Portrait-Aufnahme Edmund Stoiber
Edmund Stoiber

Edmund Stoiber

* geboren 28.09.1941 in Oberaudorf/Landkries Rosenheim

Dr. jur.


Mitglied des Bayerischen Landtags, Landesminister, Ministerpräsident, CSU-Generalsekretär, CSU-Vorsitzender, CSU-Ehrenvorsitzender

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Übersicht

1961 Abitur in Rosenheim und Wehrdienst
1962-1967 Studium der Rechte und der Politologie
1967 Erstes Staatsexamen
1971 Zweites Staatsexamen und Promotion zum Dr. jur.; Regierungsrat im Bayerischen Staatsdienst
1972-1974 Persönlicher Referent des bayerischen Umweltministers
1974-2008 Abgeordneter im Bayerischen Landtag
1978-1983 Generalsekretär der CSU
1982-1986 Leitung der Bayerischen Staatskanzlei
1988-1993 Bayerischer Innenminister
1989-1993 stellv. Vorsitzender der CSU
1993-2007 Bayerischer Ministerpräsident
1999-2007 Vorsitzender der CSU
2002 Kanzlerkandidat der CDU/CSU
2007-2014 Leiter der EU-Sachverständigengruppe zum Bürokratie-Abbau
seit 2007 Ehrenvorsitzender der CSU

Edmund Stoiber drückte der CSU seinen Stempel auf wie vor ihm nur sein Vorbild und Mentor Franz Josef Strauß. Genau wie dieser scheiterte er zwar als Kanzlerkandidat, gestaltete aber als geradezu triumphaler bayerischer Ministerpräsident auch die Bundespolitik entscheidend mit.

Jugend und Ausbildung

Edmund Rüdiger Stoiber wurde am 28. September 1941 im südbayerischen Oberaudorf geboren. Sein Vater war ein aus der Oberpfalz stammender Bürokaufmann, seine Mutter gebürtige Rheinländerin. Die materiellen Möglichkeiten des Elternhauses blieben Stoibers gesamte Jugend über stark eingeschränkt, trotzdem konnte er das humanistische Ignaz-Günther-Gymnasium in Rosenheim besuchen, wo er 1961 sein Abitur ablegte. Die 7. Klasse hatte er aufgrund seiner Lateinnote wiederholen müssen, was für den später gern als etwas streberhaft dargestellten Stoiber aber ohne ernstere Konsequenzen blieb. In der Bundeswehr begann er eine Ausbildung zum Reserveoffizier, musste seinen Wehrdienst bei der Gebirgsdivision nach einer Knieverletzung jedoch vorzeitig beenden. Stoiber immatrikulierte sich in München an der Ludwig-Maximilians-Universität im Fach Jura – und parallel dazu auch an der Hochschule für Politik. Das Erste Staatsexamen legte er 1967 ab und übernahm eine Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Straf- und Ostrecht an der Universität Regensburg. Sein Referendariat trat er 1968 an und schloss es 1971 mit Prädikat ab. Im gleichen Jahr wurde er mit seiner Untersuchung „Der Hausfriedensbruch im Lichte aktueller Probleme“ zum Dr. jur. promoviert – für den auch später noch profilierten Experten zu Fragen der inneren Sicherheit sicherlich keine zufällig gewählte Themensetzung. Anschließend trat Stoiber als Regierungsrat in den bayerischen Staatsdienst ein und übernahm eine Stelle im neu formierten Ministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen unter Max Streibl, als dessen persönlicher Referent und zuletzt auch Büroleiter Stoiber dann zwischen 1972 und 1974 fungierte.

