22. April 1997

Ansprache bei dem Empfang anlässlich des 65. Geburtstages des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Peter Stihl, in Bonn

 

Lieber Herr Stihl, liebe Familie Stihl,
meine Damen und Herren Abgeordnete,
Exzellenzen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

I.

 

der heutige Tag ist Ihr Tag, lieber Herr Stihl. Viele Gäste von nah und fern sind gekommen, um Ihnen zu Ihrem 65. Geburtstag zu gratulieren. Es ist eine Stunde des Dankes und ganz gewiß auch eine Stunde des Besinnens für Sie und Ihre Familie.

 

Zuallererst, lieber Herr Stihl, möchte ich Ihnen im Namen der Bundesregierung und stellvertretend für viele Menschen unseres Landes ein sehr persönliches Wort des Dankes sagen. Sie waren und sind stets zur Stelle, wenn guter Rat gefragt ist. Dennoch haben Sie Ihre Unterstützung und Ihre Hilfe nie aufgedrängt. Sie haben beispielhaft vorgelebt, was es heißt, sich aufeinander verlassen zu können. Ich danke Ihnen auch ganz persönlich für viele Jahre freundschaftlicher und kameradschaftlicher Begegnung, für Ihre Hilfe und Ihre Unterstützung.

 

Der 65. Geburtstag, meine Damen und Herren, ist ein wichtiges Datum im Leben eines Menschen. Ich sage dies nicht etwa, weil es in Deutschland inzwischen Vorruhestandsregelungen gibt, die einen 65jährigen überfällig für den Ruhestand erscheinen lassen. 65 Jahre sind vor allem ein Anlaß darüber nachzudenken, was in dieser Zeitspanne geschah. Die Biographie von Hans Peter Stihl spiegelt Höhen und Tiefen deutscher Geschichte dieses Jahrhunderts wider: ein Jahr vor dem Beginn der NS-Zeit geboren, sieben Jahre alt bei Kriegsbeginn, in Südbaden das Ende des Krieges erlebt, danach Neubeginn und Aufbruchjahre.

 

Sie waren, lieber Herr Stihl, wie so viele in unserem Land, ein Weggenosse des sogenannten deutschen Wirtschaftswunders. Natürlich war es kein Wunder, das sich damals ereignet hat. Dieses Wort vermittelt den nachfolgenden Generationen einen falschen Eindruck. Das "Wunder" bestand in Wirklichkeit darin, daß die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs am Abgrund stehenden Gründerväter und Gründermütter eben nicht aufgaben, nicht verzagten, nicht über Hilfe nachdachten, sondern mit Mut zur Zukunft angepackt und sich selbst geholfen haben.

 

Natürlich wäre der erfolgreiche Wiederaufbau Westdeutschlands nicht möglich gewesen ohne die großherzige Unterstützung der damaligen Kriegsgegner, allen voran der USA. In diesem Jahr feiern wir den 50. Jahrestag des Marshall-Plans. Unsere amerikanischen Freunde haben den geschlagenen Deutschen in der Stunde Null nicht nur materielle Hilfe geleistet. Sie haben uns - und das war viel wichtiger - trotz der Schreckenstaten der Nationalsozialisten die Hand gereicht und uns wieder aufgenommen in die Gemeinschaft der Völker.

 

Ende und Neuanfang - Sie haben dies, lieber Herr Stihl, als Zeitzeuge erlebt, und diese Erfahrungen haben Sie geprägt während Ihrer Studienzeit, Ihrer ersten Berufsjahre und bei Ihrem Eintritt in das väterliche Unternehmen. Sie haben - und für diese Erfahrung bei vielen Begegnungen mit Ihnen bin ich besonders dankbar - aus dieser Zeit die tiefverwurzelte Erkenntnis mitgenommen, daß wir es gemeinsam schaffen können, wenn wir es nur wirklich wollen und jeder mit anpackt. Dies gilt für Unternehmer und Gewerkschafter genauso wie für Männer und Frauen in vielen Bereichen unserer Gesellschaft.

 

Hans Peter Stihl ist ein Mann, auf dessen Wort Verlaß ist. Manche werden sagen, dies sei eigentlich selbstverständlich. Wer jedoch mit wachem Sinn durch das Land geht und unsere Gesellschaft von innen betrachtet, der weiß, daß es eine wertvolle Erfahrung ist, einen verläßlichen Partner zu haben. Hans Peter Stihl verfolgt die von ihm als richtig erkannten Ziele auf seine unverwechselbar schwäbische Art mit großer Standfestigkeit und Beharrlichkeit, gemischt mit einem gelegentlich kargen Charme, wobei aber die Betonung klar und deutlich auf dem Wort Charme liegt. Er ist keiner, der seinen Standpunkt nach den neuesten demoskopischen Umfragen ausrichtet. Gerade deshalb hat sein Rat nicht nur für mich, sondern für viele Menschen in unserem Land ein besonderes Gewicht.

