26. Juni 1998

Rede auf der Festversammlung der Max-Planck-Gesellschaft in Weimar

 

Lieber Herr Präsident Markl,
Herr Ministerpräsident,
meine Damen und Herren Abgeordnete,
Exzellenzen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

ich bin heute sehr gerne nach Weimar zu dieser Festversammlung gekommen. Die Max-Planck-Gesellschaft wurde vor gut fünfzig Jahren - im Februar 1948 - gegründet. Wenn man das ausspricht, liegt es nahe, einen Moment zurückzuschauen - nicht um in der Vergangenheit zu verharren, sondern um die Gegenwart besser begreifen und die Zukunft besser gestalten zu können. Damals herrschte in Deutschland Hoffnungslosigkeit. Die Nazi-Barbarei und der Zweite Weltkrieg hatten erschütternde Flüchtlingsschicksale, zerstörte Städte und eine moralische Katastrophe hinterlassen.

 

Heute haben wir vor allem Grund zur Dankbarkeit gegenüber den Frauen und Männern aus der Gründergeneration unserer Republik: Sie haben unser Land unter größten Schwierigkeiten mit einem klaren Ja zur Zukunft wiederaufgebaut. Ich möchte all denen, die auf diesem Weg mitgewirkt haben, ein herzliches Wort des Dankes sagen. Das gilt auch für diejenigen, die im Laufe der vergangenen fünf Jahrzehnte den erstklassigen Ruf der Max-Planck-Gesellschaft begründet haben. Wenn in fünfzig Jahren wieder ein Präsident so eloquent, elegant und so humorvoll-ironisch wie eben die Festveranstaltung Ihrer Gesellschaft eröffnet, dann - so hoffe ich - wird die Rückschau ebenso voller Respekt und Achtung für das Geleistete sein wie heute.

 

Herr Oberbürgermeister, ich bin auch deshalb gerne nach Weimar gekommen, weil ich mich noch gut daran erinnere, wie es hier vor acht Jahren aussah. Natürlich haben Sie nach Art eines deutschen Oberbürgermeisters nach der Lobpreisung der Stadt auch Ihre Sorgen angesprochen. Die gibt es sicherlich auch. Aber wenn ich die Fortschritte während der vergangenen acht Jahre betrachte, dann würde ich als Oberbürgermeister ebenso sagen: Dies ist ein Beispiel für blühende Landschaften in Deutschland.

 

Seit der Wiedervereinigung ist hier Beachtliches geleistet worden. Gerade die Menschen vor Ort, die an diesem Aufbauwerk mitgearbeitet haben, können stolz darauf sein. Sie verdienen unsere Anerkennung. Vergessen sollten wir dabei jedoch nicht die Solidarität der Menschen aus den alten Bundesländern, die auch finanziell erheblich zum Erfolg des Aufbau Ost beigetragen haben.

 

Wir sind heute in Weimar zusammengekommen, in einer Stadt, die wie kaum eine andere mit der deutschen Geschichte verbunden ist. Die Deutsche Klassik und Romantik setzten hier glanzvolle Höhepunkte. Die Weimarer Republik, der diese Stadt ihren Namen gab, war die erste Demokratie auf deutschem Boden. Aber auch die dunkelsten Seiten der deutschen Geschichte hinterließen hier - im KZ Buchenwald - ihre Spuren. Es ist unsere Aufgabe, beides - die Höhen und die Tiefen der Geschichte - im Bewußtsein der Menschen lebendig zu erhalten.

 

Die Lehre aus der Vergangenheit lautet: Radikale - egal, ob von rechts oder von links - haben immer nur Unheil über unser Volk gebracht. Sie dürfen nie wieder über die Geschichte unseres Landes bestimmen.

 

Die Max-Planck-Gesellschaft hat sich in bemerkenswerter Weise mit der Verbindung von Wissenschaft und Ideologie in der Zeit des Nationalsozialismus befaßt: Ich denke etwa an die Rede von Fritz Stern aus Anlaß des 50. Todestages von Max Planck im Oktober 1997, aber auch an Ihre Rede, sehr geehrter Herr Professor Markl, die Sie im Februar dieses Jahres in Göttingen gehalten haben.

 

Meine Damen und Herren, heute steht Weimar auch für die einzigartige Erfolgsgeschichte Europas: Als Kulturstadt Europas wird Weimar im kommenden Jahr die Vielfalt und die fruchtbare Zusammenarbeit in Wissenschaft und Kultur auf europäischer Ebene einer breiten Öffentlichkeit vor Augen führen. Ich bin dafür sehr dankbar.