Förderung durch Franz Josef Strauß

Bei der Landtagswahl 1974 verpasste die CSU die Zweidrittelmehrheit nur knapp um vier Sitze. Zu ihren erstmalig ins Parlament gewählten Kandidaten zählten, neben Stoiber, der seine Ministeriallaufbahn nun aufgab, unter anderem auch Günther Beckstein, Thomas Goppel, Kurt Faltlhauser, Otto Wiesheu und Hans Zehetmair – mithin also eine ganze Generation von Landespolitikern, die Bayern die folgenden Jahrzehnte über noch prägen würde. Dem Landtag sollte Stoiber ununterbrochen bis 2008 angehören. Ursprünglich zur Politik gefunden hatte er über sein Engagement bei der Jungen Union, das ihm schließlich auch die Tür zu Ämtern und Funktionen in der CSU selbst eröffnete. 1975 wurde er Vorstandsmitglied des traditionell mächtigen Bezirks Oberbayern. Als der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß nach der Landtagswahl 1978 auch Bayerischer Ministerpräsident wurde – nicht zuletzt gestützt auf die Riege der aufstrebenden Jungparlamentarier – wurde Stoiber rasch die Position des Generalsekretärs angetragen. Er führte das Amt fünf Jahre lang, dabei fiel er regelmäßig durch geradlinige, kantige, mitunter sicherlich auch unpopuläre Positionierungen auf, die seinen Ruf als „blondes Fallbeil“ begründeten. Erste bundespolitische Erfahrungen sammelte Stoiber 1980, als er den, letztlich erfolglosen, Wahlkampf seines Förderers für das Amt des Bundeskanzlers organisierte. Nach der Landtagswahl 1982 schließlich wurde er als Staatsekretär – in der gleichen Funktion ab 1986 als Minister – zum Leiter der Staatskanzlei ernannt. Seine Aufgabe bestand in erster Linie darin, der Behörde eine dezidiert parteipolitische Grundausrichtung zu geben.

Der profilierte Landespolitiker

Mit dem plötzlichen Tod von Franz Josef Strauß im Herbst 1988 stand Bayern vor einer markanten Zäsur, Stoiber selbst verlor mit ihm nicht nur seinen Mentor, sondern auch einen persönlichen Freund. Für die CSU war das Verscheiden des dominanten Landesvaters erschütternd, quasi wie selbstverständlich hatte sie sich über lange Jahre hinweg an seiner Person orientiert. Eine offene Diskussion um mögliche politische Erben hatte in ihren Strukturen somit zwar nie stattfinden können, doch kristallisierte sich, in Stoibers Erinnerung „erstaunlich schnell und einvernehmlich“, Max Streibl als geeigneter Nachfolger für das Amt des Ministerpräsidenten heraus. Vorsitzender hingegen wurde Theo Waigel. Auch Stoibers politisches Gewicht legte nun merklich zu. Er wurde von Streibl zum Bayerischen Staatsminister des Inneren ernannt, rückte an die Spitze der CSU-Grundsatzkommission und diente seiner Partei ab 1989 zudem als Stellvertretender Vorsitzender. Gerade als Innenminister verstand es Stoiber, sich als Vertreter des starken Staats und der Inneren Sicherheit zu profilieren. Er setzte auf Law-and-Order-Prinzipien, erhöhte die öffentliche Polizeipräsenz und begleitete die aufflammende Asyldebatte zu Beginn der 1990er Jahre immer wieder mit entschiedener Rhetorik. In kurzer Zeit wuchs er innerhalb des Parteigefüges, so das Urteil von Beobachtern, zum „Ersatzmann Nummer Eins“ hinter Bundesfinanzminister Waigel heran. Ministerpräsident Streibl hatte die CSU in der Landtagswahl 1990 zum Sieg geführt und die absolute Mehrheit verteidigen können, blieb aber im Vergleich zu seinem schillerndem Vorgänger im Ganzen eher blass. Im Zuge der sogenannten „Amigo-Affäre“ musste er im Mai 1993 zurücktreten. Als sein Nachfolger setzte sich Stoiber durch.

