modellneuheiten, die erstmals auf dieser Messe der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Das Messeangebot macht vor allem auch deutlich, daß sich die Nutzfahrzeugbranche auf neue Herausforderungen eingestellt hat und auf die Zukunft gut vorbereitet ist.

 

Die Bundesregierung hält an ihrem klaren Ja zum Auto - auch zum Nutzfahrzeug - fest. Das Auto ist und bleibt in unserer modernen Wirtschaft und Gesellschaft unverzichtbares Beförderungs- und Transportmittel. Nur ein Beispiel: Viele Menschen haben ihren Arbeitsplatz in den Ballungszentren und wohnen außerhalb, in der Fläche.

 

Meine Damen und Herren, dies macht deutlich: Wer naßforsch gegen das Auto redet, redet zugleich gegen elementare Interessen der Menschen. Das Auto ist ein Stück gelebte Freiheit, es ist zugleich ein Stück Lebensqualität. Das Auto steht für Handel, Wachstum und Wohlstand, für Mobilität und Flexibilität. Das Motto der 57. IAA Nutzfahrzeuge - "Nutzfahrzeuge verbinden" - ist deshalb gut gewählt, es spiegelt seinen Stellenwert zutreffend wider.

 

In diesem Sinne wird die Bundesregierung auch in Zukunft alles tun, um die Automobil-Industrie und die Nutzfahrzeug-Wirtschaft zu unterstützen. Ich nenne nur ein aktuelles Beispiel: In der letzten Bundesratssitzung vor der Sommerpause haben wir die Steuerbefreiung für die in der Bauwirtschaft eingesetzten Autokräne, Radlader und sonstige Arbeitsmaschinen durchgesetzt. Wir mußten dies - unnötigerweise, aber dies ist in Wahljahren so - gegen den hartnäckigen Widerstand des Bundesrates tun. Wir haben ebenfalls Pläne für die höhere Besteuerung kleiner Lkws verhindert - allein dadurch hätte sich für rund 2 Millionen Betriebe die Kfz-Steuer für ihre Nutzfahrzeuge mehr als verdoppelt. Beide Vorhaben hätten vor allem den Mittelstand und das Handwerk getroffen; sie wären mit über 1 Milliarde D-Mark im Jahr zusätzlich belastet worden.

 

Wenn ich hier für das Auto und das Nutzfahrzeug eintrete, dann singe ich nicht ein mißverständliches Loblied auf das Auto ohne Wenn und Aber. Natürlich muß man ebenfalls die Schattenseiten des Straßenverkehrs sehen. Es ist wahr, daß damit auch Staus, Lärmbelästigung und Luftbelastung mit Schadstoffen verbunden sind. Wahr ist zugleich, daß die Zahl der Bürger zugenommen hat, die immer weniger bereit sind, dies zu akzeptieren.

 

Meine Damen und Herren, die Kardinalfrage für die Zukunft des Straßenverkehrs und des Straßentransports ist es, ob es uns gelingt, den Straßenverkehr und das wachsende Transportaufkommen vom Volumen her und umweltverträglich zu gestalten. Die falsche Antwort wäre die Abkehr vom Straßenverkehr. Dies wäre wirklichkeitsfremd. Es würde der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes schaden, Mobilität und Wachstum bremsen sowie Arbeitsplätze und Wohlstand gefährden.

 

Wir müssen die Herausforderung als Chance begreifen. Dies ist gemeinsame Aufgabe für Politik und Wirtschaft. Wir haben hier in den vergangenen Jahren bereits wichtige und gute Fortschritte erzielt. Nutzfahrzeuge sind heute bereits wesentlich sauberer und leiser als noch vor einigen Jahren. Herr Gottschalk, auch Sie haben darauf zu Recht hingewiesen und unter anderem die Selbstverpflichtung der Automobil-Industrie bezüglich der Emissionen angesprochen. Auf diesem Weg werden wir weitergehen, wir wollen ihn vor allem auch in der EU vorantreiben.

 

Bei allen Fortschritten ist klar, daß das wachsende Transportaufkommen nicht allein auf der Straße zu bewältigen ist. Wir brauchen mehr Kooperation zwischen den einzelnen Verkehrsträgern Straße, Schiene, Luft und Wasserstraße. Die Bundesregierung trägt den Erfordernissen Rechnung. Die Verkehrsinvestitionen sind bereits größter Investitions-Haushaltsposten des Bundes. Dabei hat für uns der Ausbau und Erhalt aller Verkehrswege hohe Priorität.