 

Denn die Herausforderungen, die sich uns an der Schwelle zum 21. Jahrhundert stellen, werden wir in zunehmendem Maße nur im europäischen Rahmen bewältigen können. Deshalb ist es so wichtig, daß wir uns jetzt in Europa immer enger zusammenschließen und das Haus Europa gemeinsam bauen. Nach der Einführung des Euro werden wir mit der Erweiterung der Europäischen Union nach Mittel-, Ost- und Südosteuropa und sowie der Reform ihrer Institutionen weitere wichtige Aufgaben zu lösen haben. Von großer Bedeutung wird dabei die deutsche EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 sein.

 

Für Wissenschaft und Forschung war es schon immer selbstverständlich, Grenzen zu überschreiten - seien es politische oder die Grenzen des bisher Bekannten. Wissenschaft und Forschung sind Bereiche, die die Idee der Universalität in sich tragen. Erfolgreiche Wissenschaft bewährt sich in der offenen Diskussion weltweit und im internationalen Wettbewerb. Diese fruchtbare und friedensstiftende Zusammenarbeit hat eine lange Tradition. Sie ist auch durch die Katastrophen der beiden Weltkriege und der anschließenden politischen und ideologischen Teilung Europas nicht vollständig abgerissen. Auf dieser Tradition können wir heute gemeinsam - überall in Europa - aufbauen. Sie sichert uns eine gute Zukunft.

 

Wissenschaft und Forschung haben im europäischen Einigungs- und Integrationsprozeß eine herausragende Funktion. Sie tragen im zusammenwachsenden Europa dazu bei, europaweite Verbünde und Netzwerke zu bilden. Diese leisten einen Beitrag zur optimalen Nutzung der wissenschaftlichen Ressourcen auf unserem Kontinent und zur Herausbildung einer europäischen Identität.

 

Durch Abschottung und Provinzialität kann die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands und Europas im 21. Jahrhundert nicht gesichert werden. Eigene Wettbewerbsfähigkeit setzt in zunehmendem Maße internationale Kooperation voraus. Europäisierung, Internationalisierung und Globalisierung beschreiben eine Entwicklung, die wir aktiv mitgestalten müssen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Die wachsende weltweite Verflechtung und Arbeitsteilung sowie der zunehmende Informationsaustausch beeinflussen unsere Gesellschaft in immer mehr Lebensbereichen.

 

Auch Wissenschaftsstandorte konkurrieren heute weltweit miteinander. Die schnelle Verfügbarkeit von Wissen ist zu einem Wirtschaftsfaktor ersten Ranges geworden. Unternehmen gehen deshalb vorrangig dorthin, wo sie ein innovatives Umfeld vorfinden, das Kreativität fördert sowie über qualifiziertes Personal verfügt.

 

Wir in Deutschland müssen es schaffen, hier mit an der Spitze zu stehen. Gemeinsam haben wir schon vieles erreicht. Aber es bedarf weiterer Anstrengungen. Der von mir berufene Rat für Forschung, Technologie und Innovation - Sie, Herr Professor Markl, sind ein hochgeschätztes Mitglied - hat sich zuletzt mit dem Thema "Kompetenz im globalen Wettbewerb" befaßt. Dabei wurden Aktiva und Passiva in Deutschland aufgezeigt. Es wurde deutlich: Veränderungen im Bildungssystem und in der Arbeitswelt reichen nicht aus. Wir müssen neue Entwicklungen und die damit verbundenen Chancen auf allen Gebieten erkennen und dann auch nutzen - egal ob Wahljahr ist oder nicht.

 

Dies erfordert von uns allen ein Umdenken. Die Zukunft unseres Landes hängt auch davon ab, ob wir unseren Platz unter den führenden Industrienationen der Welt halten können. Wenn wir zum Beispiel Nummer zwei im Export in der Welt bleiben wollen, dann müssen wir in Deutschland vieles verändern. Wichtig ist dabei ein Grundverständnis, das den technologischen Fortschritt bejaht. Er ist wesentlich für die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Dies setzt natürlich voraus, daß die Menschen der Wissenschaft vertrauen können. Die Wissenschaft ist gefordert, selbst unbestechlich gegen Verfälschung auch in den eigenen Reihen Front zu machen.