Theo Waigel und Edmund Stoiber

Die Wahl Stoibers zum Ministerpräsidenten war dabei keine Selbstverständlichkeit, tatsächlich hatten sich im Vorfeld eine ganze Reihe potentieller Kandidaten in Stellung gebracht. Sein Hauptkonkurrent war der bereits in der Bundespolitik etablierte und somit deutschlandweit anerkannte Waigel, gegen den sich jedoch letztlich die einflussreiche Landtagsfraktion aussprechen sollte. Der sich nun bereits deutlich abzeichnende, im Ergebnis sehr spannungsreiche, auf einer persönlichen Ebene mitunter durchaus auch scharf gehaltene Dualismus zwischen Theo Waigel in Bonn und Edmund Stoiber in München sollte die Außenwahrnehmung der CSU die folgenden Jahre über prägen. Als Ministerpräsident zeigte sich Stoiber nun einerseits bemüht, die Kollateralschäden der jüngsten Korruptionsskandale für die CSU einzudämmen. Im Zuge der sogenannten „Zwick-Affäre“ drohte er zwischenzeitlich allerdings selbst Schaden zu nehmen. Andererseits begann Stoiber, sich auch bundesweit stärker zu profilieren. Insbesondere bei der Schwesterpartei CDU als stark kontrovers wahrgenommen wurde dabei seine im Herbst 1993 formulierte programmatische Abkehr vom Ziel einer weiteren europäischen Integration. Mit dem Ergebnis von 52,8% der Stimmen konnten Stoiber und die CSU die absolute Mehrheit in der Landtagswahl 1994 gleichwohl überzeugend verteidigen. Unter dem Stichwort „Offensive Zukunft Bayern“ implementierte Stoiber nun eine ganze Reihe wirtschaftspolitischer Maßnahmen zur weiteren Stärkung des bayerischen High-Tech-Sektors, finanziert in erster Linie aus Privatisierungserlösen. Er folgte im Ganzen letztlich schon bewährten Traditionslinien der Strauß-Ära, so auch als föderalistischer Kämpfer für die Rechte der Länder oder als Förderer von Kultur und Wissenschaft. Undogmatischen Pragmatismus bewies er mit dem Abschluss des „Beschäftigungspakts Bayern“ 1996. Dieser war gewissermaßen eine neuaufgelegte Variante der klassischen „Konzertierten Aktion“ und wurde im Einvernehmen sowohl mit der bayerischen Wirtschaft als auch den DGB-Gewerkschaften ausgehandelt. Gegenüber dem Bund setzte Stoiber immer wieder Nadelstiche in Form bayerischer Alleingänge, beispielsweise beim Abtreibungsrecht oder mit seinem Widerstand gegen die Aufnahme der Tschechischen Republik in die Europäische Union, da Prag weiterhin nicht gewillt war, die sog. Beneš-Dekrete formal aufzuheben. Nicht zuletzt seine vehemente Forderung nach einer dezidiert strengen Auslegung der sogenannten Maastrichtkriterien zur Einführung des Euro brachte ihn in wiederholte Opposition zur Politik der Bundesregierung, und hierbei insbesondere zu Finanzminister Waigel. Für diesen sollte das Wahljahr 1998 die Niederlage im Dauerkonflikt mit seinem Stellvertretenden Parteivorsitzenden markieren: Während in Bonn mit dem Wahlsieg von Rot-Grün nach 16 Jahren die Ära Helmut Kohl zu ihrem Ende kam, triumphierten die CSU und Stoiber in Bayern erneut und verteidigten mit 52,9% der Stimmen ihre absolute Mehrheit im Landtag. Waigel gab den CSU-Parteivorsitz ab, Edmund Stoiber übernahm auch dieses Amt.