 

Besonderen Stellenwert hat der Aufholprozeß in den neuen Ländern. Fast jede zweite D-Mark für Verkehrsinvestitionen geht heute nach Ostdeutschland. Bis 2005 werden wir hier das modernste Verkehrswegenetz in Europa haben. Eine ausgebaute Verkehrsinfrastruktur ist Voraussetzung für Investitionen und Arbeitsplätze. Dies macht auch deutlich, warum zum Beispiel der Bau der Ostsee-Autobahn A 20 für eine gute Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns ganz entscheidend ist.

 

Jede D-Mark, die wir jetzt in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Ländern investieren, ist zugleich eine Abschlagszahlung für die Zukunft. Ich sage dies nicht zuletzt mit Blick auf die Reformstaaten in Mittel- und Osteuropa. Mit dem Beitritt unserer Nachbarländer - wie Polen, Ungarn und Tschechien - zur Europäischen Union wird Deutschland noch stärker als bisher Verkehrsdrehscheibe in Europa. Ein modernes Verkehrswegenetz in den neuen Ländern erleichtert dabei Austausch und Transitverkehr. Es ist insofern auch Brücke zwischen Ost und West.

 

III.

 

Meine Damen und Herren, die heutige Eröffnung der IAA Nutzfahrzeuge findet in einer Zeit dramatischer Veränderungen in der Welt statt. Der Wandel geht weiter.

 

Die zunehmende Globalisierung und der verschärfte internationale Wettbewerb der Standorte um Investitionen und Arbeitsplätze verändert unsere Wettbewerbsposition. Der direkt mögliche Vergleich mit weltweiter Konkurrenz legt ungeschützt unsere Schwächen und Stärken offen. Der Euro wird diesen Prozeß weiter intensivieren und den Wettbewerb verstärken. Ich bin zuversichtlich, daß wir Deutschen selbstkritisch genug sind, um zu erkennen, was wir weiter verändern müssen, und vor allem, daß wir auch das Notwendige tun, um die neuen Chancen zu nutzen.

 

Wer angesichts der zunehmenden Globalisierung an ein Abschotten der Märkte denkt oder an eine Zuflucht in internationale Absprachen - die im übrigen nie eingehalten würden -, verkennt die Realität. Solches Denken geht an den Erfordernissen von Gegenwart und Zukunft vorbei. Statt dessen müssen wir die Herausforderungen beherzt annehmen und die erforderlichen Veränderungen durchsetzen. Dies bedeutet natürlich auch Anstrengungen. Es geht dabei aber nicht um große Opfer, sondern um zumutbare Veränderungen.

 

Ein wichtiges Thema, bei dem wir zum Beispiel umdenken und umsteuern müssen, ist die Ausbildung. Der Ministerpräsident hat eben - ich kann das nur unterstützen - darauf hingewiesen, daß es eine elementare Notwendigkeit ist, den jungen Menschen, die die Schule verlassen, einen Ausbildungsplatz anzubieten.

 

Dazu gehört auch, daß wir den jungen Menschen ehrlich sagen, daß nicht alle eine Lehrstelle in ihrem Traumberuf bekommen können. Es ist eine Fehlentwicklung, wenn von knapp 360 Ausbildungsberufen in Deutschland nur rund 20 im Kern des Interesses stehen, und wenn hervorragende Ausbildungsplätze - etwa im Bereich der deutschen Großchemie - nicht besetzt werden können, weil junge Menschen mit den gesellschaftlichen Trends gehen und weil man hier eine ganze Branche in eine pseudomoralische Schieflage gebracht hat.

 

Wir haben in Deutschland Schätzungen zufolge außerdem fast anderthalb Millionen unbesetzte Arbeitsplätze. Gerade in wichtigen Zukunftsbereichen - vor allem im Bereich der Informationstechnologien - haben wir einen dringenden Arbeitskräftebedarf, den wir nicht befriedigen können. Dieses Beispiel zeigt, daß wir auch darüber nachdenken müssen, ob wir nicht zum Teil am Bedarf vorbei ausbilden. Es ist zugleich ein wichtiges Signal, daß wir unsere Anstrengungen zur Modernisierung und Flexibilisierung der Berufsausbildung fortsetzen müssen.