 

Bei allen Bekenntnissen zum wissenschaftlichen Fortschritt und zu technologischer Innovation müssen sich die Menschen vor allem auf eins verlassen können: daß der unauflösliche Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung gerade auch in der Wissenschaft gilt. Nicht die Technologie, sondern der Mensch ist das Maß der Dinge. Gerade dieses Jahrhundert hat uns gelehrt, vorsichtig zu sein. Andererseits dürfen wir uns nicht durch Überängstlichkeit um Chancen bringen. Wir müssen uns auch die Frage stellen, ob wir wirklich schon alles können und zu tun bereit sind, was nötig ist, um den Hunger in der Welt zu stillen, Krankheiten zu heilen und die Schöpfung zu bewahren.

 

Ein gutes Beispiel, welcher Bewußtseinswandel in einem Klima der Offenheit und des Vertrauens möglich ist, ist die Biotechnologie. Nach einer langen und von Ängsten geprägten Diskussion hieß es noch Anfang der neunziger Jahre vielfach: "Biotechnologie und Gentechnik - das wollen wir nicht." Die Biotechnologie ist jedoch eine Zukunftsbranche par excellence. Deswegen hat die Bundesregierung auch in diesem Bereich die Initiative ergriffen und günstige Rahmenbedingungen geschaffen. So haben wir beispielsweise die Gentechnik-Novelle durchgesetzt und 1996 den BioRegio- Wettbewerb gestartet. Inzwischen haben wir den Durchbruch in der Biotechnologie geschafft: Die Zahl biotechnologischer Unternehmen hat sich in Deutschland von 1995 bis Ende 1997 vervierfacht. Durch den BioRegio-Wettbewerb haben wir Kompetenzzentren geschaffen, die Investoren aus aller Welt anziehen und neue zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen.

 

Unsere Politik zur Verbesserung des Standorts Deutschland trägt Früchte. Das Investitions- und Innovationsklima hat sich deutlich verbessert. Aber der Aufschwung ist kein Selbstläufer. Deshalb muß der Reformkurs fortgesetzt werden. Wir wollen Deutschland dabei auch zu einem noch attraktiveren Forschungs- und Wissenschaftsstandort machen. Wir sind auf dem richtigen Weg.

 

Der Stimmungsumschwung in Deutschland ist überall zu spüren: In unserer Wissenschaft bildet sich wieder junger Unternehmernachwuchs mit innovativen Ideen. In der Wirtschaft wird in Deutschland jetzt kräftig in neue Technologien investiert. 1997 wuchsen die Forschungsausgaben der Wirtschaft um 3,5 Prozent. Die Hälfte der industriellen Produktion entfällt inzwischen auf forschungsintensive Industrien. Mit einem Anteil von 12,2 Prozent am Bruttoinlandsprodukt liegt Deutschland damit im Vergleich vor Japan, den USA und Großbritannien an der Spitze. Zwischen einzelnen Bundesländern ist sogar ein Wettlauf um die besten Rahmenbedingungen für Forschung und Produktion in Gang gesetzt worden. Das gefällt mir. Das ist vernünftiger Föderalismus.

 

Ich wünsche mir einen solchen Wettbewerb gerade auch jetzt im Haus Europa. Tony Blair hat vor einiger Zeit gesagt, sein Land brauche die besten Schulen und Universitäten. Wir wollen das auch für Deutschland. Deswegen bin ich sehr dafür, daß wir hier in einen europäischen Wettbewerb eintreten.

 

Meine Damen und Herren, die Vorstellung, daß Wissenschaft im Elfenbeinturm stattfindet, ist glücklicherweise längst überholt. Gerade heute - im Zeitalter der Globalisierung - brauchen wir die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, auch über Grenzen hinaus. Diese ist um so wichtiger, als Forschung und Innovation in unserem rohstoffarmen Land immer mehr zu den entscheidenden Quellen für Wachstum, Wohlstand, soziale Stabilität und Arbeitsplätze von morgen werden. Deshalb müssen wir uns darum bemühen, in Zukunft noch mehr Brücken zu bauen: zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, zwischen Forschung und Anwendung sowie zwischen den einzelnen wissenschaftlichen Fachdisziplinen.

 

Die Neugründungen von Instituten der Max-Planck-Gesellschaft belegen, daß die interessantesten Wachstumszonen der Forschung nicht so sehr in den traditionellen Fachgebieten zu finden sind. Neue Entwicklungen gibt es heute vielmehr zwischen den Disziplinen, insbesondere in Grenzbereichen wie der Materialforschung oder der Biomedizin.