Der Kanzlerkandidat

Im Bonner Bundestag – der wenige Monate später nach Berlin umzog – fand sich die CDU/CSU-Fraktion derweil auf der ihr ungewohnten Oppositionsbank wieder. Der CDU standen überaus turbulente Jahre des Umbruchs und der Neuorientierung bevor. Zwar übernahm der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble nach dem Rücktritt Kohls zusätzlich auch das Amt des CDU-Parteivorsitzenden, doch konnte er weit weniger als Stoiber in München aus einer Position gefestigter Stärke heraus agieren. Schon nach zwei Jahren übergab Schäuble im Zuge der „CDU-Spendenaffäre“ den Parteivorsitz an seine bisherige Generalsekretärin Angela Merkel. Stoiber wiederum nutzte die Schwächephase der Schwesterpartei systematisch, um die Führung der gesamten Unionsfamilie für sich selbst zu beanspruchen. Innerhalb seiner eigenen Partei war er nunmehr unangefochten, so erhielt Stoiber auf dem Nürnberger Parteitag vom Oktober 2001 über 96% der Delegiertenstimmen. Von kräftebindenden landespolitischen Debatten blieb er zudem weitgehend verschont – sieht man von den zwischenzeitlichen Affären um die staatliche Immobilienfirma LWS oder den sogenannten „Schweinemastskandal“ ab. Demgemäß konnte Stoiber seine Energie nun fast vollständig auf die Bundespolitik richten. Er etablierte sich dort zunehmend als Gegenspieler von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Als eigentlicher Oppositionsführer wahrgenommen wurde er dabei vor allem in der Debatte um die rot-grüne Steuerreform, aber auch im Zuge der Dauerkontroversen um die Asyl- und Europapolitik. Stoiber, vom SPIEGEL bald als „Leuchtturm aus dem Süden“ apostrophiert, wuchs auch in den Augen der Schwesterpartei immer mehr in Rolle des Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2002 hinein.

Im als „Wolfratshausener Frühstück“ bekanntgewordenen Treffen vom 11. Januar 2002 verzichtete seine einzige Konkurrentin Angela Merkel auf eigene Ansprüche in der „K-Frage“ und machte dem CSU-Vorsitzenden somit den Weg endgültig frei. Nach Franz Josef Strauß 1980 sollte Edmund Stoiber also der zweite Kanzlerkandidat aus den Reihen der CSU werden. Er richtete ein „Kompetenzteam“ ein, das ostentativ auf die Mitwirkung prominenter und bewährter CDU-Größen wie Wolfgang SchäubleLothar Späth oder Friedrich Merz setzte und die Wirtschafts-, Steuer und Arbeitsmarktpolitik zu Schwerpunktthemen erklärte. Als Wahlkampfleiter gewann Stoiber Michael Spreng, den ehemaligen Chefredakteur der „Bild am Sonntag“. Dem erfahrenen Journalisten gelang es, das etwas technokratisch-distanzierte Image Stoibers aufzupolieren. Er verbesserte hierdurch schrittweise dessen Popularitätswerte im unmittelbaren Vergleich mit dem betont volksnahen Kanzler Schröder. Diesem stellte sich der Unionskandidat schließlich auch im Rahmen zweier TV-Duelle – einem in Deutschland bis dato unüblichem Format, das in erster Linie dem US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf entlehnt war. In zweifacher Hinsicht sollte es jedoch dem amtierenden Kanzler kurz vor dem Wahltag gelingen, letztlich entscheidend zu punkten: Zum einen konnte sich Schröder während des sogenannten „Jahrhunderthochwassers“ als zupackender Krisenmanager präsentierten. Zum anderen widersetzte er sich öffentlichkeitswirksam den in Deutschland heftig kritisierten, gleichwohl immer virulenteren Irakkriegsplänen des amerikanischen Präsidenten George W. Bush. Stoiber blieb in dieser Frage keine Möglichkeit, einen individuellen, auch medial wahrnehmbaren Standpunkt einzunehmen, der ihn von der höchst populären Position der amtierenden Bundesregierung hätte erkennbar abgrenzen können. Der Wahlabend vom 22. September 2002 entwickelte sich schließlich zum Krimi. Nach den ersten Hochrechnungen erklärten sich Stoiber und die CDU/CSU bereits zum Sieger. Erst gegen Mitternacht kristallisierte sich heraus, dass die SPD letztlich doch wenige tausend Stimmen mehr als die Union erhalten hatte und zudem von einigen Überhangmandaten profitierte. Gerhard Schröder war Wahlsieger und wurde im Amt bestätigt.

