28. Oktober 1996

Rede bei dem Abendessen, gegeben vom Präsidenten der Republik Indonesien, Soeharto, im Jakarta National Convention Center

 

Herr Präsident,

Exzellenzen,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

für den freundschaftlichen Empfang und die großartige Gastfreundschaft, die Sie in den vergangenen Tagen mir und meiner Delegation entgegengebracht haben, möchte ich Ihnen und der indonesischen Regierung herzlich danken. Ich darf es so direkt sagen, Herr Präsident: Das war für uns keine Überraschung; wir sind bei Ihnen immer verwöhnt worden.

Unser bilaterales Verhältnis ist durch traditionelle Freundschaft, enges Vertrauen und gegenseitige Achtung bestimmt. Unsere häufigen persönlichen Kontakte, Herr Präsident, sind auch ein Ausdruck dieser Freundschaft. Seit Ihrem Besuch im April 1995, als wir gemeinsam das "Deutsch-Indonesische Forum für Wirtschaft und Technologie" gegründet haben, sind wir in diesem Jahr bereits zweimal zu einem Meinungsaustausch zusammengetroffen.

Ich freue mich, daß wir gestern und heute erneut Gelegenheit zu ausführlichen Gesprächen hatten, um die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern weiter zu vertiefen. Das Interesse der Deutschen an der Entwicklung in Indonesien ist ungebrochen. Dies sehen Sie auch an der großen Delegation aus Politik und Wirtschaft, die mich auf meiner Reise begleitet. Der enge politische Dialog und die wirtschaftliche Kooperation zwischen uns sind auch ein Zeichen der Wertschätzung für Indonesien und für das indonesische Volk.

Die deutsch-indonesischen Beziehungen können auf eine lange und gute Geschichte zurückblicken. Bereits vor über dreihundert Jahren machten die ersten Deutschen Bekanntschaft mit Ihrer alten Hochkultur - Kaufleute, Wissenschaftler, Ärzte, aber auch Reisende auf der Suche nach fremden Gestaden und neuen Horizonten. Mit seinem landschaftlichen Zauber, mit seiner ethnischen und kulturellen Vielfalt hat Indonesien seither auf uns Deutsche immer eine große Anziehungskraft ausgeübt.

Ich erinnere an den deutschen Maler, Choreographen, Ethnologen und Musiker Walter Spies. Im vergangenen Jahr haben wir in Deutschland und in Indonesien seinen 100. Geburtstag gefeiert. Ich nenne auch den berühmten javanischen Maler Raden Saleh. In der Mitte des letzten Jahrhunderts arbeitete er viele Jahre in Dresden. Ich weiß, daß Sie selbst, Herr Präsident, die Werke dieser beiden Maler besonders schätzen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, etwa 17000 junge Bürger Ihres Landes haben bisher in Deutschland studiert. Viele von ihnen wurden zu bekannten Persönlichkeiten in Politik und Wirtschaft, in Wissenschaft und Kultur. Nicht wenige von Ihnen sehe ich heute abend unter uns.

Um so mehr bedauere ich, daß heute nicht mehr so viele junge hochqualifizierte Indonesier in Deutschland studieren wie früher. Dieser Trend ist nicht gut für die Fortentwicklung unserer Beziehungen. Ich möchte, daß wieder mehr junge Indonesier zum Studium nach Deutschland kommen. Wir in der Bundesregierung sind bereit, von uns aus die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um ein Studium an einer deutschen Hochschule auch für indonesische Studierende wieder attraktiver zu machen und den wissenschaftlichen Austausch mit Ihrem Land, Herr Präsident, auf das alte Niveau zurückzuführen.

Ich sehe es als ein gutes Zeichen an, daß Deutsch weiterhin nach Englisch die am häufigsten gewählte Fremdsprache an indonesischen Schulen ist. Uns in Deutschland imponiert der enorme Fortschritt im Bildungswesen Ihres Landes. Dieser hervorragende und hochqualifizierte Nachwuchs ist eine großartige Chance, die wir für eine Intensivierung unserer Beziehungen nutzen sollten.

In diesem Zusammenhang freue ich mich besonders über eine Vereinbarung, die wir heute gemeinsam getroffen haben. Wir wollen eine Gemeinsame Kommission berufen, deren Aufgabe es ist, die gegenseitigen Kenntnisse über Literatur und Sprache des jeweils anderen Landes zu fördern. Konkret geht es darum, die indonesische und die deutsche Literatur wechselseitig durch Übersetzungen bekannter zu machen und vor allem dafür Sorge zu tragen, daß möglichst bald - und ich denke, dies ist längst überfällig - moderne und umfassende Wörterbücher für Deutsch-Indonesisch wie für Indonesisch-Deutsch erarbeitet werden.

Der bilaterale Handel zwischen uns entwickelt sich positiv. Die deutschen Auslandsinvestitionen in Indonesien haben bereits ein beachtliches Volumen erreicht. Ich sehe zusätzliche gute Möglichkeiten für eine weitere Intensivierung unserer Beziehungen auf möglichst vielen Gebieten. Die Gespräche, nicht zuletzt mit den Vertretern der Wirtschaft Ihres Landes und unseres Landes in diesen Tagen, haben dies gezeigt. Die Einführung eines Berufsbildungswesens in Indonesien, das sich an dem bewährten deutschen dualen Ausbildungssystem orientiert, eröffnet weitere Chancen für unsere Zusammenarbeit.