 

Wir brauchen heute vor allem eine bessere und schnellere Umsetzung von Forschungsergebnissen in Markterfolge - und damit in Arbeitsplätze. In Deutschland ist der Weg von der Erfindung zum Produkt nach wie vor zu lang und beschwerlich. Eine verbesserte Zusammenarbeit von Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Wirtschaft - wie sie in einigen Fällen schon mit Erfolg praktiziert wird - kann hier Abhilfe leisten.

 

Die Grundlagenforschung in Deutschland genießt weltweit einen hervorragenden Ruf. Mit diesem Pfund müssen wir wuchern. Es wäre ein Fehler, die Grundlagenforschung aus kurzsichtigen Überlegungen zurückzuführen, um auf diese Weise mehr Mittel für die anwendungsorientierte Forschung einsetzen zu können.

 

Aber Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sollten auch die Chancen einer kommerziellen Nutzung ihrer Forschungsergebnisse von vornherein stärker bedenken und ergreifen. Daß dies möglich und sinnvoll ist, beweist die Arbeit der Max-Planck-Gesellschaft auf eindrucksvolle Weise. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist und bleibt die erkenntnisorientierte Grundlagenforschung. Aber gleichzeitig gehört für die meisten ihrer naturwissenschaftlichen Institute die enge Zusammenarbeit mit forschenden Wirtschaftsunternehmen inzwischen zur Normalität.

 

Auch bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses leistet die Max-Planck-Gesellschaft Hervorragendes. Das möchte ich sehr dankbar erwähnen. Die Anregung, die kollegiale Kritik und vor allem die intensive wissenschaftliche Betreuung, die junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier erfahren, sind in besonderer Weise geeignet, diese jungen Menschen zu qualifizieren und zu motivieren. Das Kennenlernen des Wissenschaftsbetriebes und nicht zuletzt die menschlichen Begegnungen mit renommierten Wissenschaftlern vermitteln Erfahrungen und schaffen Verbindungen, die uns allen zugute kommen.

 

Junge Menschen brauchen Ermutigung. Sie streben nach Selbständigkeit. Nachwuchs braucht Vertrauensvorschuß. Deshalb ist ein wesentliches Moment recht verstandener Förderung, den hochbegabten Nachwuchs frühzeitig an eigenverantwortliches Forschen heranzuführen. Wir können es uns nicht leisten, herausragende Begabungen zu vergeuden. Auf dem Gebiet menschlicher Intelligenz und Kreativität haben wir nichts zu verschenken. Leistungseliten sind für die Zukunft unseres Landes von existentieller Bedeutung.

 

Meine Damen und Herren, mit der neuen Initiative "BioFuture" eröffnet die Bundesregierung jungen Nachwuchswissenschaftlern erstmals den direkten Zugang zu öffentlichen Fördermitteln: Wir geben diesen jungen Menschen die Chance, selbständig und unabhängig an einer deutschen Forschungseinrichtung oder einer Universität eine eigene Arbeitsgruppe zu führen. So wollen wir ihnen den Weg ebnen in eine wissenschaftliche Spitzenkarriere oder eine aussichtsreiche Unternehmensgründung. Dabei setzen wir den wissenschaftlichen und den wirtschaftlichen Erfolg gleich hoch an.

 

Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Markl, für Ihren Vorschlag, eine international ausgerichtete Graduiertenbildung auf höchstem Niveau in gemeinsamen Zentren von Universitäten und Max-Planck-Instituten einzurichten. Das ist genau das, was wir brauchen. Ausländische Studenten und Wissenschaftler sind gerade auch für Deutschland von vitalem Interesse. Über die Studienkontakte von heute werden Chancen zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit und auch Märkte von morgen erschlossen. Die Verbesserung des Angebots für ausländische Studenten und Wissenschaftler bei uns ist daher eine zentrale Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung.

 

Meine Damen und Herren, wesentlicher Maßstab des Handelns der Max-Planck-Gesellschaft in allen Bereichen ist die Selbstverpflichtung zur exzellenten wissenschaftlichen Leistung. Ihr Ziel ist es, herausragenden Forschern die Mittel und die Zeit, aber auch die innere Freiheit - dies halte ich für besonders wichtig - zu sichern, damit sie ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten entfalten können. Die Max-Planck-Gesellschaft sucht deshalb weltweit nach den besten Wissenschaftlern.

