31. Dezember 1997

Neujahrsansprache über die Deutsche Welle

 

Liebe Landsleute im Ausland,

liebe Freunde Deutschlands in der Welt,

 

Ihnen allen übermittle ich zur Jahreswende herzliche Grüße aus Deutschland. Ich grüße besonders Sie, die auch 1998 fern der Heimat leben und arbeiten. Viele von Ihnen sind gerade in dieser besinnlichen Zeit am Ende des Jahres mit ihren Gedanken bei uns in der Heimat. Sie können gewiß sein, daß Ihre Verwandten und Freunde heute ebenfalls voller Sympathie an Sie denken.

 

Zur Jahreswende ist es gute Tradition, Bilanz zu ziehen und zugleich den Blick nach vorn zu richten. Tiefgreifende Veränderungen bei uns in Deutschland, in unserer europäischen Nachbarschaft und in vielen Teilen der Welt haben uns weitreichende Entscheidungen abverlangt. Wir leben in einer immer enger verflochtenen Welt. Der internationale Wettbewerb wird härter. Was in anderen Ländern und Kontinenten geschieht, berührt uns mehr und mehr ganz unmittelbar. Wir dürfen diese Entwicklung aber nicht als Bedrohung sehen. Sie birgt eine große Chance an neuen Möglichkeiten, die wir nutzen wollen.

 

In der Politik haben wir zukunftsweisende Reformen auf den Weg gebracht und durchgesetzt. So wird unser Land im 21. Jahrhundert seinen Platz in der Spitzengruppe der Industriestaaten behaupten, die Menschen in Deutschland werden mehr Chancen auf Arbeit, Wohlstand und soziale Sicherheit gewinnen. Es ist mein Ziel, daß Deutschland aus den globalen Umbrüchen unserer Zeit gestärkt hervorgeht. Wir gehen den Weg der Erneuerung auch im Interesse kommender Generationen.

 

Unser gemeinsames Bemühen zeigt erste Erfolge. Der wirtschaftliche Aufschwung gewinnt an Kraft. Alles deutet darauf hin, daß das Wachstum 1998 weiter zunehmen wird. Anhaltend hohe Exporte und steigende Investitionen geben uns die berechtigte Hoffnung auf eine baldige Trendwende am Arbeitsmarkt. Den Weg der Reformen müssen wir weitergehen, es gibt keine verantwortbare Alternative.

 

Liebe Landsleute, entscheidende Voraussetzungen für das Glück unseres Landes und aller Völker sind Frieden und Freiheit. Sie sind die Grundlage, auf der sich die schöpferische Kraft des Menschen entfalten kann - zum Nutzen des einzelnen wie der Gemeinschaft.

 

Frieden und Freiheit sind uns zur Selbstverständlichkeit geworden, und wir wissen nicht, was ein neues Jahrhundert an Veränderungen und Gefahren mit sich bringt. Deshalb setze ich mich leidenschaftlich dafür ein, daß wir das Haus Europa vollenden. Es ist die gemeinsame Heimat für unsere Völker unseres Alten Kontinents, die im Geiste guter Nachbarschaft und Freundschaft darin leben wollen.

 

Die europäische Einigung ist das größte und erfolgreichste Friedenswerk, das je auf unserem Kontinent begonnen wurde. Erst vor wenigen Wochen haben wir dabei entscheidende Fortschritte erzielt. Auf der Tagung des Europäischen Rates in Luxemburg wurden die Weichen für eine Erweiterung der Europäischen Union nach Osten gestellt.

 

Am Ende eines Jahrhunderts voller Katastrophen und voll menschlichen Leides wächst Europa über alle einstigen Gräben hinweg zusammen. Eine Vision wird Wirklichkeit. Ein neues Europa entsteht. Im kommenden Jahr werden wir über die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung entscheiden. Der Euro wird nicht nur eine starke Währung sein, er wird auch die europäische Wirtschaft stärken, zum Wohle aller. Dieses Europa wird ein Kontinent des Friedens, in dem die kommenden Generationen in Freiheit leben können.

 

Liebe Landsleute, wir sind Teil der Einen Welt. Wir wollen im Geist der Partnerschaft unseren Beitrag zu einer guten Zukunft aller Völker leisten. Als weltoffenes Land, als große Exportnation treten wir für einen freien Welthandel ein. Wir wollen den Ausgleich zwischen Nord und Süd fördern. Wir wollen helfen, Hunger und Elend zu bekämpfen und die Schöpfung zu bewahren - gemeinsam mit unseren Partnern und Freunden auf allen Kontinenten.

 

Der internationale Rang unseres Landes hängt nicht allein von seinem politischen Gewicht und seiner wirtschaftlichen Leistungskraft ab. Auch die kulturelle Ausstrahlung Deutschlands prägt unser Ansehen in der Welt. Sie, liebe Landsleute im Ausland, wissen dies aus eigener Erfahrung. Durch Ihre Arbeit helfen Sie, wo immer Sie leben, Brücken zu anderen Völkern und Kulturen dieser Welt zu bauen. Dafür sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank.

 

Ihnen allen im Ausland gilt mein Gruß:

 

-

 

den deutschen Kirchengemeinden in der Weit, den Missionaren und Seelsorgern;

 

-

 

den Soldaten der Bundeswehr, die im Ausland Dienst tun.

 

 

Ich grüße

 

-

 

die Angehörigen des Auswärtigen Dienstes und die Entwicklungshelfer staatlicher und privater Hilfsorganisationen;

 

-

 

die Landsleute, die für deutsche und internationale Firmen arbeiten.

 

-

 

diejenigen, die in Wissenschaft und Kultur tätig sind, die im Ausland lehren und lernen - vor allem in den deutschen Schulen in aller Welt;

 

-

 

die Seeleute, vor allem die, die sich zu dieser Stunde auf hoher See befinden;

 

-

 

und die Mitarbeiter und Korrespondenten von Presse, Funk und Fernsehen in aller Welt.

 

 

Mein ganz besonderer Gruß gilt allen Angehörigen deutscher Volksgruppen, denen wir uns eng verbunden fühlen. Ich denke heute auch an die Freunde Deutschlands überall in der Welt. Ihre Zuneigung und Wertschätzung ist ein großer Reichtum, der uns viel bedeutet.

 

Liebe Landsleute und Freunde, wir wissen nicht, was die Zukunft uns bringt. Wohl aber können wir dazu beitragen, sie in unserem Sinne zu gestalten. Handeln wir mit Mut und Entschlossenheit, im Geiste von Freiheit, Verantwortung und Nächstenliebe. Ich wünsche Ihnen sowie all Ihren Freunden und Angehörigen Glück, Gesundheit und Erfolg im Jahre 1998. Gott segne unser deutsches Vaterland!

 

Quelle: Bulletin der Bundesregierung. Nr. 1. 6. Januar 1998.