 

Hans Peter Stihl ist - dies ist ebenfalls bemerkenswert - auch in der Mediengesellschaft ein bescheidener Mann geblieben. Er drängt sich nicht dorthin, wo Kameras aufgebaut werden, und steht doch immer wieder im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Er sucht nicht, sondern übernimmt eine Aufgabe. Seine zahlreichen Spitzenämter in der deutschen Wirtschaft, ich nenne nur das seit gut neun Jahren von ihm ausgeübte Ehrenamt des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages, zeigen dies deutlich.

 

Meine Damen und Herren, der von mir besonders geschätzte DIHT-Vizepräsident Dr. Soltmann hat uns in seiner Begrüßungsansprache mit unnachahmlichem Münchner Charme geschildert, wie Versammlungen der Präsidenten und Hauptgeschäftsführer des DIHT sich immer wieder zu einem harmonischen Chor zusammenfügen, die Forderungen an den Staat intonieren, endlich Ordnung zu schaffen und Subventionen abzubauen, eigene Besitzstände dabei aber tunlichst ausklammern. Diese Art Verbandspolitik haben Sie, lieber Herr Stihl, nie vertreten. Sie haben die Interessen der gewerblichen Wirtschaft mit Sachkunde und Zielstrebigkeit verfolgt. Dabei haben Sie aber nie das Gemeinwohl aus den Augen verloren. Zusammengefügt, meine Damen und Herren, ergibt sich das Bild eines Mannes, der seine Pflicht sieht und der den Erfordernissen seines Amtes Rechnung trägt. Zugleich weiß er aber auch, daß die Eliten unseres Landes - ich spreche von den wirklichen Eliten, den Leistungseliten, die die Demokratie so notwendig braucht wie die Luft zum Atmen - eben mehr leisten müssen als der Dienstvertrag vorschreibt.

 

II.

 

Lieber Herr Stihl, Sie haben in Ihrem beruflichen Werdegang große Erfolge erzielt. Unternehmerischer Erfolg ist immer eine Kombination von Wagemut, Einsicht und Stehvermögen. Dies alles konnten und können wir bei Ihnen finden und erfahren. Besonders beispielhaft, gerade jetzt in einer schwierigen Zeit, ist Ihr Verantwortungsbewußtsein. Es kommt immer wieder vor, daß ein Unternehmer vor der schweren Entscheidung steht, Mitarbeiter entlassen zu müssen, weil dies die Geschäftslage erfordert. Es ist aber ein Unterschied, ob man in einer solchen Situation eine soziale Verpflichtung erkennt oder ob man nur die kurzfristige Gewinnmaximierung als erstrebenswert betrachtet, ohne das harte Schicksal der von Arbeitslosigkeit Betroffenen zu sehen. Natürlich ist Ihre innere Einstellung als Unternehmer erfolgsorientiert, sie vergißt aber nie das Mitmenschliche, das Mitfühlende, ja auch das Mitleidende.

 

Als Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages üben Sie über Ihren betrieblichen Verantwortungsbereich hinaus ein wichtiges Ehrenamt aus. Das ehrenamtliche Engagement der Menschen ist von großer Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft. Dies gilt selbstverständlich auch für die deutschen Industrie- und Handelskammern - genauso wie alle anderen Kammern. Ich nenne ein Beispiel: In den Prüfungsausschüssen der Kammern setzen sich viele Mitglieder für eine qualifizierte Ausbildung der jungen Generation ein. Dies ist gelebter Patriotismus. Eine Gesellschaft, in der nicht eine hinreichend große Zahl von Männern und Frauen bereit ist, sich über das normale Maß hinaus für andere zu engagieren, ist eine kalte Gesellschaft, die keine gute Zukunft haben wird.