 

Ich hoffe, daß wir alle - Gewerkschaften, Wirtschaft und Politik - nach der Wahl auch darüber endlich wieder vernünftig miteinander reden können. Klar bleibt: Eine qualifizierte Ausbildung ist immer noch mehr wert als gar keine Ausbildung. Sie ist der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit. Dies gilt für die Lehrstelle, bei der es voraussichtlich keine unmittelbare Übernahme im Anschluß an die Ausbildung gibt. Dies gilt ebenso für eine Lehrstelle, die nicht direkt zum Traumberuf führt.

 

Meine Damen und Herren, bei allen noch notwendigen Reformen können wir heute auch feststellen, daß wir in den vergangenen Jahren und Monaten bereits viele Veränderungen und Reformen auf den Weg und unser Land damit auf Zukunftskurs gebracht haben. Im Vorfeld der Bundestagswahl sind einige der von uns durchgesetzten Veränderungen jetzt umstritten. Das müssen wir hinnehmen. Ich möchte dazu nur soviel anmerken: Wer sagt, er nehme beispielsweise die Neuregelung der gesetzlichen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zurück, muß auch sagen, wie er dies regeln und finanzieren will. Die neue Gesetzeslage ist in vielen Tarifverträgen bereits berücksichtigt. Vor allem muß auch den Unternehmen erklärt werden, wie die erreichte Arbeitskostenentlastung in Höhe von rund 20 Milliarden D-Mark kompensiert werden soll.

 

Wir haben ebenfalls die Rentenreform durchgesetzt. Die Renten werden dadurch nicht gekürzt, aber der Rentenzuwachs wird den Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung angepaßt. Dieser Schritt ist aufgrund der absehbaren dramatischen demographischen Veränderungen in unserem Land zwingend. Die Notwendigkeit, jetzt für die Zukunft zu handeln, ist hier für jeden erkennbar: Wir haben eine steigende Lebenserwartung, eine niedrige Geburtenrate, zu lange Studienzeiten und eine bisher immer weiter verkürzte Lebensarbeitszeit. Diese Rechnung - immer weniger Menschen zahlen für immer kürzere Zeit in einen Topf, aus dem immer mehr Menschen für immer längere Zeit ihre Rente beziehen - kann nicht aufgehen. Deshalb haben wir mit unserer Rentenreform die erforderliche Konsequenz gezogen.

 

Wir wollen die Rente des heutigen Rentners sichern. Das ist die Generation, die eine große Last unserer Geschichte getragen hat. An ihrer Rente können wir auf gar keinen Fall manipulieren. Man darf hier nicht nur mit Zahlen operieren, sondern muß die Schicksale der betroffenen Menschen sehen. Auf der anderen Seite geht es natürlich genauso um die Versorgung der jüngeren Generation. Sie hat ebenfalls ein Recht darauf, zu wissen, wie ihre Rente in Zukunft aussieht. Den Jüngeren müssen wir heute sagen, daß der Generationenvertrag in der Rentenversicherung von seiner Grundidee hervorragend ist und Bestand haben wird. Der Jüngere muß gleichwohl wissen, daß er zusätzlich eigene Anstrengungen für seine Rente unternehmen muß. Um die Eigenvorsorge entsprechend zu stärken, braucht die jüngere Generation natürlich finanziellen Spielraum. Deswegen müssen wir die Rentenreform auch im Zusammenhang mit der Steuerreform sehen. Zur Steuerreform sage ich gleich noch etwas mehr.

 

IV.

 

Unsere Reformarbeit trägt Früchte, die Zeichen werden immer deutlicher sichtbar. Dieses Jahr wird ökonomisch ein gutes Jahr. Die deutsche Wirtschaft ist unübersehbar im Aufwind. Dies muß ich gerade hier vor dem Hintergrund des guten wirtschaftlichen Klimas in der Automobil-Industrie nicht weiter erläutern. Ich bin zuversichtlich, daß wir in Deutschland in diesem Jahr ein Wachstum von 2,7 bis 2,8 Prozent erreichen werden.