Triumpf in Bayern

Stoiber, in eigenen Augen ein „erfolgreicher gescheiterter Kanzlerkandidat“ war geschlagen, aber nicht entmutigt – in Bayern hatte die CSU bemerkenswerte 58,6% der Stimmen erzielt. Er bewertete dies als persönlichen Auftrag und konzentrierte sich nun wieder auf die Landespolitik, ohne sich dabei ganz aus der Bundespolitik und deren Themen zurückzuziehen. Bestätigung erhielt Stoiber sowohl als CSU-Vorsitzender von Seiten der Partei – mit einem Ergebnis von fast 98% auf dem Parteitag vom Juli 2003 – wie auch als Ministerpräsident bei der Landtagswahl vom 21. September 2003. Mit 60,7% der Stimmen errang die CSU eine Zweidrittelmehrheit im Bayerischen Landtag. Dies war ein Novum in der bundesdeutschen Parlamentsgeschichte und auch für die erfolgsverwöhnte CSU beispiellos. Stoiber entfaltete nun eine breit angelegte Reformoffensive, um das bayerische Erfolgsmodell in seinem Sinne strukturell weiter zu festigen und damit auch langfristig zu perpetuieren. Die eingeleiteten Schritte waren dabei keineswegs immer unkontrovers, so bei der Einführung des achtjährigen Gymnasiums. Die wichtigste Wegmarke blieb für Stoiber das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts bis zum Jahr 2006. Er verordnete dem Land einen harten Sparkurs und verschlankte radikal die Verwaltung, auch um den Preis mitunter hochemotional besetzten Widerstands sogar aus den eigenen Reihen, etwa bei der Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts.

Anfang 2004 kam Stoiber als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Gespräch, lehnte dies aber ab – genauso, wie auch eine mögliche Ernennung zum Chef der Europäischen Kommission, für die ihn der französische Präsident Jacques Chirac vorschlug. Auch wenn sich bereits abzeichnete, dass sich Stoiber unionsintern kein zweites Mal gegen Merkel als Kanzlerkandidat würde behaupten können, so waren seine bundespolitische Ambitionen offenkundig noch nicht gänzlich ad acta gelegt. Dies veranschaulichen etwa sein fortgesetzter Einsatz in Fragen der Gesundheits- und Steuerreform oder das Ringen um die Föderalismusreform. Letztere zu verhandeln oblag Stoiber, gemeinsam mit dem Sozialdemokraten Franz Müntefering, als Vorsitzendem einer gemeinsamen Kommission von Bundesrat und Bundestag, die Ende 2003 eingerichtet wurde. Als in unmittelbarer Folge der nordrhein-westfälischen Landtagswahl vom Mai 2005 Rot-Grün im Bund scheiterte und eine Neuwahl des Bundestags für den folgenden Herbst feststand, ließ Stoiber Fragen nach seiner politischen Zukunft zunächst demonstrativ offen. Nach dem knappen Wahlsieg Angela Merkels und der Bildung einer großen Koalition von CDU/CSU und SPD äußerte Stoiber erkennbares Interesse an der Übernahme eines „Superministeriums“. Dieses sollte im Kern aus dem Wirtschaftsressort bestehen, aber mit beträchtlichen Kompetenzen aus den Bereichen Finanzen und Bildung erweitert werden. Nach einigen Wochen letztlich nicht immer geschickten Taktierens verzichte Stoiber schließlich wiederum ganz auf ein Amt in Berlin und erklärte, doch Ministerpräsident in Bayern bleiben zu wollen.