 

Lieber Herr Stihl, an Ihrem 65. Geburtstag können Sie mit Stolz auf die Entwicklung Ihrer Unternehmensgruppe zurückschauen. Die Wandlung des vom Vater übernommenen Betriebes zu einem internationalen Unternehmen unterstreicht Ihre Weitsicht. Sie errichteten ausländische Produktionsstätten in einer Zeit, in der deutsche Großbetriebe noch Diskussionen darüber führten, wie sie neue Märkte in anderen Ländern erschließen könnten. Den notwendigen Wandel haben Sie mit Wagemut und mit großem persönlichen Engagement durchgeführt. Sie haben sehr früh erkannt, daß auch für ein mittelgroßes Unternehmen die internationale Arbeitsteilung von immer größerer Bedeutung ist. Dies zeichnet Sie als heimatverbundene und zugleich weltoffene Unternehmerpersönlichkeit aus.

 

Ich halte es für sehr wichtig, daß gerade weltweit operierende Unternehmen die Bindung zur Heimat nicht verlieren. Wohlgemerkt: Heimatbezogenheit bedeutet nicht Provinzialismus. Die wahren Provinziellen sind diejenigen, die keine Heimat haben. Hans Peter Stihl hat in einer beachtlichen Weise ein Beispiel dafür gegeben, wie man Internationalität und Heimatbezogenheit verbinden kann. Sein unternehmerischer Erfolg baut auf klugen Maximen auf: Nicht kurzfristige Gewinnmaximierung, sondern langfristige Markterschließung, geduldiger Ausbau der Kundenbeziehungen und internationale Ausrichtung des Unternehmens; nicht Sparen bei Ausbildung, Forschung und Entwicklung, sondern massive Investitionen in die Qualifizierung der Arbeitnehmer und die Entwicklung von technologischen Spitzenprodukten; nicht Konfrontation, sondern Kooperation mit Betriebsrat und Gewerkschaften.

 

Sie wissen, lieber Herr Stihl, wie wichtig ein gutes Verhältnis zwischen Unternehmensführung und Beschäftigten ist. Im Februar dieses Jahres haben Sie mit Ihrem Betriebsrat einen Beschäftigungs- und Standortsicherungsvertrag für Ihre Inlandswerke abgeschlossen. Dies zeigt, daß Sie Problemen nicht aus dem Wege gehen, sondern tragfähige und innovative Lösungen für alle Beteiligten suchen und finden. Es sind wichtige und zukunftsweisende Elemente in dieser Vereinbarung enthalten: Die Arbeitszeit wird weiter flexibilisiert, übertarifliche Sozialleistungen werden auf dem heutigen Niveau stabilisiert, wodurch der Anstieg der Lohnzusatzkosten gebremst wird, und die Zahl der jährlich einzustellenden Auszubildenden wird von 1995 bis 1997 um 35 Prozent erhöht.

 

Das deutlich höhere Ausbildungsplatzangebot ist ein positives Vorbild für all diejenigen in unserem Land, die für die Ausbildung junger Menschen Verantwortung tragen. Es wäre gewiß ein gutes Signal, wenn beispielsweise alle IHK-Präsidenten diesem Beispiel folgen würden. Mein Wunsch ist es, daß möglichst viele erkennen, daß Investitionen in die Ausbildung der jungen Generation ein wertvolles Kapital für eine gute Zukunft unseres Landes sind.

 

In den folgenden acht Jahren wird die Zahl der Schulabgänger noch weiter steigen, danach aber steil abfallen. Mancher Unternehmer wird sich dann darauf besinnen, daß es richtig gewesen wäre, rechtzeitig die demographische Struktur des eigenen Betriebes bedacht zu haben. Natürlich ist dies nur ein Aspekt des Lehrstellenthemas. Wir müssen ebenso sehen, daß eine erstklassige Berufsausbildung die Eintrittskarte für die Jugendlichen in den Arbeitsmarkt ist.

 

Im Februar 1997 lag die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland bei 9,8 Prozent. Das ist gewiß zu hoch. Der EU-Durchschnitt von rund 21 Prozent zeigt uns jedoch, daß unser Ausbildungssystem auch in einer sehr kritischen Zeit eine beachtliche Tragfähigkeit aufweist. Wir brauchen - und diese Gelegenheit will ich gerne nutzen, an alle Verantwortlichen zu appellieren - die gemeinsame Unterstützung von Gewerkschaften, Unternehmen und Politik, um im Ausbildungsbereich jetzt das Notwendige zu tun. Nur mit einem "Weiter so" werden wir das nicht erreichen.