 

Unser Aufschwung steht auf einem soliden Fundament. Die wirtschaftlichen Grunddaten sind so gut wie lange nicht. Wir haben eine Preissteigerungsrate unter 1 Prozent. Dies ist zugleich die beste Sozialpolitik. Ein um 1 Prozent niedrigerer Preisanstieg bedeutet einen Kaufkraftgewinn von gut 20 Milliarden D-Mark. Darüber hinaus sind unsere langfristigen Zinsen auf dem niedrigsten Niveau seit über drei Jahrzehnten. Als ich im Herbst 1982 das Amt als Bundeskanzler angetreten habe, mußte der Häuslebauer für die Baugeldzinsen noch fast doppelt so viel zahlen wie heute.

 

Zu den guten Nachrichten für den Standort Deutschland gehört ebenfalls, daß das Ausland wieder stärker bei uns investiert. Von Januar bis Juni 1998 sind die ausländischen Direktinvestitionen auf über 14 Milliarden D-Mark gestiegen. Das ist der höchste Wert in einem Halbjahr seit der Wiedervereinigung. Darüber hinaus wagen wieder mehr Menschen in Deutschland den Sprung in die unternehmerische Selbständigkeit. 1997 hatten wir 530000 Existenzgründungen bei einem positiven Gründungsüberschuß von 90000 Unternehmen. Dies alles unterstreicht, daß Deutschland bei der Wettbewerbsfähigkeit aufgeholt hat und das Vertrauen der Investoren in unseren Standort wieder wächst.

 

Besonders erfreulich ist, daß sich der Aufschwung inzwischen immer mehr auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar macht. Wir haben die Trendwende zum Positiven erreicht. Seit drei Monaten ist die Zahl der arbeitslosen Menschen - mit kräftig zunehmender Tendenz - unter dem Stand des Vorjahres. Insgesamt ist seit Jahresbeginn die Zahl der Arbeitslosen um fast 700000 zurückgegangen. Statt der von manchen zu Jahresbeginn noch prophezeiten 5 Millionen Arbeitslosen - wobei diese Prognose auch etwas mit dem Wahltermin im September zu tun hat - haben wir heute knapp über 4 Millionen. Im Jahresdurchschnitt wird die Arbeitslosenzahl über 4 Millionen liegen. Ich gehe dabei aber davon aus, daß sie in Gesamtdeutschland im Herbst kurzfristig auf unter 4 Millionen sinken wird.

 

Die Entwicklung am Arbeitsmarkt steht dafür, daß wir viel erreicht haben. Gleichwohl ist die Zahl der Arbeitslosen weiterhin viel zu hoch, wir dürfen uns mit dem Erreichten längst nicht zufrieden geben. Das Bekämpfen der Arbeitslosigkeit bleibt innenpolitische Aufgabe Nummer eins. Für eine effektive Arbeitsmarktpolitik dürfen wir - Kurt Biedenkopf hat darauf auch heute in einer eindrucksvollen Rede im Deutschen Bundestag hingewiesen - die hohen Arbeitslosenzahlen nicht etwa pauschal betrachten. Wir müssen vielmehr differenzieren und der Tatsache Rechnung tragen, daß Arbeitslosigkeit verschiedene Ursachen hat und entsprechend unterschiedliche Wege zu ihrer Bekämpfung erfordert.

 

Knapp ein Drittel der bei uns knapp über 4 Millionen registrierten Arbeitslosen ist weniger als drei Monate arbeitslos. Das heißt, daß innerhalb dieser kurzen Zeit die Betroffenen eine neue Tätigkeit finden. Dies zeigt, daß wir eine sehr dynamische Wirtschaft haben. Zur realistischen Betrachtung unseres Arbeitsmarktes gehört andererseits auch unsere ernste Sorge um die hohe Zahl Langzeitarbeitsloser - jene Menschen, die länger als 12 Monate arbeitslos sind. Sie machen gleichfalls ein Drittel unserer registrierten Arbeitslosen aus. Ein wesentlicher Teil von ihnen ist über 55 Jahre alt und allein aus Altersgründen auf dem Arbeitsmarkt schwierig zu vermitteln. Meine Damen und Herren, diese Gruppe spiegelt eine der ganz großen Torheiten unseres Landes wider. Gerade in einem Land mit steigender Lebenserwartung ist es kein zukunftsweisender Weg, Arbeitsplatzbewerber bei ansonsten guter Qualifikation nur aufgrund ihres Alters abzulehnen.