Abschied aus der Politik

In München war die Luft für Stoiber inzwischen spürbar dünner geworden. Schon auf dem CSU-Parteitag vom September 2005 wurde ihm vor Augen geführt, dass insbesondere sein mitunter als rücksichtslos wahrgenommener Reformkurs nicht ohne Folgen auf die Stimmung geblieben war. Zwar wurde er mit 93,1% der Delegiertenstimmen als Vorsitzender bestätigt, doch waren erste Risse in der Partei sichtbar geworden. Diese verstärkten sich während der Berliner Koalitionsverhandlungen und der schon parallel dazu in München geführten Nachfolgedebatte um das Amt des Ministerpräsidenten. Die größten Chancen rechneten sich zunächst Erwin Huber und Günther Beckstein aus. Stoibers plötzlicher Rückzug nach München verärgerte dann die Anhänger beider Kandidaten zusätzlich. Die Kritik an Entscheidungen wie Stil des Ministerpräsidenten schwoll weiter stetig an, insbesondere in der Landtagsfraktion. Kurzzeitigen, aber entscheidenden Einfluss erlangte die Fürther Landrätin Gabriele Pauli, die auch langjähriges Mitglied im Parteivorstand war. Ihre Forderung nach einer Urabstimmung über den künftigen Spitzenkandidaten traf zunehmend auf offene Ohren. Das wenig taktvolle Vorgehen Stoibers in der sogenannten „Spitzelaffäre“, in der sein Bürochef angeblich Informationen über Paulis Privatleben zusammengetragen habe, tat das Übrige. Zunächst sollte ihm ein Kompromiss auf der Kreuther Präsidiumstagung vom 8. Januar 2007 noch einen gesichtswahrenden Rückzug ermöglichen – über seine Nachfolge würde erst nach der anstehenden Landtagswahl entschieden werden. Da Stoiber jedoch im Gegenzug ankündigte, bis 2013 in jedem Falle weiterregieren zu wollen, wandte sich seine Partei nun endgültig gegen ihn. Am 18. Januar erklärte er schließlich notgedrungen, künftig nicht mehr für das Amt des Parteivorsitzenden zu kandidieren und zudem als bayerischer Ministerpräsident zurücktreten zu wollen – wenngleich erst zum Parteitag Ende September. In den ihm verbliebenen Monaten als Regierungschef entfaltete er eine rege Reisetätigkeit und förderte dabei eine Vielzahl von Handelsabkommen zugunsten der bayerischen Wirtschaft. Mit militärischen Ehren – die Bundeswehr zelebrierte eine Serenade im Münchner Hofgarten – trat Stoiber schließlich aus der ersten Reihe der aktiven Politik ab, für einen Ministerpräsidenten durchaus ungewöhnlich.

Würdigung

Der schon am 29. September 2007 zum Ehrenvorsitzenden der CSU ernannte Stoiber nahm das Angebot von EU-Kommissionpräsident José Barroso an, als Experte Vorschläge für den Bürokratieabbau in der EU zu erarbeiten, bis Oktober 2014 als Leiter einer „High-Level-Group“, im Anschluss daran noch einige Monate als Sonderberater. Dies, wie auch die Übernahme weiterer Funktionen als Beirat etwa bei ProSiebenSat.1 oder bei der Wirtschaftsprüfergesellschaft Deloitte zeigen, dass ein völliger Rückzug ins Private für Stoiber nicht in Frage kam. Eine Herzensangelegenheit blieb ihm sein Engagement beim FC Bayern München. Schon seit 1965 ist er dort Vereinsmitglied, wurde später Vorsitzender des Verwaltungsbeirats und nach seinem Rückzug aus der bayerischen Politik auch Aufsichtsrat. Somit ist Stoiber noch immer im öffentlichen Raum präsent. Als überaus erfolgreicher, häufig polarisierender und auf seine eigene Art funkelnder Politiker hat er die jüngere Geschichte Bayerns mitgeprägt. Ist er auch sicherlich kein Rhetoriker ersten Ranges wie etwa Franz Josef Strauß, so gingen Stoibers sprachliche Idiosynkrasien gleichwohl in die politische Populärkultur ein – immerhin sogar als CD-Veröffentlichung. Stoiber wiederum trägt dies mit Humor und bezeichnet etwa seine legendäre Transrapid-Rede schmunzelnd auch selbst als „Kult“.

  • Edmund Stoiber und Friedrich Kabermann: Das Maß der Dinge. Über die Kunst, das politisch Notwendige zu tun, München 2001.
  • Edmund Stoiber: Weil die Welt sich ändert. Politik aus Leidenschaft – Erfahrungen und Perspektiven, München 2012.

Martin Falbisoner