 

Wir müssen zum Beispiel darüber nachdenken, ob das Verhältnis zwischen Betrieb und Schule im Hinblick auf die Berufsschultage noch korrekt ist und ob die Berufsbilder noch Schritt halten mit geänderten Anforderungen etwa durch neue Technologien. Und wir dürfen nicht länger einfach hinnehmen, daß rund zehn Prozent der Schulabgänger aufgrund ihres Ausbildungsstandes nicht in der Lage sind, eine Lehrstelle anzutreten.

 

Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden. Dies gilt ganz besonders für die Situation in den neuen Bundesländern. Alle Verantwortlichen müssen jetzt handeln, damit auch in diesem Jahr eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen bereitgestellt werden kann. Für die Bundesregierung sage ich Ihnen verbindlich: Wir werden in diesem Jahr - und zwar nicht erst im zweiten Halbjahr, sondern jetzt - die notwendigen Entscheidungen einleiten. Es geht um die Zukunft junger Menschen. Wer den 14- bis 16jährigen keine Chance auf eine gute Ausbildung gibt, der kann später nicht erwarten, daß sie ihren Dienst bei der Bundeswehr zur Verteidigung von Frieden und Freiheit unseres Landes leisten. Beides gehört zusammen.

 

III.

 

Meine Damen und Herren, wir befinden uns inmitten dramatischer Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist mit 4,5 Millionen Menschen ohne Arbeit inakzeptabel hoch. Wir können und dürfen die Hände nicht in den Schoß legen, sondern müssen jetzt handeln. Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften haben sich im Januar des vergangenen Jahres das gemeinsame Ziel gesetzt, die Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahre 2000 zu halbieren. Heute zerbrechen sich viele in Deutschland den Kopf darüber, ob dieses Ziel zu erreichen ist. Natürlich waren wir uns bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung keineswegs sicher, ob es zu schaffen ist. Aber wenn die politisch Verantwortlichen keine Ziele und Visionen entwickeln, dann haben sie vor der Zukunft versagt.

 

Ich bekenne mich noch einmal ausdrücklich zu diesem Ziel. Trotz der negativen Entwicklung am Arbeitsmarkt in den letzten Monaten habe ich den Eindruck gewonnen, daß eine Menge in Bewegung gekommen ist, um in vernünftigen Gesprächen miteinander, nicht in Gesprächen übereinander, Stück für Stück diesem Ziel näherzukommen. Ich will noch einmal betonen: Die Bundesregierung wird alles tun, um die Bedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze weiter zu verbessern.

 

Die große Steuerreform ist dafür ein zentraler Baustein. Die Bundesregierung hat in der heutigen Kabinettsitzung den Gesetzentwurf dazu beschlossen und auf den Gesetzgebungsweg eingebracht. Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP haben einen gleichlautenden Entwurf parallel verabschiedet und in den Deutschen Bundestag eingebracht, um das Gesetzgebungsverfahren zu beschleunigen. Noch in dieser Woche wird im Bundestag die 1. Lesung des Gesetzentwurfs stattfinden, dann wird die Arbeit in den Ausschüssen beginnen. Sofern es in den Gesprächen zwischen Bundesregierung und Opposition keine Einigung gibt, werden wir uns im Herbst im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat wiedersehen.

 

Ich wünsche mir aber, daß es schon vorher eine Einigung gibt, damit insbesondere Investoren rasch Klarheit haben und neue Arbeitsplätze schnell entstehen können. Ich bin sicher: Am Ende wird es - trotz aller Schwierigkeiten - zu einer großen Steuerreform kommen, auch wenn sie nicht in allen Details dem jetzigen Koalitionsvorschlag entspricht. Aber wir werden keinen faulen Kompromiß akzeptieren, der die Grundidee der großen Steuerreform zur Unkenntlichkeit verwässert. Wir wollen diese Steuerreform und keine andere. Wir wollen sie, damit Einkommen- und Körperschaftsteuersätze in Deutschland auf ein international konkurrenzfähiges Niveau sinken.

 

Wir wollen unseren Nachbarn die Möglichkeit nehmen, mit Hinweis auf hohe Steuern bei uns, Betriebe in ihr Land abzuwerben. Der österreichische Wirtschaftsstandort Vorarlberg zum Beispiel - ich sage dies, weil der Botschafter Österreichs heute bei uns ist - umwirbt Investoren mit einer Broschüre, in der die deutlich niedrigeren Steuersätze im Vergleich zum Nachbarn Deutschland herausgestellt werden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Überhaupt nicht in Ordnung allerdings ist es, daß wir dies tatenlos hinnehmen. Das müssen und wollen wir jetzt ändern.