 

Ein großer Teil unserer Langzeitarbeitslosen ist auch aufgrund mangelnder Ausbildung oder gesundheitlicher Beeinträchtigung nicht voll einsatzfähig. Sie werden wir nicht automatisch durch ein stärkeres Wachstum der Wirtschaft wieder in den Arbeitsprozeß integrieren können - auch darauf hat Kurt Biedenkopf im Bundestag deutlich und zu Recht hingewiesen. Für diese Gruppe müssen wir neue Wege gehen. Gute Beispiele gibt es bereits auf kommunaler Ebene, ich denke etwa an Leipzig.

 

Auch der Kombi-Lohn kann hier weiterhelfen. Ich bin mir natürlich bewußt, daß der Kombi-Lohn nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Ich weiß auch nicht genau, ob unser Vorschlag in allen Details schon das endgültige Konzept sein wird. Ich trete aber nachdrücklich dafür ein: Laßt uns um der Menschen willen dieses Experiment machen. Wenn wir arbeitsfähige Menschen wieder in den Arbeitsprozeß integrieren können, ist dies nicht zuletzt zum Nutzen unseres Landes - auch unserer sozialen Sicherungssysteme und der öffentlichen Haushalte. Ich setze darauf, daß der Versuch mit dem Kombi-Lohn möglich sein wird. Ich bin zugleich zuversichtlich, daß wir auf diesem Weg beim Abbau der Arbeitslosigkeit vorankommen werden.

 

V.

 

Für eine gute Zukunft und mehr Arbeitsplätze hat die Bundesregierung einen ebenso klaren wie ehrlichen Fahrplan. Ein Schwerpunkt für die kommende Legislaturperiode bleibt das Durchsetzen unserer großen Steuerreform. Da jetzt ja alle Parteien erklären, daß sie für die Steuerreform sind, steht dieser auch nichts mehr im Wege. Ich sage Ihnen an dieser Stelle zu: Im Falle meiner Wiederwahl werde ich als ersten Schritt die Vorlage für die Steuerreform sofort wieder einbringen - eine Vorlage, die im Bundestag ja bereits schon einmal beschlossen worden ist.

 

Meine Damen und Herren, wenn ich dies sage, bin ich mir natürlich der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat bewußt. Ebenso weiß ich, daß es der Bundesrat war, der mit seiner Blockadehaltung verhindert hat, daß wir bereits in dieser Legislaturperiode die Steuerreform verabschieden konnten.

 

Zunächst einmal möchte ich hierzu sagen, daß unser Zwei-Kammer-System aus Deutschem Bundestag und Bundesrat sich bewährt hat. Daran halte ich auch für die Zukunft fest. Erst gestern hat der Bundespräsident anläßlich des 50. Jahrestages des ersten Zusammentreffens des Parlamentarischen Rates in einer sehr klugen und nachdenkenswerten Weise dargelegt, daß unsere föderale Ordnung zu den wichtigsten Erfahrungen der jüngsten deutschen Geschichte gehört - auch wenn sie, hier bin ich Zeitzeuge, nicht immer bequem ist.

 

Ich bin außerdem sicher, daß wir unser Steuerreformkonzept nach der Wahl durchsetzen können. Ich kann Ihnen nur zurufen: Glauben Sie es nicht, wenn jetzt einige ankündigen, daß sie unserem Konzept wieder nicht zustimmen werden. Ministerpräsidenten haben Eigenverantwortung und eigene Interessen. Wenn es um die Landeskasse geht, werden sie an ihren Amtsalltag denken, und wir werden die Steuerreform - wenn auch durch die bisherige Bundesratsblockade deutlich verzögert - bekommen.

 

Ich füge auch hinzu: Wir werden eine Steuerreform durchsetzen, die diesen Namen verdient. Eine andere Reform würde ich nicht mit meiner Unterschrift versehen. Wir brauchen ein international wettbewerbsfähiges Steuersystem, das Bürger und Wirtschaft entlastet, Schlupflöcher stopft und gerecht ist. Dabei darf es aber niemals ein Steuersystem sein, in dem der Neid Pate steht. Neid ist nach meiner Erfahrung im privaten Leben eine Katastrophe, er ist auch im öffentlichen Leben mit Sicherheit kein guter Ratgeber und kein Zukunftssignal.