 

Es ist ein gutes Zeichen für den Aufbau Ost, daß internationale Spitzenkräfte gerade auch für die Institutsgründungen in den neuen Ländern gewonnen werden konnten. Hier entsteht einer der attraktivsten Investitions- und Innovationsstandorte in Europa. Ich weiß aber auch, daß viele dies - gerade auch in Wahlkampf-Zeiten - nicht wahrhaben wollen. Aber ich erinnere daran, wie es vor fünfzig Jahren etwa im Ruhrgebiet war. Die Lage schien aussichtslos. Aber sie entwickelte sich dann ganz anders, als viele erwartet hatten: Die Menschen haben zugepackt, und eine vernünftige Politik hat die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, daß das Ruhrgebiet eine der führenden Industrieregionen in Europa wurde. Wer heute zum Beispiel das Chemiedreieck hier in der Nähe betrachtet, der weiß, daß es hier genauso kommen wird.

 

Ich bin besonders dankbar dafür, daß die Max-Planck-Gesellschaft im Jahre 1991 ein Sofortprogramm zur Einrichtung von fast dreißig Arbeitsgruppen an den Universitäten der neuen Länder aufgelegt hat. Diese Arbeitsgruppen konnten inzwischen zum allergrößten Teil in die Universitäten integriert werden. Auch mit dem Langfristprogramm zur schrittweisen Gründung von Max-Planck-Instituten ist Ihre Gesellschaft in Ostdeutschland überaus erfolgreich gewesen. Bis zum Jahre 2000 werden etwa 20 Prozent des wissenschaftlichen und technischen Personals der Max-Planck-Gesellschaft in den neuen Ländern tätig sein.

 

Bund und Länder haben die Max-Planck-Gesellschaft dabei mit überdurchschnittlich wachsenden Zuwendungen unterstützt. Auch für das Jahr 1999 sehen die Planungen der Bundesregierung - trotz knapper Kassen - eine Steigerung um fünf Prozent vor. Da ich gerade in diesen Tagen die erste Gesprächsrunde für den neuen Haushalt abgeschlossen habe, kann ich hier schon sagen, daß es bei aller Sparsamkeit im Etatentwurf 1999 zwei Schwerpunkte gibt: Der Aufbau Ost wird weiterhin absolute Priorität haben. Und der Etat für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie wird substantiell erhöht. Dies ist Politik für eine gute Zukunft!

 

Meine Damen und Herren, was Sie in den vergangenen acht Jahren seit der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes geleistet haben, ist nicht nur in konkreten Ergebnissen meßbar. Mindestens ebenso wichtig ist das Immaterielle: Sie haben ganz wesentlich mit dazu beigetragen, daß Menschen in Deutschland mit sehr unterschiedlichen Lebenserfahrungen aufeinander zugegangen sind. Sie haben in einer ungewöhnlich unbürokratischen Weise mit sehr viel Menschlichkeit und Verständnis geholfen. Sie haben inhaltlich und organisatorisch Neues gewagt und gleichzeitig an bewährten Prinzipien festgehalten. Das ist genau das, was unser Land heute angesichts der dramatischen Umbrüche in der Welt braucht.

 

Wir brauchen die Bereitschaft, neue Wege zu gehen; gleichzeitig müssen wir aber grundlegende Werte und Tugenden, die für die Gestaltung einer menschlichen Gesellschaft unverzichtbar sind, bewahren. Soeben ist hier von der Weimarer Verfassung die Rede gewesen. Ihre Väter haben intensiv darum gerungen, die Grundprinzipien der freiheitlichen Demokratie verfassungsmäßig zu verankern. Die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes haben diese Stafette aufgenommen. Gerade heute müssen wir uns auf dieses Fundament besinnen, wenn wir eine menschliche Gesellschaft bleiben wollen. Nur so können wir die Zukunft gewinnen.

 

Dabei setze ich auch weiterhin auf die Max-Planck-Gesellschaft. Sie ist und bleibt ein unverzichtbarer Teil unserer Forschungslandschaft und unserer Gesellschaft. "Max-Planck" ist ein Markenzeichen für erstklassige Forschung und Zukunftsoffenheit. Deshalb ist es richtig, daß Sie sich unter dem Stichwort "Max-Planck 2000 +" intensiv mit der Fortentwicklung Ihrer Institute und der Erschließung neuer Tätigkeitsfelder beschäftigen.

 

Die Max-Planck-Gesellschaft kann den von ihr eingeschlagenen Weg mit begründetem Selbstvertrauen fortsetzen. Ich wünsche ihr weiterhin Erfolg und alles Gute - zum Wohle der vielen Forscherinnen und Forscher, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich hier einbringen und engagieren - für unsere gemeinsame Zukunft.

 

 

 

Quelle: Bulletin der Bundesregierung. Nr. 52. 16. Juli 1998.