 

Meine Damen und Herren, wenn wir über international konkurrenzfähige Steuersätze reden, müssen wir auch die Belastungen der Unternehmen mit den Kosten der Sozialversicherung beachten. Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften haben sich ebenfalls im Januar 1996 gemeinsam vorgenommen, die Summe der Sozialversicherungsbeiträge bis zum Jahr 2000 auf unter 40 Prozent zurückzuführen. Dies ist eine notwendige Voraussetzung für mehr Arbeitsplätze in unserem Land.

 

Natürlich weiß ich, daß dies sehr schwierig zu erreichen ist. Ich bin aber fest davon überzeugt: Wenn alle Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften jetzt ihre Pflicht tun, dann werden wir bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit erfolgreich sein. In der Vergangenheit haben wir gezeigt, daß dies möglich ist: Durch gemeinsame Anstrengung sind von 1983 bis 1992 insgesamt drei Millionen neue Arbeitsplätze in der alten Bundesrepublik entstanden. Wir können dies auch jetzt schaffen, wenn wir es wirklich wollen.

 

Meine Damen und Herren, auch auf internationaler Ebene stehen wir vor Entscheidungen von großer Tragweite für unser Land. Mitte Juni 1997 wollen wir auf dem EU-Gipfeltreffen in Amsterdam den Maastricht-II-Vertrag unterzeichnen. Nach den Bestimmungen des Maastricht-I-Vertrags beginnen dann sechs Monate später, das heißt im Januar des kommenden Jahres, die Verhandlungen über die Erweiterung der Europäischen Union - eine Erweiterung, die für uns Deutsche von existentieller Bedeutung ist. Die Ostgrenze Deutschlands, die Westgrenze Polens darf nicht auf Dauer die Grenze der Europäischen Union sein. Unsere tschechischen, unsere polnischen, unsere ungarischen Nachbarn sind Teil Europas, und sie müssen Teil der Europäischen Union werden. Krakau, Prag und Budapest - ich könnte noch viele andere Namen nennen - sind traditionsreiche mitteleuropäische Städte.

 

Meine Damen und Herren, ein wichtiger Baustein des gemeinsamen Hauses Europa ist die Vollendung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Ich versichere Ihnen, der Euro wird kommen. Als Unternehmer können Sie besonders gut einschätzen, welche Zukunftschancen im Hinblick auf die Konkurrenzfähigkeit Europas in der Welt damit verbunden sind. Daß einige Politiker und Unternehmer jenseits des Atlantiks die Einführung des Euros nicht befürworten, ist eigentlich nicht weiter verwunderlich. Schließlich stärkt der Euro unsere europäische Wettbewerbsposition gegenüber Konkurrenten aus dem Dollar-Währungsraum.

 

Mit einem Wort: Ihr Geburtstag, lieber Herr Stihl, fällt in eine Zeit wichtiger Entscheidungen für unser Land. In den vor uns liegenden Jahren können Sie noch viel dazu beitragen, daß die Weichen richtig gestellt werden, indem Sie eine wichtige Erkenntnis aus Ihrer Lebenserfahrung an die junge Generation weitergeben: Bei allen Sorgen haben wir überhaupt keinen Grund zu notorischem Pessimismus, der unsere Kräfte lähmt.

 

Ein erfolgreicher Unternehmer muß zugleich ein realistischer Optimist sein. Sie haben das in all diesen Jahren bewiesen, und dafür verdienen Sie besonderen Dank, Respekt und Anerkennung. Ich möchte Ihnen noch einmal herzlich danken für all das, was Sie als Unternehmer und in Ihren Ehrenämtern für unser Land getan haben.

 

Ich möchte auch Ihnen, sehr verehrte Frau Stihl, danken für Ihren persönlichen Beitrag. Die Männer werden berühmt und die Frauen ertragen das. Dies ist eine besondere Form der Arbeitsteilung. Deswegen richte ich ein ganz herzliches Wort des Dankes an Sie für dieses Mittragen, manchmal sicher auch Mitertragen.

 

Ich wünsche Ihnen, lieber Herr Stihl, im Kreise Ihrer Familie noch viele gute, erfüllte Jahre, vor allem Gesundheit, und ich wünsche uns allen, daß Sie genauso bleiben, wie Sie sind: zwar eher karg in Ihren Gefühlsäußerungen, aber um so zuverlässiger in Ihren Taten. Vielen herzlichen Dank, Glück, Erfolg und Gottes Segen.

 

 

 

Quelle: Bulletin der Bundesregierung. Nr. 36. 12. Mai 1997.