 

Meine Damen und Herren, ein weiterer Schwerpunkt ist der Umbau unseres Sozialstaates. Er ist zwingend notwendig, um unseren Sozialstaat auf Dauer zu sichern und finanzierbar zu halten. Unsere Soziale Marktwirtschaft hat sich bewährt. Daran wollen wir festhalten, wir wollen keine Marktwirtschaft pur. Wirtschaftliches Handeln und soziale Verpflichtung gehören bei uns untrennbar zusammen. Soziale Marktwirtschaft steht für die Solidarität mit den Schwächeren, die unserer Hilfe bedürfen.

 

Unsere Reformmaßnahmen zum Umbau des Sozialstaates haben nichts mit einem Abbau des Sozialstaats zu tun. Das Gerede darüber ist unverantwortlich - einige Zahlen machen dies deutlich: Nach wie vor geben wir fast jede dritte D-Mark, die wir erwirtschaften, für Sozialleistungen aus. Wir liegen damit auch international in der Spitzengruppe. So betragen die Sozialleistungen je Einwohner beispielsweise bei uns in Deutschland rund 12500 D-Mark, in Frankreich es rund 11500 D-Mark, in Großbritannien rund 7500 D-Mark und in Italien etwa 6700 D-Mark.

 

Die Fragen sind berechtigt, ob die staatlichen Transferleistungen auch dort ankommen, wofür sie gedacht sind. Es gibt bei uns ohne Zweifel Fehlentwicklungen, bei denen wir gegensteuern müssen. Unser Land braucht keine Vollkasko-Mentalität nach dem Motto: Ich hole heraus, was ich einbezahlt habe und nach Möglichkeit noch etwas mehr. So ist unser Sozialstaat auf Dauer nicht bezahlbar!

 

Wir müssen auch berücksichtigen, daß unsere Konkurrenz weltweit zahlreicher und besser geworden ist. Ich sage dies gerade angesichts der hohen Lohnnebenkosten in unserem Land. Wenn wir konkurrenzfähig bleiben und unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter verbessern wollen, kann nicht gleichzeitig unsere Maxime sein: Wir arbeiten weniger und wollen besser leben. Meine Damen und Herren, nur ein wirtschaftlich starker Staat kann auch ein sozial starker Staat sein.

 

Der Reformbedarf beim Steuersystem und im Bereich Sozialstaat steht beispielhaft dafür, was wir brauchen, um unsere innenpolitischen Herausforderungen erfolgreich zu meistern: Umdenken und umsteuern. Dies ist nicht immer für jeden bequem, aber es ist zukunftsweisend.

 

VI.

 

Deutschland hat an der Schwelle zum 21. Jahrhundert alle Chancen. Außenpolitisch geht es jetzt vor allem darum, den Bau des Hauses Europa weiter voranzubringen. Die europäische Einigung ist ein Glücksfall der Geschichte gerade für Deutschland als Land in der Mitte Europas mit den meisten Nachbarn. Am 1. Januar 1999 führen wir die gemeinsame europäische Währung ein. Der Euro verdeutlicht die großartigen Fortschritte, die wir auf dem Weg zum vereinten Europa gemacht haben.

 

Die Notwendigkeit des vereinten Europas ergibt sich aus der leidvollen Erfahrung gemeinsamer europäischer Geschichte. Viele Menschen in Deutschland und Europa haben von der europäischen Einigung schon vor Jahrzehnten geträumt. Lesen Sie einmal die Briefe etwa der Soldaten im Ersten Weltkrieg. Sie unterstreichen die Sehnsucht nach der Einigung Europas. Auch in der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg gab es - ich erinnere nur an den Vertrag von Locarno - große Hoffnungen auf ein friedliches, vereintes Europa, und daß die Deutschen und Franzosen auf ewige Zeiten Freunde sein würden. Wenige Jahre danach kam der Zweite Weltkrieg. Wir haben unendliches Elend und Leid erlebt, das unauslöschlich mit dem deutschen Namen verbunden bleibt - bis hin zu Auschwitz. In dieser Zeit hat Thomas Mann geschrieben - ich sage es mit meinen Worten -: Ich bin ein deutscher Europäer und ein europäischer Deutscher.

 

Wir befinden uns heute nach großartigen Fortschritten in den letzten Jahren und Jahrzehnten mitten im Bau des Hauses Europa. Natürlich gibt es noch manche Schwierigkeiten. Wir dürfen diese aber nicht überbewerten. Sie gehören bei staatlichen Entscheidungsprozessen ebenso dazu wie in Unternehmen.

