24. Oktober 1996

Rede anlässlich der Verabschiedung von Prinz Philip als Präsident von WWF International in Berlin

 

Königliche Hoheit,

sehr geehrter Herr Ali,

sehr geehrter Herr Dr. Otto,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist mir eine große Ehre und besondere Freude, heute bei Ihnen hier in Berlin zu sein. Dies gilt für mich zum einen aus einem sehr persönlichen Grund: Ich danke Ihnen, Königliche Hoheit, für Ihren großartigen Einsatz, den Sie über viele Jahre für den Erhalt der Schöpfung geleistet haben.

Von Beginn an waren Sie beim World Wide Fund for Nature (WWF) mit dabei - erst 20 Jahre als Präsident des WWF United Kingdom, dann 15 Jahre als Präsident des WWF International. Dies ist eine beeindruckende Zeit. Ihr Amt haben Sie immer als Verantwortung für die Schöpfung verstanden, die es für kommende Generationen zu bewahren gilt.

Im Namen der Bundesregierung und vieler Bürgerinnen und Bürger dieses Landes möchte ich Ihnen hierfür ganz herzlich danken. Sie werden das Präsidentenamt bald an Ihren Nachfolger abgeben. Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute und setze darauf, daß Sie auch weiterhin Botschafter in Sachen Umwelt und Naturschutz sein werden.

Sehr geehrter Herr Ali, ich freue mich, daß der WWF International Sie als künftigen Präsidenten ausgewählt hat! Ich bin sicher, daß diese Organisation mit Ihnen einen hervorragenden Repräsentanten haben wird. Sie sind bekannt als Mann der Tat und des vielseitigen Engagements - sei es als Industrieller, als Mann des öffentlichen Lebens oder als Philanthrop. Ich wünsche Ihnen für Ihre Aufgabe als Präsident des WWF International von Herzen viel Glück und Erfolg!

Ich bin heute auch hier in Berlin, um mit Ihnen für etwas zu demonstrieren: Für den WWF und die wertvolle Arbeit seiner - häufig ehrenamtlichen - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie setzen etwas in Bewegung und leisten damit einen wichtigen Beitrag für die Zukunft. Und darauf kommt es an. An der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend dürfen wir nicht nur an die Gegenwart denken, sondern müssen dafür Sorge tragen, daß der uns anvertraute Schatz der Natur auch für kommende Generationen erhalten bleibt. Das ist das Wesentliche der Arbeit, der Überzeugung und der Ideale des WWF.

Meine Damen und Herren, die Bewahrung der Schöpfung und Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung - Kernbotschaft der Rio-Konferenz 1992 - ist eine Aufgabe der gesamten Menschheit. Ihr kann sich niemand entziehen - kein Staat, keine Volkswirtschaft und auch der einzelne nicht.

Die Erfahrung unserer Generation hat uns gezeigt, daß dem Einsatz für Natur und Umwelt eine neue, grundsätzliche Qualität zukommt. Wir müssen das Verlangen heutiger und zukünftiger Generationen nach Arbeit, Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit mit den begrenzten Ressourcen dieser Erde in Einklang bringen. Das ist es, was wir mit dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung umschreiben.

Um kommenden Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen, müssen wir das erfolgreiche Modell der Sozialen Marktwirtschaft um eine ökologische Komponente erweitern. Ich glaube, daß eine konsequente in einer freiheitlichen Wirtschaftspolitik angesiedelte Umweltpolitik in der Lage ist, die Wachstumsentwicklung in einer Industriegesellschaft zu fördern. Eine Studie des IFO-Instituts in München kommt im übrigen zu dem Ergebnis, daß 1994 allein in Deutschland rund 960000 Beschäftigte für den Umweltschutz tätig waren. Dies sind rund 2,7 Prozent aller Erwerbstätigen und entspricht in etwa der Beschäftigtenzahl im Automobilbau. Und dieser Markt wächst weiter. Das heißt: Umweltschutz schafft und sichert zukunftsfähige Arbeitsplätze in einer Vielzahl von Wirtschaftsbereichen.

Meine Damen und Herren, eine nachhaltige, umweltgerechte Entwicklung liegt in unser aller Interesse. Sie beginnt in den Köpfen der Menschen. Jeder einzelne muß lernen, sein Handeln an den begrenzten Kapazitäten der natürlichen Umwelt auszurichten. Hier haben Organisationen wie der WWF, die größte unabhängige private Naturschutzorganisation der Welt, zahlreiche Möglichkeiten, vieles zum Guten zu verändern.

Sie haben mit Ihrer Arbeit dazu beigetragen, daß heute in Deutschland in breiten Bevölkerungskreisen ein ausgeprägtes Umweltbewußtsein verankert ist. Sie vermitteln Sachkenntnis, Verantwortungsbewußtsein und spornen andere zum Mittun an.

Das vielfältige Wissen und der unermüdliche Einsatz gerade der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter verdienen unseren besonderen Respekt und Dank. Daß sich dieser Einsatz lohnt, zeigen auch die unübersehbaren Erfolge, die bisher beim weltweiten Artenschutz erzielt worden sind. Ich denke dabei zum Beispiel daran, daß es heute mehr Gnus und Löwen im Gebiet des Serengeti-Nationalparks in Tansania gibt, als noch vor 40 Jahren.