Herr Präsident, Ihr Land ist mit 200 Millionen Einwohnern inzwischen das viertgrößte der Welt. Es nimmt in der südostasiatischen Weltregion eine besonders wichtige und einflußreiche Stellung ein. Man kann es ganz einfach so formulieren: Indonesiens Wort hat Gewicht.

Ihre Außenpolitik, Herr Präsident, dies konnte ich gut beobachten, hat in den vergangenen Jahren durch eine Förderung von Dialog und guter Nachbarschaft dazu beigetragen, Spannungen in der Region abzubauen. In einer aufgeregten Weltöffentlichkeit, in der oft die Sensation der Tagespolitik den Ausschlag gibt, verdient diese behutsame, pragmatische Politik besonderen Respekt und Anerkennung.

Dies gilt gleichermaßen für die Art und Weise, mit der Sie die regionale Integration gefördert haben. Ich denke dabei nicht zuletzt an die Erklärung von Bogor vom November 1994, die die Agenda der asiatisch-pazifischen Zusammenarbeit für die nächsten Jahre, vielleicht für die nächsten Jahrzehnte, prägen wird.

Als Vorsitzender in ASEAN und dem ASEAN-Regionalforum (ARF) haben Sie den Weg bereitet zu den weitreichenden Beschlüssen der ASEAN-Konferenzen vom Juli dieses Jahres. Mit dem ersten asiatisch-europäischen Treffen in Bangkok (ASEM) haben wir im März dieses Jahres eine wichtige neue Weichenstellung eingeleitet. Wir konnten dabei an die traditionellen freundschaftlichen Beziehungen anknüpfen, die die Europäische Gemeinschaft und die ASEAN-Staaten seit Ende der sechziger Jahre verbinden.

Sehr geehrter Herr Präsident, in dem ständigen Dialog, der zwischen ASEAN und Europäischer Union, zwischen Indonesien und Deutschland stattfindet, werden selbstverständlich alle Fragen angesprochen, die der einen oder anderen Seite besonders am Herzen liegen. Daher ist es für Indonesien und uns seit Jahren selbstverständlich, auch offen über Fragen der Menschenrechte zu sprechen. Dies war auch bei diesem Besuch der Fall.

Sie, Herr Präsident, und ich hatten darüber einen eingehenden Meinungsaustausch. Auch die mich begleitenden Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben diese Fragen mit ihren indonesischen Kollegen, vor allem auch mit den Mitgliedern der Nationalen Menschenrechtskommission Ihres Landes erörtert.

Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß es bei aller Übereinstimmung in so vielen grundlegenden Fragen auch Auffassungsunterschiede gibt. Wir sind uns vor allem darin einig, daß wir unserer gemeinsamen Verantwortung nur dann wirklich gerecht werden, wenn wir in einem offenen freundschaftlichen und vertrauensvollen Dialog an alle Themen herangehen. Dabei müssen wir selbstverständlich die Geschichte, die Kultur, aber auch die wirtschaftlich-sozialen Gegebenheiten des anderen respektieren. Nur auf diese Weise kommen wir im gegenseitigen Interesse voran und können dann auch praktische Probleme lösen.

Herr Präsident, mit besonderem Respekt haben wir in Deutschland und Europa verfolgt, mit welchem Geschick und welchem Engagement Sie in den Jahren 1992 bis 1995 den Vorsitz in der Bewegung der nicht-gebundenen Staaten ausgeübt haben. Sie haben dabei - das möchte ich ganz besonders herausstellen - wesentlich dazu beigetragen, den Dialog zwischen Nord und Süd von ideologischen Schlagworten zu befreien und ein sachliches Gespräch zu ermöglichen.

Ihr Wirken hat Ihrem Land noch mehr internationales Vertrauen und Anerkennung erworben. Das zeigt auch die Wahl Indonesiens in den Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen für die Jahre 1995 und 1996. Daß Deutschland dabei zur gleichen Zeit Ihr Partner war, freut mich besonders.

Wir beide, Indonesien und Deutschland, wollen unsere politische Abstimmung auf möglichst allen Gebieten weiter intensivieren. Es ist unser Wunsch an der Schwelle dieses Jahrhunderts und Jahrtausends, daß in dem neuen Jahrtausend und in dem neuen 21. Jahrhundert eine Welt des Friedens und eine Welt der Freiheit entstehen möge, eine Welt, die frei ist von Furcht und von Not.

Herr Präsident, meine Damen und Herren: Wir, Ihre alten Freunde, wollen diesen Weg mit Ihnen gemeinsam gehen. In diesem Sinne bitte ich Sie alle, das Glas zu erheben. Auf Ihr Wohlergehen, Herr Präsident! Auf eine gute Zukunft Ihres Volkes! Auf eine gute gemeinsame Zukunft von Indonesiern und Deutschen! Das ist unser gemeinsames Ziel.

Quelle: Bulletin der Bundesregierung. Nr. 95. 25. November 1996.