 

Wir wollen ein Haus Europa bauen, das groß genug ist für alle europäischen Völker, die darin wohnen wollen und die gemeinsame Hausordnung anerkennen. Es soll geprägt sein durch Bürgernähe, föderale Strukturen und Subsidiarität. Wir wollen uns darin wohlfühlen und zugleich unsere nationale Identität als - ich nenne nur einige - Deutsche, Franzosen und Italiener behalten.

 

Jetzt stehen weitere wichtige Weichenstellungen an. Handlungsbedarf besteht zum Beispiel mit Blick auf ein subsidiäres Europa. Leider gibt es für subsidiär kein besseres Wort. Es bedeutet, daß die notwendigen Entscheidungen in der Europäischen Union möglichst nah am Bürger und seinen Wünschen und Problemen getroffen werden. Auf europäischer Ebene darf danach nur entschieden werden, was national oder regional nicht besser zu leisten ist. Wir brauchen in Europa eine stärkere Dezentralisierung, insbesondere auch eine stärkere Einbeziehung der Kommunen. Ich fürchte allerdings, daß diese so schnell noch nicht möglich sein wird. Das hängt auch mit der unterschiedlichen Geschichte der einzelnen EU-Mitgliedstaaten zusammen. In Deutschland ist - anders als in vielen unserer europäischen Nachbarstaaten - das regionale Prinzip seit jeher sehr ausgeprägt.

 

Die bevorstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft ab Januar 1999 wird für die jetzt notwendigen Weichenstellungen einen geradlinigen europapolitischen Kurs und Standfestigkeit erfordern - dies gerade auch mit Blick auf wohlverstandene deutsche Interessen.

 

VII.

 

Meine Damen und Herren, wenn man die Fortschritte in Deutschland und Europa der vergangenen Jahre betrachtet, bin ich guter Dinge für unsere Zukunft. Wir haben eine hervorragende Ausgangsposition an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Deutschland ist von Freunden und Partnern umgeben, die Welt wächst zusammen. Was dies bedeutet, ist nicht zuletzt hier bei der Eröffnung einer internationalen Messe in Deutschland spürbar.

 

Unsere Chancen für das neue Jahrhundert, das zugleich ein neues Jahrtausend ist, sind ausgezeichnet - wir müssen sie nur nutzen. Dazu gehört auch die EXPO 2000, die in zwei Jahren hier in Hannover stattfinden wird. Schon heute steht fest, daß mehr Länder als jemals zuvor an dieser Weltausstellung teilnehmen und zu uns nach Deutschland kommen werden. Die Menschen in der ganzen Welt sind neugierig auf die Deutschen - am Ende dieses Jahrhunderts, das so viel Leid und Elend auch in deutschem Namen erfahren hat, in dem die Deutschen aber auch die Deutsche Einheit in Frieden und Freiheit erreicht haben.

 

Natürlich müssen wir jetzt noch Anstrengungen unternehmen, damit die Weltausstellung ein Erfolg wird. Ich appelliere an alle Beteiligten: Wir wollen dies mit Freude tun. Die EXPO 2000 ist eine einmalige Chance für das wiedervereinte Deutschland, sich im beginnenden neuen Jahrhundert der Welt zu präsentieren: Als ein Land, das seine Identität wahrt und zugleich weltoffen und menschlich ist, als ein Land der Forschung, Wissenschaft und der Künste, als ein Land, das mit Zuversicht in die Zukunft schaut.

 

Meine Damen und Herren, wir sollten dankbar sein für die positive Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten bis heute. Ich möchte uns jetzt alle herzlich einladen, Deutschland in eine gute Zukunft im neuen Jahrhundert zu führen - unabhängig davon, wo einer steht und was einer wählt. Denn zunächst sind wir dem eigenen Land und vor allem auch dem verpflichtet, was wir als deutsche Europäer und europäische Deutsche empfinden.

 

Allen Messeteilnehmern und Besuchern wünsche ich jetzt für die kommenden Tage viel Erfolg. Hiermit erkläre ich die 57. Internationale Automobil-Ausstellung Nutzfahrzeuge für eröffnet.

 

 

 

Quelle: Bulletin der Bundesregierung. Nr. 62. 18. September 1998.