Daß solche Erfolge erzielt worden sind, verdanken wir nicht zuletzt der Erkenntnis, daß der Schutz der Natur nur gelingen kann, wenn er mit und nicht gegen die Menschen betrieben wird. Das gilt in Afrika genauso wie bei uns. Dabei werden, gerade in den Entwicklungsländern, Konzepte gebraucht, die den Schutz der Natur mit der Verbesserung der Lebensverhältnisse für die Bevölkerung verbinden. Es ist ein Verdienst des WWF, dies frühzeitig erkannt und in seinen Projekten verwirklicht zu haben.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung kennt Ihre Verantwortung. Derzeit werden von uns zum Beispiel mehr als 200 Projekte im Bereich Naturschutz gefördert - etwa in Tansania, Kenia, China oder Costa Rica. Dafür werden insgesamt etwa 150 Millionen D-Mark jährlich bereitgestellt.

Auch in Deutschland selbst wollen wir die Weichen für einen schonenden Umgang mit der Natur stellen. Daher schützen wir nicht nur unsere Natur und den Wasserhaushalt, sondern haben auch erstmals ein Gesetz zum Schutz des Bodens auf den Weg gebracht.

Nationale Naturschutzpolitik kann aber internationale Zusammenarbeit zur Bewahrung unserer Umwelt nicht ersetzen. Der Schutz der Natur kann nur erfolgreich sein, wenn alle Staaten gemeinsam handeln. Dabei gilt es vor allem, weltweit die biologische Vielfalt, das heißt die Vielfalt der Arten und die Vielfalt der Ökosysteme zu erhalten.

Ungeachtet der von mir bereits angesprochenen beachtlichen Erfolge dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, daß täglich zahlreiche Arten aussterben. Mit dem internationalen Übereinkommen über die biologische Vielfalt, das im Rahmen der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio zustandekam, ist hier ein erstes wichtiges Zeichen gesetzt worden.

Schutz der Natur und schonender Umgang mit den natürlichen Ressourcen stehen darin als gleichberechtigte Aufgaben nebeneinander. Beiden Zielen müssen wir gerecht werden, um den Konflikt zwischen dem Bemühen um den Erhalt der Schöpfung und den Ansprüchen der Menschen auf Wirtschafts- und Wohlstandsentwicklung zu lösen. Die Bedeutung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt kann daher nicht hoch genug bewertet werden.

Zum Beispiel ist es wichtig, daß wir uns auch Gedanken über die Auswirkungen des Tourismus auf die biologische Vielfalt machen. Gerade wir Deutschen stehen dabei in besonderer Verantwortung. Die Bürger der Bundesrepublik Deutschland gehören zu den reisefreudigsten Menschen auf der Erde. Allen muß klar sein: Wo die natürlichen Ressourcen übernutzt und Landschaften zerstört werden, gerät auch - und das können Sie in manchen Alpenregionen Mitteleuropas bereits beobachten - die wirtschaftliche Basis des Tourismus in Gefahr. Wir müssen alles daran setzen, Ansätze für einen naturverträglichen Tourismus zu ermutigen und zu fördern.

Meine Damen und Herren, von entscheidender Bedeutung für die Bewahrung der Schöpfung ist eine völkerrechtlich verbindliche Regelung für weltweite Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der Wälder. Gegenwärtig finden intensive Verhandlungen über die Rahmenbedingungen zum weltweiten Waldschutz statt. Die Bundesrepublik setzt sich dabei mit Nachdruck für eine möglichst weitreichende verbindliche Regelung ein.

Darüber hinaus unterstützen wir auch in der Entwicklungszusammenarbeit zahlreiche internationale Projekte, die diesen Zielen dienen. Beispielsweise trägt die Bundesregierung 60 Prozent der Kosten eines Pilotprojektes zur Bewahrung der Amazonaswälder in Brasilien. Ich wünsche mir, daß diese zentrale Frage, nämlich die Auswirkungen des Verlustes, der Zerstörung der Regenwälder auf die Erdatmosphäre von möglichst vielen endlich begriffen wird. Das ist keine Frage nur für den Amazonas, das ist auch eine Frage des Klimas hier in Berlin oder an anderen Plätzen der Erde.

Auch die brasilianische Regierung hat sich zu einer nachhaltigen, ökologisch tragfähigen Entwicklung des Amazonasraumes bekannt. Dies wurde mir bei meinem jüngsten Besuch von Staatspräsident Cardoso erneut bestätigt. Das Tropenwaldprogramm Brasiliens ist auf einem guten Wege. Das ist ein Zeichen der Hoffnung und der Ermutigung.

Aber nicht nur im Süden, auch in der nördlichen Hemisphäre sind Wälder gefährdet. Ich denke dabei an die Umweltbelastung durch Luftschadstoffe in Mittel- und Osteuropa oder an die Abholzung borealer Wälder. Dies alles muß offen angesprochen werden. Das hat nichts mit Schwarzmalerei zu tun. Nur mit dem Wissen um die Probleme und die globalen ökologischen Herausforderungen können wir die Zukunft gewinnen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen zurückkehren. Die Bewahrung der Schöpfung ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Es ist daher die gemeinsame Aufgabe von Politik, Wirtschaft und Umweltorganisationen, das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung mit Leben zu erfüllen.

Ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg ist die Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen im Juni nächsten Jahres in New York. Dort wollen wir eine Bilanz ziehen, was wir seit Rio erreicht haben. Vor allem aber müssen wir in der Sache zu konkreten Entscheidungen kommen, die dem internationalen Bemühen um die Bewahrung der Schöpfung neue Dynamik geben.

Königliche Hoheit, sehr geehrter Herr Ali, lieber Herr Dr. Otto, Ihnen und dem WWF möchte ich noch einmal herzlich für den beispielhaften Einsatz zur Bewahrung der Natur danken. Ich vertraue darauf, daß Sie sich auch weiterhin in Wort und Tat für unsere gemeinsamen Ziele einsetzen werden.

Quelle: Bulletin der Bundesregierung. Nr. 90. 13. November 1996.